BGer I 466/2006 |
BGer I 466/2006 vom 06.09.2007 |
Tribunale federale
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{T 7}
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I 466/06
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Urteil vom 6. September 2007
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Lustenberger, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Kernen, Seiler,
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Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke.
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Parteien
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B.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Urs Bertschinger, Anwaltskanzlei Rhyner & Lippuner, St. Gallerstrasse 5, 9471 Buchs,
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gegen
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IV-Stelle Glarus, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung,
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Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 11. April 2006.
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1961 geborene B.________ meldete sich unter Hinweis auf Rückenbeschwerden erstmals am 29. April 1998 zum Leistungsbezug bei der Invalidenversicherung an. Nach Abklärungen in medizinischer und erwerblicher Hinsicht, insbesondere der Einholung eines MEDAS-Gutachtens vom 27. Oktober 1999 sprach ihm die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. Februar 2000 eine Viertelsrente zu. Am 22. August 2002 wurde B.________ mitgeteilt, dass eine Überprüfung seines Invaliditätsgrades keine rentenbeeinflussende Änderung ergeben habe. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 beantragte B.________ unter Hinweis auf seinen stark verschlechterten Gesundheitszustand eine höhere Invalidenrente. Nach Einholung verschiedener Arztberichte sowie eines Gutachtens des Dr. med. P.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 13. März 2005 wies die IV-Stelle mit Verfügung vom 13. Mai 2005 das Rentenrevisionsgesuch ab und hielt mit Einspracheentscheid vom 28. Juni 2005 daran fest.
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B.
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Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 11. April 2006 ab.
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C.
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Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt B.________ beantragen, es sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz oder Verwaltung zurückzuweisen, eventuell sei ihm in Aufhebung des kantonalen Entscheides ab 1. Oktober 2005 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Zudem beantragt er unentgeltliche Verbeiständung.
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Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
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2.
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Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Nach Art. 132 Abs. 1 OG in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG (in Kraft seit 1. Juli 2006) kann das Gericht in Verfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen in Abweichung von den Art. 104 und 105 OG auch die Unangemessenheit der angefochtenen Verfügung beurteilen und ist an die vorinstanzliche Feststellung des Sachverhalts nicht gebunden. Gemäss Art. 132 Abs. 2 OG gelten diese Abweichungen nicht, wenn der angefochtene Entscheid Leistungen der Invalidenversicherung betrifft. Nach Ziff. II lit. c des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 ist indessen auf die im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung beim Gericht hängigen Beschwerden bisheriges Recht anwendbar. Da die hier zu beurteilende Beschwerde am 1. Juli 2006 hängig war, richtet sich die Kognition noch nach der bis Ende Juni 2006 gültigen Fassung von Art. 132 OG, welche dem neuen Abs. 1 entspricht.
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3.
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Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zu den Begriffen der Erwerbsunfähigkeit und Invalidität (Art. 7 und 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) sowie zum Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 IVG ) zutreffend dargelegt, ebenso die beim Eintreten auf eine Neuanmeldung analog zur Rentenrevision nach Art. 41 IVG (seit 1. Januar 2003: Art. 17 Abs. 1 ATSG [in Verbindung mit Art. 2 ATSG und Art. 1 Abs. 1 IVG]) anwendbaren Rechtsgrundsätze, welche auch unter der Herrschaft des ATSG gelten (BGE 130 V 343) und woran die am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung vom 21. März 2003 und der Verordnung über die Invalidenversicherung vom 21. Mai 2003 nichts geändert haben. Gleiches gilt für die Hinweise zur Aufgabe des Arztes und der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung und zur praxisgemässen Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 E. 4 mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2002 S. 70 E. 4b/cc), insbesondere von Hausärzten und behandelnden Fachärzten (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
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Zu ergänzen ist, dass auch bei der Rentenrevision (auf Gesuch hin oder von Amtes wegen) wie bei der Neuanmeldung (BGE 130 V 71) zeitlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung einer anspruchserheblichen Änderung des Invaliditätsgrades die letzte rechtskräftige Verfügung ist, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108 E. 5).
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4.
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Streitig und zu prüfen ist, ob sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Zeitraum zwischen der Verfügung vom 3. Februar 2000, mit welcher eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zugesprochen worden war, und dem Einspracheentscheid vom 28. Juni 2005 in rentenbeeinflussender Weise geändert hat.
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4.1 Der erstmaligen Rentenzusprache vom 3. Februar 2000 lag insbesondere das MEDAS-Gutachten vom 27. Oktober 1999 zu Grunde. Dieses kam zum Schluss, in allen üblicherweise Männern zumutbaren Tätigkeiten könne orthopädischerseits keine Einschränkung attestiert werden. Insgesamt sei die Arbeitsfähigkeit gemäss Konsilium des Dr. med. L.________, wonach der Versicherte basierend auf einer narzisstisch-depressiven Persönlichkeitsstörung eine somatoforme Störung entwickelt habe, lediglich aus psychischen Gründen zu 40 % eingeschränkt.
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Das Rentenrevisionsgesuch, mit dem der Versicherte einen stark verschlechterten Gesundheitszustand geltend machte, stützte dieser auf den Bericht des Dr. med. R.________ vom 4. Oktober 2004, wonach der Versicherte seit Januar 2004 wegen einer mittelgradig bis schweren Depression zu mindestens 80 %, wenn nicht gar 100 % arbeitsunfähig sei.
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Im Rahmen eines Monitoring machte das BSV gegenüber der IV-Stelle geltend, das psychiatrische Konsilium zuhanden der MEDAS überzeuge nicht, da trotz weitgehend unauffälliger Befunde und eines demonstrativen Verhaltens des Versicherten eine Arbeitsunfähigkeit von 40 % attestiert werde, weshalb unter anderem ein psychiatrisches Gutachten einzuholen sei. Die IV-Stelle stützte die Ablehnung des Rentenrevisionsgesuchs auf dieses von Dr. med. P.________ erstattete Gutachten vom 13. März 2005, wonach eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine Persönlichkeitsstörung auf Grund narzisstischer Züge diagnostiziert und unter anderem zur Arbeitsfähigkeit ausgeführt wurde, die durch die MEDAS festgestellte Arbeitsunfähigkeit von 40 % sei nicht ausgewiesen und werde auch nicht klar begründet. Andererseits falle es schwer, diese Schätzung retrospektiv in Zweifel zu ziehen. Deshalb könne davon ausgegangen werden, dass die sekundären Folgen der narzisstischen Persönlichkeitsstörung, nämlich gewisse depressive Symptome und die Fixierung auf das Schmerzsyndrom eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit von 40 % bewirkten.
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4.2 Die Vorinstanz legte in einlässlicher und sorgfältiger Würdigung sämtlicher medizinischen Akten mit zutreffender Begründung, worauf verwiesen wird (Art. 36a Abs. 3 OG), dar, weshalb zur Beurteilung einer rentenerheblichen Veränderung nicht auf den Bericht des Dr. med. R.________ abzustellen ist, welcher die behauptete erhebliche Verschlechterung der psychischen Gesundheit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu belegen vermochte, sondern auf das schlüssige Gutachten des Dr. med. P.________ vom 13. März 2005, weshalb sich damit der Gesundheitszustand seit der Beurteilung durch die MEDAS jedenfalls nicht in anspruchsrelevanter Weise verschlechtert hat. Insbesondere hat das kantonale Gericht zutreffend dargelegt, weshalb die ursprüngliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit von 40 % (und nicht, wie der Beschwerdeführer einwendet, die Diagnose an sich) als wohlwollend zu betrachten ist, zumal diese Arbeitsunfähigkeit auf der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung beruht und die rechtsprechungsgemässen Kritierien zur nur ausnahmsweise invalidisierenden Wirkung solcher Leidenszustände (BGE 132 V 65, 131 V 49, 130 V 352 und 396) gar nicht geprüft wurden.
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4.3 Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Soweit der Beschwerdeführer auf die Begründung von Dr. med. R.________ im Bericht vom 4. Oktober 2004 verweist, wonach sich der psychische Zustand wegen der Trennung von der Familie verschlechtern werde, ist damit eine Verschlechterung gerade nicht ausgewiesen: Abgesehen davon, dass - wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat - das klinische Beschwerdebild nicht einzig in Beeinträchtigungen bestehen darf, welche von einer psychosozialen oder soziokulturellen Belastungssituation herrühren, sondern davon psychiatrisch zu unterscheidende Befunde zu umfassen hat (BGE 127 V 294 E. 5a S. 299 mit Hinweisen), hat Dr. med. R.________ im späteren Bericht vom 1. Januar 2005 selbst festgehalten, im Vergleich zum Bericht vom 4. Oktober 2004 sei es in den letzten drei Monaten zu einer deutlichen Entspannung der Situation und zu einem leichten Rückgang der Symptomatik gekommen. Schliesslich liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor, nachdem die Vorinstanz das Schreiben des Dr. med. R.________ vom 24. Mai 2005 entgegen den Vorbringen des Beschwerdeführers sehr wohl berücksichtigt hat, abgesehen davon, dass auch damit keine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausgewiesen ist, zumal die von Dr. med. R.________ beschriebenen "nicht ganz üblichen Entwurzelungen und Verlusterlebnisse" (Umzug der Familie von Bosnien nach Deutschland mit 8 Jahren, Scheidung der Eltern im Alter von 13 Jahren) so weder eine schwere Depression noch eine daraus resultierende vollständige Arbeitsunfähigkeit schlüssig zu begründen vermögen.
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5.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde hatte - trotz der langen, durch die Geschäftslast bedingten Verfahrensdauer - keine Aussicht auf Erfolg, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 36a OG als offensichtlich unbegründet, mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den vorinstanzlichen Entscheid, erledigt wird.
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6.
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Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG in der bis 30. Juni 2006 geltenden Fassung). Weil die Verwaltungsgerichtsbeschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte, sind die Voraussetzungen für die unentgeltliche Verbeiständung (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372, je mit Hinweisen) nicht erfüllt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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3.
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Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 6. September 2007
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
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