Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
U 487/06
Urteil vom 11. September 2007
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Grunder.
Parteien
R.________, 1958, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Ilg, Rämistrasse 5, 8001 Zürich,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 8. September 2006.
Sachverhalt:
A.
Die vollzeitlich erwerbstätige, bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die Folgen von Unfällen obligatorisch versicherte R.________ (geboren 1958) zog sich am 15. Januar 2002 bei einem Sturz (Ausrutschen auf vereistem Boden) eine Fraktur am rechten Fussknöchel zu, welche gleichentags im Spital S.________ chirurgisch versorgt wurde (Zugschrauben- und Plattenosteosynthese Malleolus lateral; Operationsbericht vom 15. Januar 2002). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld). Ab 8. April 2002 war die Versicherte, soweit die Folgen des Unfalles betreffend, wieder vollständig arbeitsfähig.
Am 8. Mai 2003 erfolgte im Spital S.________ die Entfernung der Platten und Schrauben. Die Belastungsschmerzen sowie die Sensibilitätsstörung über dem Fussrücken, welche auf eine Hautnervenläsion zurückzuführen war, bestanden fort. Die Versicherte war erneut vollständig und teilweise arbeitsunfähig. Mit Verfügung vom 1. November 2003 stellte die SUVA die Taggeldleistungen ab 12. November 2003 ein. Mit einer weiteren Verfügung vom 20. Januar 2004 verneinte sie einen Anspruch auf Integritätsentschädigung mangels dauernder erheblicher Schädigung.
Die Versicherte musste sich am 19. August 2004 wegen der anhaltenden Nervenproblematik nach Osteosynthese des rechten Malleolus sowie Plattenentfernung einer chirurgischen Revision unterziehen (Operationsbericht des Spital S.________ vom 19. August 2004). Aufgrund eines danach aufgetretenen progredienten Wundinfekts wurde die Versicherte am 28. August 2004 im Spital S.________ notfallmässig hospitalisiert. Nach dem dritten Débridement (Wundexzision) konnte die Wunde mittels autologer Spalthaut, die problemlos anwuchs, gedeckt werden. Der weitere Verlauf gestaltete sich komplikationslos, und die Versicherte konnte am 14. September 2004 bei reizlosen Wundverhältnissen und in gutem Allgemeinzustand entlassen werden (Bericht des Spital S.________ vom 17. September 2004; vgl. auch Bericht des Dr. med. T.________ vom 24. September 2004). Die SUVA holte Stellungnahmen der Dres. med. P.________, FMH Chirurgie, (vom 21. Oktober 2004) sowie T.________ (Bericht vom 18. Dezember 2004) ein, veranlasste eine weitere kreisärztliche Untersuchung (Bericht des Dr. med. M.________, Facharzt FMH für Chirurgie, vom 3. März 2005) und stellte mit Verfügung vom 7. März 2005 ihre Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld) per 14. März 2005 mit der Begründung ein, die geklagten Beschwerden seien nicht mehr unfallkausal. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Einspracheentscheid vom 4. Mai 2005).
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen ab (Entscheid vom 8. September 2006).
C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids seien ihr "Taggelder für eine 100 % Arbeitsunfähigkeit auszurichten; es sei eine Rente für eine 100 % Erwerbsunfähigkeit zuzusprechen und eine entsprechende IG mit in Erwägung zu ziehen"; eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen zurückzuweisen. Ferner wird um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung ersucht.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 6. Juni 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
2.
Die SUVA hat mit Verfügung vom 20. Januar 2004, welche unangefochten rechtskräftig wurde, einen Anspruch auf Integritätsentschädigung verneint. Dem Einspracheentscheid vom 4. Mai 2005, welcher Anfechtungsobjekt im kantonalen Verfahren bildete, ist nicht zu entnehmen, dass die SUVA im Rahmen eines Rückkommenstitels (Wiedererwägung; Revision) den Anspruch auf Integritätsentschädigung erneut prüfte. Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher, soweit damit ein Antrag auf Zusprechung einer Integritätsentschädigung gestellt wird, mangels Anfechtungsobjekt nicht einzutreten.
3.
Prozessthema bildet die Frage, ob die Beschwerdeführerin über den 14. Januar 2005 hinaus Anspruch auf gesetzliche Leistungen (Heilbehandlung, Taggeld, Invalidenrente) der obligatorischen Unfallversicherung hat.
4.
Das kantonale Gericht (Entscheid vom 8. September 2006) und die SUVA (Einspracheentscheid vom 4. Mai 2005) haben die Rechtsgrundlagen zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod; BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) sowie zur weiter vorausgesetzten Adäquanz des Kausalzusammenhangs im Allgemeinen (BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181 mit Hinweis) und bei psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 115 V 133 ff.) zutreffend dargelegt. Ebenfalls richtig ist, dass sich die Leistungspflicht des Unfallversicherers auch auf Rückfälle und Spätfolgen eines Unfalls erstreckt (Art. 11 UVV), sofern dieser in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zum Gesundheitsschaden steht (BGE 118 V 293 E. 2c S. 296 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG), welches mit Bezug auf den Zeitraum von seinem Inkrafttreten am 1. Januar 2003 bis zum Erlass des Einspracheentscheids (BGE 121 V 362 E. 1b S. 366, 116 V 246 E. 1a S. 248) anwendbar ist (BGE 130 V 445 E. 1), zu keiner Änderung dieser Rechtslage geführt hat.
5.
5.1 Die Vorinstanz erwog, es bestehe aufgrund der Akten kein Anlass, von den Ergebnissen der SUVA abzuweichen. Die Vorbringen in der kantonalen Beschwerde erschöpften sich in der Behauptung, die Versicherte werde weiterhin medizinisch betreut und die behandelnden Ärzte seien über die Leistungsablehnung der SUVA erstaunt. Die Versicherte mache weder Angaben zu allfällig fortbestehenden körperlichen Beschwerden, noch reiche sie aktuelle medizinische Unterlagen ein. Sie benenne auch die sie behandelnden Ärzte nicht. Gemäss Akten habe sie wegen der körperlichen Beschwerden letztmals am 4. Oktober 2004 einen Arzt aufgesucht. Im Unfallschein UVG sei zuletzt am 14. Januar 2005 eine Konsultation beim Psychiater eingetragen worden. Es sei nicht Sache des Sozialversicherungsgerichts, ohne greifbare Anhaltspunkte medizinische Abklärungen zu tätigen. Die Versicherte sei ihrer Substantiierungspflicht, welche auch im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes gelte, nicht nachgekommen. Von Weiterungen sei unter diesen Umständen abzusehen.
5.2
5.2.1 Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind nicht stichhaltig. Auch wenn es zutreffen mag, dass Vorinstanz und Verwaltung (zu Unrecht) davon ausgingen, die Versicherte sei haupt- statt nebenberuflich als Raumpflegerin erwerbstätig gewesen, ändert sich am Ergebnis nichts. Die vollzeitlich bei der Firma H.________ AG, Diagnostik-Instrumente, ausgeübte Tätigkeit beinhaltete leichte, vorwiegend sitzend zu verrichtende Arbeiten (Kabel löten; vgl. Unfallmeldung vom 17. Januar 2002 und Angaben der Versicherten vom 13. Oktober 2004). War die Versicherte als Raumpflegerin, in welchem Beruf auch schwere körperliche Arbeiten zu erledigen sind, vollständig arbeitsfähig, gilt dies erst recht für eine leichte Tätigkeit. Weiter trifft nicht zu, dass die Vorinstanzen den Sachverhalt allein aufgrund der Angaben des SUVA-Kreisarztes beurteilten. Vielmehr ergab die Beweiswürdigung der medizinischen Unterlagen ein schlüssiges und stimmiges Bild des Gesundheitszustands und der Arbeitsfähigkeit. So hielt Dr. med. P.________ im Bericht vom 21. Oktober 2004 fest, das obere Sprunggelenk rechts sei normal beweglich. Die Epithelisierung der Wunde sei noch nicht vollständig, aber innert der nächsten zwei Wochen zu erwarten. Ab sofort bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 50 %, welche stufenweise verteilt über die nächsten zwei Wochen auf 100 % gesteigert werden könne. Dr. med. T.________ stellte fest, die mit Hauttransplantat behandelte Wunde sei vollständig verheilt. Zur Einschätzung der Arbeitsfähigkeit verwies er auf die Stellungnahme des Dr. med. P.________ (Bericht vom 18. Dezember 2004). Gemäss Bericht des SUVA-Kreisarzt vom 3. März 2005 fand sich funktionell ein gutes Ergebnis am Sprunggelenk rechts. Die objektivierbaren klinischen Befunde ständen nicht in Übereinstimmung mit den angegebenen Beschwerden. Die Hautnervenläsion allein reiche zur Erklärung der Beschwerden nicht aus. Aufgrund der objektivierbaren Befunde sei eine Steigerung auf eine vollständige Arbeitsfähigkeit gerechtfertigt. Angesichts dieser Aktenlage bestand kein Anlass, von Amtes wegen weitere Abklärungen hinsichtlich des körperlichen Gesundheitszustands zu tätigen. Es war vielmehr Sache der Versicherten, ihren Einwand, sie leide weiterhin an unfallbedingten behandlungsbedürftigen Beschwerden mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit, im Rahmen der ihr obliegenden Mitwirkungspflicht zu substantiieren (vgl. BGE 125 V 193 E. 2 S. 195, 122 V 157 E. 1a S. 158, je mit Hinweisen; vgl. Auch BGE 130 I 180 E. 3.2 S. 183).
5.2.2 Was den psychischen oder geistigen Gesundheitszustand anbelangt, kann der vorinstanzlichen Auffassung hingegen nicht ohne Weiteres gefolgt werden. Zwar sind im Unfallschein UVG, wonach die Versicherte ab 19. November 2004 in Behandlung bei Dr. med. B.________, Psychiatriezentrum U.________, stand, nach dem 14. Januar 2005 keine weiteren Einträge vermerkt. Zu diesem Zeitpunkt war die Versicherte jedoch aus psychiatrischer Sicht noch vollständig arbeitsunfähig gewesen, was darauf hindeutet, dass die Behandlung nicht abgeschlossen war. Laut Bericht des SUVA-Kreisarztes Dr. med. M.________ vom 3. März 2005 gab die Versicherte an, psychiatrisch behandelt zu werden und Psychopharmaka einzunehmen. Es bestand zudem keine Übereinstimmung zwischen den vorgetragenen Beschwerden und dem objektivierbaren Befund. Unter diesen Umständen ist fraglich, ob nicht doch von Amtes wegen weitere Abklärungen hätten vorgenommen werden müssen. Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben. Mit der SUVA (Einspracheentscheid vom 4. Mai 2005) ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 15. Januar 2002 und dessen Folgen mit allfälligen, die Arbeitsfähigkeit beeinträchtigenden psychischen Beschwerden nicht gegeben. Der Sturz vom 15. Januar 2002 (Ausrutschen auf vereistem Boden) ist in die Kategorie der leichten Unfälle einzuteilen, weshalb praxisgemäss die Adäquanz ohne Weiteres zu verneinen ist (BGE 129 V 177 E. 4.1 S. 483 mit Hinweis auf BGE 115 V 133 E. 6a S. 139; Urteil U 503/05 vom 17. August 2006, E. 3.1 und 3.2).
5.3 Nach dem Gesagten ist festzustellen, dass über den 14. Januar 2005 keine unfallbedingten behandlungsbedürftigen Beschwerden mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit mehr vorlagen. Auf die beantragte Zusprechung einer Invalidenrente ist daher nicht weiter einzugehen. Dasselbe gilt hinsichtlich des in der Begründung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemachten Anspruchs auf eine (abgestufte) Übergangsrente. Im Übrigen fallen berufliche Eingliederungsmassnahmen entgegen den Äusserungen der Beschwerdeführerin nicht in den Zuständigkeitsbereich des Unfallversicherers.
6.
Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gestellten Begehren sind aussichtslos, womit eine der Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht erfüllt ist (Art. 152 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 11. September 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: