Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_261/2007
Urteil vom 22. August 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiber Flückiger.
Parteien
S.________, 1968, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Dr. Peter Bohny, Falknerstrasse 36, 4005 Basel,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn
vom 5. April 2007.
Sachverhalt:
A.
S.________ erlitt am 19. November 1999 einen Verkehrsunfall. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) als obligatorischer Unfallversicherer richtete für die Folgen dieses Ereignisses Taggelder aus und kam für die Heilbehandlung auf. Mit Verfügung vom 31. Juli 2006 stellte die Anstalt ihre Leistungen rückwirkend per 31. Mai 2006 ein. Einer allfälligen Einsprache entzog sie die aufschiebende Wirkung.
Der Versicherte liess am 21. August 2006 Einsprache erheben und gleichzeitig die Wiedererteilung der aufschiebenden Wirkung beantragen.
Mit Zwischenentscheid vom 20. November 2006 lehnte die SUVA diesen Antrag ab.
B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn ab (Entscheid vom 5. April 2007).
C.
S.________ lässt Beschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, es sei der Einsprache vom 21. August 2006 gegen die Verfügung vom 31. Juli 2006 rückwirkend die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Zudem sei die SUVA anzuhalten, "die unrechtmässig zurückbehaltenen Rentenleistungen ab je Fälligkeitsdatum zu verzinsen".
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Als vorsorgliche Massnahme im Sinne dieser Bestimmung gilt auch die Zuerkennung oder Verweigerung der aufschiebenden Wirkung (Botschaft des Bundesrates zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 4202, 4336; Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 420, Art. 98 N 7). Unabhängig davon, ob das am 21. August 2006 gestellte Gesuch die aufschiebende Wirkung oder (was eher zutreffen dürfte; vgl. Urteil I 57/03 vom 3. April 2003, E. 4) vorsorgliche Massnahmen im engeren Sinn betrifft, sind die Beschwerdegründe somit auf den in Art. 98 BGG umschriebenen Rahmen beschränkt. Gegebenes Rechtsmittel ist trotz der dargelegten Kognitionsregelung die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) und nicht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG).
1.2 Handelt es sich beim angerufenen verfassungsmässigen Recht um ein Grundrecht, prüft das Bundesgericht dessen Verletzung nur insofern, als eine entsprechende Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerdeschrift ist zumindest in erkennbarer Weise anzuführen, welches Grundrecht verletzt sein soll, und kurz darzulegen, worin die behauptete Verletzung besteht (vgl. Botschaft, a.a.O., S. 4344 f.).
2.
Das Bundesgericht hat nach dem Gesagten zu prüfen, ob die Verweigerung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen verfassungsmässige Rechte verstösst. Weil sich der Beschwerdeführer insoweit ausschliesslich auf Grundrechte beruft, gilt das Rügeprinzip des Art. 106 Abs. 2 BGG.
2.1 Bezüglich der geltend gemachten Verletzung der durch Art. 7 BV garantierten Menschenwürde mangelt es an einer den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Rüge, da die Beschwerdeschrift diesbezüglich keinen Bezug zu den vorinstanzlichen Erwägungen herstellt. Gleiches gilt für den pauschalen Hinweis auf eine Verletzung von "Art. 29 ff. BV", soweit er nicht durch die Ausführungen zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) konkretisiert wird.
2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, das vom kantonalen Gericht bestätigte Vorgehen der SUVA verletze sein verfassungsmässiges Recht, von den staatlichen Organen nach Treu und Glauben behandelt zu werden (Art. 9 BV). Diese Norm verleiht einer Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in behördliche Zusicherungen oder sonstiges, bestimmte Erwartungen begründendes Verhalten der Behörden (BGE 126 II 377 E. 3 S. 387 mit Hinweisen; zur Abgrenzung gegenüber Art. 5 Abs. 3 BV, der kein verfassungsmässiges Recht begründet, vgl. Beatrice Weber-Dürler, Neuere Entwicklungen des Vertrauensschutzes, ZBl 103 (2002) S. 281 ff., 282 ff.).
Der Umstand, dass Taggelder und Heilbehandlung durch die Verfügung vom 31. Juli 2006 rückwirkend auf Ende Mai 2006 eingestellt wurden, stellt für sich allein keine Verletzung des erwähnten verfassungsrechtlichen Anspruchs dar, denn bei diesen Leistungsarten ist eine rückwirkende Einstellung grundsätzlich zulässig (BGE 133 V 57 E. 4 S. 59 f. in Verbindung mit E. 6.8 S. 65). Die Frage, ob bisher erbrachte Leistungen während eines gegen die sie einstellende Verfügung gerichteten Rechtsmittelverfahrens weiterhin auszurichten sind, entscheidet sich praxisgemäss auf Grund einer Abwägung zwischen dem Interesse der versicherten Person am ununterbrochenen Bezug der Leistungen und demjenigen des Versicherers an deren sofortiger Einstellung (BGE 105 V 266 E. 2 S. 268 f.; AHI 2000 S. 181 E. 4 und 5 S. 184 f., I 267/98; Urteil I 57/03 vom 3. April 2003, E. 4.1 und 4.2). Dadurch ist gewährleistet, dass der Versicherer seine Leistungen nicht von einem Tag auf den anderen oder gar rückwirkend einstellen kann, obwohl der entsprechende Anspruch weiterhin klar ausgewiesen ist. Mit dieser Vorgabe wird dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes im Regelfall hinreichend Rechnung getragen. Für weitergehende Ansprüche aus diesem Teilgehalt von Art. 9 BV könnte allenfalls dann Raum bleiben, wenn der konkrete Sachverhalt spezifische, diesbezüglich relevante Elemente aufweist. Dies trifft hier nicht zu.
2.3 Die Interessenabwägung als solche kann nach der dargelegten Kognitionsregelung (E. 1.1 hiervor) nur unter dem Aspekt des ebenfalls in Art. 9 BV enthaltenen Willkürverbotes geprüft werden. Willkür ist gegeben, wenn die vorinstanzliche Beurteilung eine Norm oder einen klaren und unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (vgl. zum Willkürbegriff: BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211, 129 I 8 E. 2.1 S. 9, 125 V 408 E. 3a S. 409, je mit Hinweisen).
Das kantonale Gericht hat im Rahmen der Interessenabwägung die von der Rechtsprechung als wesentlich bezeichneten Elemente berücksichtigt. Bezüglich der Prozessaussichten wurde erwogen, es stehe nicht rechtsgenügend fest, dass der Beschwerdeführer im Hauptverfahren mit grosser Wahrscheinlichkeit obsiegen werde, zumal sich die SUVA auf ausführliche medizinische Abklärungen durch Fachpersonen abzustützen vermöge. Unter diesen Umständen falle die Interessenabwägung nach der Rechtsprechung (Urteil I 57/03 vom 3. April 2003, E. 4.2) zu Gunsten der Anstalt aus. Diese Beurteilung lässt sich nicht als willkürlich bezeichnen, zumal aus den vor- und letztinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers geschlossen werden muss, dass eine allfällige spätere Rückforderung der SUVA tatsächlich gefährdet wäre. Jedenfalls nicht unhaltbar ist auch die Erwägung, falls die Begründung der Verfügung zu einer Gehörsverletzung geführt habe, erscheine dieser Mangel als heilbar.
2.4 Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, welche er darin erblickt, dass die zuständigen Behörden bisher keine umfassende Würdigung der medizinischen Berichte und Gutachten vorgenommen hätten. Dieser Vorwurf ist jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang unbegründet: Im gegenwärtigen Verfahrensstadium war eine volle inhaltliche Prüfung der medizinischen Aktenlage (noch) nicht geboten. Mit Blick auf die hier einzig zu behandelnde Frage, ob die SUVA die mit der Verfügung vom 31. Juli 2006 eingestellten Leistungen während des Einspracheverfahrens weiterhin zu erbringen habe, war das kantonale Gericht lediglich insoweit gehalten, im Rahmen eines formellen Entscheids eine Würdigung der vorhandenen medizinischen Akten vorzunehmen, als es die Vornahme der gebotenen Interessenabwägung erforderte. Dieser Pflicht ist die Vorinstanz nachgekommen. Wenn sie sich auf das Gutachten vom 27. März 2006 stützte, welches den Versicherten in seinem angestammten Beruf als arbeitsfähig erachtet, liegt darin keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Eine umfassende Würdigung der medizinischen Unterlagen, unter Einbezug der vom Vertreter des Beschwerdeführers erhobenen Einwände gegen die Beweiskraft des Gutachtens, wird im Rahmen der materiellen Anspruchsprüfung stattzufinden haben. Auch der im gleichen Zusammenhang erhobene Vorwurf der Rechtsverweigerung ist unbegründet.
3.
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer als unterliegender Partei aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 22. August 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: