Tribunale federale
Tribunal federal
{T 7}
I 831/06
Urteil vom 10. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Traub.
Parteien
S.________, 1950, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Ott, Stadthausstrasse 39, 8400 Winterthur,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. August 2006.
Sachverhalt:
A.
Die 1950 geborene S.________ arbeitet seit 1985 als Farbgestalterin im Architekturbüro ihres Ehemannes. Zudem nimmt sie Tätigkeiten als Lehrbeauftragte der Allgemeinen Berufsschule des Kantons X.________ (seit 1988) und als Kursleiterin in Farbgestaltung (seit 1989) wahr. Wegen der Folgen eines 1991 erlittenen Unfalls (Zervikalsyndrom) sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Zürich in Anwendung der gemischten Bemessungsmethode mit Wirkung ab November 1996 eine halbe Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 54 Prozent zu (Verfügung vom 3. Juli 1998). Dieser Bescheid wurde per Dezember 1999 revisionsweise bestätigt (Invaliditätsgrad: 51 Prozent). Mit einer weiteren Verfügung vom 10. September 2004 setzte die IV-Stelle den Leistungsanspruch mit Wirkung ab November 2004 auf eine Viertelsrente bei einem Invaliditätsgrad von noch 48 Prozent herab, weil das Erwerbseinkommen im Betrieb des Ehemannes angestiegen sei. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Verwaltung ab (Entscheid vom 20. April 2005).
B.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 21. August 2006).
C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, es sei ihr, nach Aufhebung von vorinstanzlichem und Einspracheentscheid, mit Wirkung ab Mai 2004 eine Dreiviertelsrente auszurichten, dies basierend auf einem Invaliditätsgrad von mindestens 65 Prozent, eventuell von mindestens 60 Prozent und subeventuell von mindestens 61 Prozent.
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).
1.2 Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht prüft daher nur, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzte, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt wurde (Art. 132 Abs. 2 OG [in der Fassung gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG, in Kraft seit 1. Juli 2006] in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
2.
Letztinstanzlich ist im Wesentlichen noch strittig, ob - im Rahmen der revisionsweisen Überprüfung des Leistungsanspruchs (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.5 S. 349) - das Valideneinkommen als einer der beiden Vergleichswerte zur Bemessung der Invalidität im erwerblichen Bereich (Art. 16 ATSG; vgl. Art. 28 Abs. 2ter IVG) richtig festgesetzt worden ist.
2.1 Für die Bemessung des hypothetischen Verdienstes ohne Gesundheitsschaden (Valideneinkommen) ist entscheidend, was die versicherte Person nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde tatsächlich verdienen würde und nicht, was sie bestenfalls verdienen könnte. Die Ermittlung des Valideneinkommens muss so konkret wie möglich erfolgen. Da die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden erfahrungsgemäss fortgesetzt wird, ist in der Regel vom letzten Lohn auszugehen, der vor Eintritt der Gesundheitsschädigung erzielt wurde. Dieses Gehalt ist wenn nötig der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung anzupassen (RKUV 2006 Nr. U 568 S. 66 E. 2 mit Hinweis).
2.2 Das kantonale Gericht ist vom Vorgehen der Verwaltung abgewichen, der Bemessung des Valideneinkommens (von Fr. 66'751.50) den Lohn zugrunde zu legen, welchen die Versicherte - entsprechend einem bei guter Gesundheit wahrgenommenen Pensum von 80 Prozent - im Betrieb des Ehemanns erzielen würde. Sie habe in der Anmeldung zum Leistungsbezug vom 5. März 1997 drei erwerbliche Tätigkeiten angegeben (selbständige Farbberaterin, Fachhochschul-Dozentin, Anstellung als Farbgestalterin im Architekturbüro des Ehemanns). Aufgrund erheblicher Unsicherheiten über den hypothetischen Verlauf des Valideneinkommens sei dieses aufgrund von statistischen Angaben zu berechnen. Unter Beizug der Lohnstrukturerhebung (LSE) des Bundesamtes für Statistik errechne sich bei einem Arbeitspensum von 80 Prozent für das Jahr 2004 ein Valideneinkommen von Fr. 69'481.50. Karrierebedingte und andere Lohnentwicklungen seien indes auch bei der Berechnung des Invalideneinkommens zu berücksichtigen. Werde hier auf dieselben Daten aus der LSE abgestellt, ergebe sich mit Blick auf die Einschränkung im erwerblichen Bereich von 50 Prozent ein Betrag, welcher der Hälfte des Valideneinkommens entspreche. Der mit dem massgebenden Pensum gewichtete Invaliditätsgrad belaufe sich hier also auf 40 Prozent. Zusammen mit der (ebenfalls gewichteten) Einschränkung im Haushalt von 8 Prozent ergebe sich ein nicht rentenbegründender Gesamtinvaliditätsgrad von 48 Prozent.
Die Beschwerdeführerin stellt sich auf den Standpunkt, sie würde ohne Gesundheitseinschränkung nicht mehr im Architekturbüro ihres Ehemannes arbeiten, sondern wäre - nach dem Erwerb des Fachausweises als Farbgestalterin - in einem Pensum von 80 Prozent (einschliesslich Dozentinnentätigkeit) als selbständige Farbberaterin aktiv, was wegen des Unfalls tatsächlich aber nie erfolgt sei. Wäre sie im angenommenen Erwerbspensum von 80 Prozent voll leistungsfähig, würde sie mit Sicherheit mehr als das Doppelte verdienen als was sie heute mit einer Leistung von 34 Prozent erwirtschafte (entsprechend einer um 50 Prozent eingeschränkten Tätigkeit im Betrieb des Ehemanns [zeitlicher Umfang: 38 Prozent] und einer uneingeschränkt möglichen Tätigkeit als Dozentin im Umfang von 15 Prozent).
2.3
2.3.1 Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat in RKUV 2006 Nr. U 568 S. 65 auf einen Aufsatz (Dorn/Geiser/Senti/Sousa-Poza, Die Berechnung des Erwerbsschadens mit Hilfe von Daten der Lohnstrukturerhebung, in: HAVE, Personen-Schaden-Forum 2005, Zürich 2005, S. 48 ff.) hingewiesen, wonach sich eine hypothetische Einkommensentwicklung aus arbeitsmarktökonomischer Sicht grundsätzlich aus folgenden vier Komponenten ergeben könne: (1) Nominallohnwachstum durch Teuerungsausgleich; (2) allgemeines Reallohnwachstum durch technischen Fortschritt sowie aus konjunkturellen Gründen; (3) Reallohnwachstum durch individuelle Produktivitätssteigerung; (4) Lohnänderung durch spezifische individuelle Ereignisse.
Die teuerungsbedingte Zunahme des Nominallohns (1) wird aufgrund der offiziellen Angaben (Nominallohnindex nach Geschlecht [vgl. BGE 129 V 408], Arbeitsbereich und Qualifikation) erfasst, wie sie etwa der Publikation des Bundesamtes für Statistik über die Lohnentwicklung, dem Statistischen Jahrbuch oder der Zeitschrift "Die Volkswirtschaft" entnommen werden können. Das allgemeine Reallohnwachstum (2) ist im Regelfall anhand der Daten nachzuvollziehen, die für die vor Eintritt des Gesundheitsschadens konkret ausgeübte Arbeit erhoben werden. Unter dem Titel des individuell begründeten Reallohnwachstums (3) schlagen Veränderungen der persönlichen Fähigkeiten zu Buche (Dorn et al., a.a.O., S. 50). Für die Erfassung der Lohnwirksamkeit einer mit zunehmendem Alter wachsenden Berufserfahrung kann auf allgemeine betriebliche Erfahrungswerte zurückgegriffen werden; soweit indes ein zusätzlicher persönlicher (etwa weiterbildungsbedingter) Produktivitätsfortschritt im Gesundheitsfall geltend gemacht wird, müssen dafür im Einzelfall greifbare Anhaltspunkte ersichtlich sein (BGE 96 V 29; RKUV 1993 Nr. U 168 S. 100 E. 3b). Dies gilt auch hinsichtlich spezifischer individueller Ereignisse (4), etwa einer Beförderung in eine neue Funktion oder gar eines Berufswechsels.
2.3.2 Im Sozialversicherungsrecht wird die aus einer gesundheitlichen Beeinträchtigung folgende Einbusse an Erwerbskraft durch den Invaliditätsgrad ausgedrückt, der mittels eines Einkommensvergleichs ermittelt wird. Dabei sind die Verhältnisse im Zeitpunkt des allfälligen Rentenbeginns bzw. des Revisionszeitpunktes massgebend; Validen- und Invalideneinkommen sind auf zeitidentischer Grundlage zu ermitteln und allfällige rentenwirksame Änderungen der Vergleichseinkommen bis zum Erlass des Einspracheentscheides zu berücksichtigen (BGE 129 V 222; 128 V 174).
Ist - wie hier unstrittig der Fall - eine teilinvalide Person in der angestammten Beschäftigung bestmöglich eingegliedert, so ist es nicht erforderlich, die beiden ersten der vorgenannten Parameter (Nominallohnwachstum durch Teuerungsausgleich und allgemeines Reallohnwachstum) je gesondert nachzuvollziehen. Gleichlaufende Entwicklungen verhalten sich mit Bezug auf die durch Einkommensvergleich darzustellende Differenz neutral. In einem solchen Fall erübrigt sich die Rekonstruierung des hypothetischen Verlaufs des Valideneinkommens bis zum Rentenbeginn bzw. bis zum Revisionszeitpunkt oftmals auch hinsichtlich des Reallohnwachstums durch individuelle Produktivitätssteigerung aufgrund zunehmender berufserfahrungsbedingter Fertigkeiten. Ein abweichender Verlauf von Validen- und Invalideneinkommen ergibt sich aber, sobald die leidensbedingte Einschränkung den Erfahrungseffekt und das damit verbundene übliche berufliche Fortkommen (teilweise) zunichte macht. Dies gilt a fortiori, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für ausserordentliche Karriereschritte oder einen einkommenswirksamen Wechsel des Tätigkeitsbereichs bestehen; entsprechende Indizien sind beispielsweise in der Inangriffnahme (und invaliditätsbedingten Aufgabe) oder in der nachweislichen Planung weiterführender Ausbildungen zu erblicken, die für die Ausübung der bisherigen Arbeit allein nicht erforderlich sind (RKUV 2006 Nr. U 568 S. 67 E. 2.2).
2.3.3 Im konkreten Fall sind Gründe für einen Lohnanstieg im hypothetischen Gesundheitsfall, welcher über das Ausmass der Einkommensentwicklung hinausginge, wie sie bei der Fortführung der bisherigen Tätigkeit nach Eintritt der Invalidität tatsächlich angefallen ist, weder ersichtlich noch ergeben sich dafür aus den Akten entsprechende Anhaltspunkte, die näherer Abklärung bedürften. Es kann weder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass sich die gesundheitliche Einschränkung (zervikovertebrales, -zephales und -brachiales Syndrom nach Kontusionstrauma) nach Eintritt der Invalidität negativ auf den individuellen Erfahrungszuwachs ausgewirkt hätte, noch dass dadurch etwa besondere Karriereaussichten gegenstandslos geworden wären. Danach kann davon ausgegangen werden, dass Validen- und Invalideneinkommen hinsichtlich sämtlicher arbeitsmarktökonomischer Komponenten der Lohnentwicklung bis zum Zeitpunkt des Rentenbeginns bzw. bis zum Revisionszeitpunkt parallel verliefen. Damit entfällt ohne weiteres die Begründung für einen leidensbedingten Abzug im Sinne der Rechtsprechung nach BGE 126 V 75.
Weil der tatsächliche Spezialisierungs- und Qualifizierungsgrad nicht geringer ist als er im Gesundheitsfall sein könnte, erscheint es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich die beruflichen Verhältnisse an sich ohne Gesundheitsschaden erheblich anders entwickelt hätten. Sowohl bezüglich Art und Aufteilung der einzelnen Tätigkeitsfelder als auch bezüglich der Lohnentwicklung in den entsprechenden Arbeiten ist von gleichlaufenden Entwicklungen auszugehen. Dies bedeutet, dass die Bezeichnung der hypothetisch ausgeübten Tätigkeiten und deren jeweiliger Umfang für die Bemessung des Invaliditätsgrades ebenso unerheblich ist wie die Frage, ob das Valideneinkommen aufgrund der LSE oder konkreter Daten zu bemessen sei.
2.3.4 Diese Parallelität in den massgebenden Einkommensansätzen bedeutet nun aber nicht, dass sich der Umfang der Erwerbsausfalls nicht aufgrund anderer Faktoren verschieben könnte, etwa weil die gesundheitlichen Verhältnisse oder eine optimierte Abstimmung des Anforderungsprofils der Arbeit auf das Leistungsvermögen mit der Zeit eine gewisse Steigerung der Erwerbstätigkeit zulassen. Eine solche Entwicklung ist hier ausgewiesen:
Vergleichsreferenz für die Beurteilung einer anspruchserheblichen Änderung des Invaliditätsgrades bei der Rentenrevision ist die letzte rechtskräftige Verfügung, welche auf einer materiellen Prüfung des Rentenanspruchs mit rechtskonformer Sachverhaltsabklärung, Beweiswürdigung und Durchführung eines Einkommensvergleichs beruht (BGE 133 V 108). Im Dezember 1999 hat die Verwaltung bezogen auf die Tätigkeit als Farbgestalterin im Architekturbüro des Ehemanns ein Invalideneinkommen von Fr. 17'000.- angenommen, nachdem im entsprechenden Arbeitgeberbericht vom 25. November 1999 angegeben wurde, der jetzige AHV-beitragspflichtige Lohn von Fr. 20'000.- entspreche nicht der tatsächlichen Arbeitsleistung. Im Arbeitgeberbericht vom 1. März 2002 wird der AHV-beitragspflichtige Lohn von immer noch Fr. 20'000.- nunmehr einem leistungsgerechten Gehalt von "ca."
Fr. 19'000.- gegenübergestellt. Im neuesten Arbeitgeberbericht vom 18. Juli 2004, welcher nebst anderen Akten dem hier streitigen Verwaltungsakt zugrunde liegt, wird erstmals angegeben, der AHV-beitragspflichtige Lohn (Fr. 20'000.-) entspreche der erbrachten Leistung. Wenn nunmehr - im Gegensatz zu den Verhältnissen Ende 1999 - nicht mehr zwischen effektivem Gehalt und Leistungslohn differenziert werden muss, so zeigt dies, dass es der Beschwerdeführerin (bei gleichgebliebenem Gesundheitszustand) gelungen ist, sich in der beruflichen Tätigkeit zunehmend besser mit den gesundheitsschadenbedingten Einschränkungen zu arrangieren. Bei der betreffenden Arbeit besteht offenkundig ein Umfeld, das Spielraum für eine im Lauf der Zeit zunehmende Ausschöpfung des Leistungsvermögens bietet. Der Teilinvaliditätsgrad im betreffenden Bereich reduzierte sich denn auch von 70 Prozent (1996) über 66 Prozent (1999) auf 62 Prozent (2004).
Die Vorinstanzen sind somit im Ergebnis übereinstimmend zu Recht von einer verhältnismässig grösseren Zunahme des Invalideneinkommens ausgegangen, so dass sich der Gesamtinvaliditätsgrad von 51 Prozent (1999) auf 48 Prozent (2004) verkleinerte. Der letztgenannte Wert begründet den Anspruch auf eine Viertelsrente.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 10. Oktober 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Traub