Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_183/2007 /zga
Urteil vom 15. Oktober 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Ersatzrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch SwissInterTax AG,
gegen
Kantonales Steueramt Zürich,
Steuerverwaltung des Kantons Schwyz,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich,
2. Abteilung.
Gegenstand
Art. 127 Abs. 3 BV (Doppelbesteuerung),
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2007.
Sachverhalt:
A.
Der ledige, 1965 geborene X.________ ist seit 1985 als Programmierer bei der Y.________ AG mit Sitz in A.________ ZH angestellt. Seit Oktober 1992 wohnt er in B.________ ZH in einer 4 1/2-Zimmerwohnung. Mitte 2000 kaufte er zu seinen bisherigen Aktien die restlichen 140 Aktien der Y.________ AG zum Preis von 1,62 Mio Franken hinzu und wurde zum Alleinaktionär dieser Gesellschaft. Anfang Juni 2000 meldete er sich nach C.________ SZ ab, wo er am 8. Juni 2000 für Fr. 200'000.-- eine 2-Zimmer-Eigentumswohnung erwarb, die er für Fr. 1'000.-- pro Monat (zeitweise) untervermietete. Das Mietverhältnis der Wohnung in B.________ wurde per 31. Juli 2000 aufgelöst, und die Wohnung wurde an die von X.________ nunmehr beherrschte Y.________ AG als Dienstwohnung vermietet.
B.
In der Steuererklärung 2000 machte X.________ seinen Wegzug per 1. Juni 2000 nach C.________ geltend. Bis und mit 2002 nahm der Kanton Zürich aber weiterhin die Steuerhoheit für sich in Anspruch (kantonal letztinstanzlich durch Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 28. Februar 2007).
C.
Am 3. Mai 2007 hat X.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wegen Verletzung von Art. 127 Abs. 3 BV eingereicht. Er stellt folgende Anträge:
- Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 28. Februar 2007 sei aufzuheben und die Steuerhoheit des Kantons Zürich für die Steuerperioden 2000 (ab 1.6) bis 2002 zu verneinen;
- eventualiter sei die Sache an das Verwaltungsgericht zur Abklärung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zurückzuweisen;
- subeventualiter seien die Veranlagungen des Kantons Schwyz für die Steuerperioden 2000 (ab 1.6.) bis 2002 aufzuheben, und es sei die damit verbundene Doppelbesteuerung zu beseitigen. Es seien die kantonalen und kommunalen Steuerbehörden anzuweisen, die bezahlten Steuern zurückzuerstatten.
D.
Das Kantonale Steueramt Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit sie sich gegen den Kanton Zürich richtet. Die Kantonale Steuerverwaltung Schwyz schliesst auf Abweisung von Haupt- und Eventualbegehren sowie Gutheissung des Subeventualbegehrens; zudem seien dem Kanton Schwyz keine Kosten aufzuerlegen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
1.1 Das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist nach diesem Zeitpunkt ergangen, weshalb sich das vorliegende Verfahren gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG nach diesem Gesetz richtet.
1.2 Bestreitet eine zur Veranlagung herangezogene Person die Steuerhoheit des Kantons, muss grundsätzlich in einem Vorentscheid rechtskräftig über die Steuerpflicht entschieden werden, bevor das Veranlagungsverfahren fortgesetzt werden darf. Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich betreffend die Feststellung der Steuerpflicht ab 1. Juni 2000 bis Ende 2002 ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Der Beschwerdeführer ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids legitimiert. Auf die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist einzutreten (vgl. Art. 100 und Art. 42 BGG ). Dabei ist auch der Antrag zulässig, der unterliegende Kanton sei zur Rückerstattung zuviel bezahlter Steuern zu verurteilen.
1.3 Die bereits rechtskräftigen Veranlagungen des Kantons Schwyz ab Steuerperiode 2000 können ebenfalls mit angefochten werden (Art. 100 Abs. 5 BGG, vgl. noch BGE 131 I 145 E. 2.1 S. 145). Das gilt, auch wenn es sich dabei nicht um Urteile im Sinne von Art. 86 BGG handelt (BBl 2001 4326).
2.
Eine gegen Art. 127 Abs. 3 BV verstossende Doppelbesteuerung liegt vor, wenn eine steuerpflichtige Person von zwei oder mehreren Kantonen für das gleiche Steuerobjekt und für die gleiche Zeit zu Steuern herangezogen wird (aktuelle Doppelbesteuerung) oder wenn ein Kanton in Verletzung der geltenden Kollisionsnormen seine Steuerhoheit überschreitet und eine Steuer erhebt, die einem anderen Kanton zusteht (virtuelle Doppelbesteuerung). Ausserdem darf ein Kanton eine steuerpflichtige Person grundsätzlich nicht deshalb stärker belasten, weil sie nicht im vollem Umfang seiner Steuerhoheit untersteht, sondern zufolge ihrer territorialen Beziehungen auch noch in einem anderen Kanton steuerpflichtig ist (Schlechterstellungsverbot, vgl. BGE 132 I 29 E. 2.1 S. 31 f.; 131 I 285 E. 2.1 S. 286; ASA 74, 684 E. 2.1 S. 685, je mit Hinweisen).
Im vorliegenden Fall wird das Hauptsteuerdomizil des Beschwerdeführers vom 1. Juni 2000 bis Ende 2002 sowohl vom Kanton Schwyz, wo er rechtskräftig eingeschätzt ist, als auch aufgrund des angefochtenen Entscheids vom Kanton Zürich beansprucht. Damit resultiert für diesen Zeitraum an sich eine aktuelle Doppelbesteuerung. Weil aber der Kanton Schwyz in seiner Beschwerdevernehmlassung die Steuerhoheit des Kantons Zürich für den fraglichen Zeitraum anerkennt und die Gutheissung des Subeventualbegehrens beantragt, ist an sich die aktuelle Doppelbesteuerung beseitigt. Dieses Einlenken des Kantons Schwyz vermag freilich den Beschwerdeführer nicht zu binden (Urteil 2P.149/2005 vom 13. Dezember 2005 E. 2.2 mit Hinweis, publ. in Kurt Locher/Peter Locher, Die Praxis der Bundessteuern, III. Teil: Das interkantonale Doppelbesteuerungsrecht, § 8, V Nr. 6). Nach seiner Auffassung befindet sich sein Hauptsteuerdomizil im fraglichen Zeitraum nicht im Kanton Zürich, sondern im Kanton Schwyz, womit er implizit einen Verstoss gegen das Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung rügt.
3.
3.1 Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 127 Abs. 3 BV (bzw. Art. 46 Abs. 2 aBV) ist der steuerrechtliche Wohnsitz (Hauptsteuerdomizil) einer unselbständig erwerbenden Person derjenige Ort, wo sich die betreffende Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält bzw. wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet (vgl. Art. 23 Abs. 1 ZGB; Art. 3 Abs. 2 DBG; Art. 3 Abs. 2 StHG; neuerdings BGE 132 I 29 E. 4.1 S. 35 f.). Dieser Mittelpunkt der Lebensinteressen bestimmt sich nach der Gesamtheit der objektiven, äusseren Umstände, aus denen sich diese Interessen erkennen lassen, nicht nach den bloss erklärten Wünschen der steuerpflichtigen Person. Auf die gefühlsmässige Bevorzugung eines Ortes kommt es nicht an; der steuerrechtliche Wohnsitz ist insofern nicht frei wählbar. Dem polizeilichen Domizil, wo die Schriften hinterlegt sind oder wo die politischen Rechte ausgeübt werden, kommt dagegen keine entscheidende Bedeutung zu; das sind bloss äussere Merkmale, die ein Indiz für den steuerrechtlichen Wohnsitz bilden können, wenn auch das übrige Verhalten der Person dafür spricht (statt vieler: BGE 132 I 29 E. 4.1 S. 36). Wenn sich eine Person abwechslungsweise an zwei Orten aufhält, namentlich wenn ihr Arbeitsort und ihr sonstiger Aufenthaltsort auseinanderfallen, ist für die Bestimmung des steuerrechtlichen Wohnsitzes darauf abzustellen, zu welchem Ort sie die stärkeren Beziehungen unterhält. Bei unselbständig erwerbenden Steuerpflichtigen ist das gewöhnlich der Ort, wo sie für längere oder unbestimmte Zeit Aufenthalt nehmen, um von dort aus der täglichen Arbeit nachzugehen, ist doch der Zweck des Lebensunterhalts dauernder Natur. Die Frage, zu welchem der Aufenthaltsorte die steuerpflichtige Person die stärkeren Beziehungen unterhält, ist jeweils aufgrund der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (BGE 132 I 29 E. 4.2 S. 36 f. mit Hinweisen).
Bei verheirateten Personen mit Beziehungen zu mehreren Orten werden die persönlichen und familiären Kontakte zum Ort, wo sich ihre Familie (Ehegatte und Kinder) aufhält, als stärker erachtet als diejenigen zum Arbeitsort, wenn sie in nicht leitender Stellung unselbständig erwerbstätig sind und täglich oder an den Wochenenden regelmässig an den Familienort zurückkehren. Demnach unterstehen verheiratete Pendler oder Wochenaufenthalter grundsätzlich ausschliesslich der Steuerhoheit desjenigen Kantons, in dem sich ihre Familie aufhält (BGE 132 I 29 E. 4.2 und 4.3 S. 36 f., mit Hinweisen).
Diese Praxis findet auch auf ledige Personen Anwendung, zählt die Rechtsprechung doch Eltern und Geschwister ebenfalls zur Familie des Steuerpflichtigen. Allerdings ist es in den bisherigen Fällen, die das Bundesgericht zu beurteilen hatte, meist um ledige Personen gegangen, bei denen der Arbeitsort und der Aufenthaltsort am Wochenende auseinander fielen. Für diesen Fall wurde erkannt, dass bei ledigen Steuerpflichtigen vermehrt noch als bei verheirateten Personen zu berücksichtigen sei, ob weitere als nur familiäre Beziehungen zum einen oder anderen Ort ein Übergewicht begründen (Urteil 2P.179/2003 vom 17. Juni 2004 E. 2.3, mit weiteren Hinweisen). Im vorliegenden Fall, wo es um einen unselbständigerwerbenden Pendler geht, befindet sich der Mittelpunkt der Lebensbeziehungen klarerweise nicht am Arbeitsort als solchem. Vielmehr ist hier fraglich, an welchem der beiden "Aufenthaltsorte", nämlich B.________ oder C.________, sich dieser Schwerpunkt befindet. Dabei können ähnlich wie bei den bisher vom Bundesgericht beurteilten Konstellationen die Pflege enger familiärer Beziehungen und andere Umstände - wie ein besonderer Freundes- oder Bekanntenkreis, ausgeprägte gesellschaftliche Beziehungen oder der Umstand, dass die steuerpflichtige Person ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung besitzt - einem Ort das Übergewicht geben.
3.2 In Bezug auf die Beweisführung und den relevanten Zeitpunkt gilt das Folgende: Der steuerrechtliche Wohnsitz als steuerbegründende Tatsache ist grundsätzlich von der Steuerbehörde nachzuweisen (Urteil 2P.145/1998 vom 29. September 1999 E. 3c, in Pra 2000 Nr. 97). Der steuerpflichtigen Person kann allerdings der Gegenbeweis für die von ihr behauptete subjektive Steuerpflicht an einem neuen Ort auferlegt werden, wenn die von der Steuerbehörde angenommene bisherige subjektive Steuerpflicht als sehr wahrscheinlich gilt. Diese ursprünglich für das internationale Verhältnis aufgestellte Regel ist nach der Praxis des Bundesgerichts auch im interkantonalen Verhältnis anwendbar (Urteil 2P.7/2004 vom 8. Juni 2004 E. 4, in Locher/Locher, a.a.O., § 5, IIA Nr. 12; ASA 39, 284 E. 3c S. 288).
Während rund acht Jahren hatte der Beschwerdeführer sein Hauptsteuerdomizil unangefochten in B.________, von wo er in die nahe gelegene Y.________ AG zur Arbeit ging. Bei dieser Ausgangslage ist es nicht am Kanton Zürich, das Weiterbestehen des Hauptsteuerdomizils in seinem Kanton darzutun, sondern vielmehr am Beschwerdeführer, die Verlegung des Hauptsteuerdomizils nach C.________ nachzuweisen. Dabei besteht gemäss Art. 68 Abs. 1 StHG (in der Fassung des Bundesgesetzes vom 15. Dezember 2000 zur Koordination und Vereinfachung des Veranlagungsverfahrens, AS 2001 1050) die Steuerpflicht auf Grund persönlicher Zugehörigkeit für die laufende Steuerperiode im Kanton, in welchem der Steuerpflichtige am Ende dieser Periode seinen Wohnsitz hat. Dies gilt für die hier massgebenden Steuerperioden 2001 und 2002. In der Steuerperiode 2000 ist der Zeitpunkt des behaupteten Wegzugs per 1. Juni 2000 massgebend.
3.3 Der Beschwerdeführer vermag nicht darzutun, dass ihn in C.________, das aus der Sicht des Arbeitsorts viel ungünstiger gelegen ist als B.________, irgendwelche familiären oder gesellschaftlichen (z.B. Vereine) Beziehungen binden. Die wenigen persönlichen Kontakte, die der Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringt, vermögen daran nichts zu ändern. Die gegenüber der Polizei abgegebene Erklärung, er wohne nicht in C.________, sondern in B.________, und er habe sich im Kanton Schwyz lediglich aus steuertechnischen Gründen angemeldet, erscheint damit als durchaus plausibel. Jedenfalls schliesst sich auch der Kanton Schwyz der Auffassung an, dass in seinem Kanton in der fraglichen Zeitspanne nur ein Scheindomizil begründet wurde. Das Hauptsteuerdomizil des Beschwerdeführers wird mithin zu Recht vom 1. Juni 2000 bis 31. Dezember 2002 vom Kanton Zürich beansprucht.
4.
Die Beschwerde erweist sich somit gegenüber dem Kanton Zürich als unbegründet und ist abzuweisen. Soweit sie sich gegen den Kanton Schwyz richtet, ist sie demzufolge gutzuheissen; die rechtskräftigen Verfügungen dieses Kantons für den Zeitraum vom 1. Juni 2000 bis 31. Dezember 2002 sind aufzuheben, und die gestützt darauf erhobenen Kantons- und Gemeindesteuern sind zurückzuerstatten.
5.
Unnötige Kosten hat zu bezahlen, wer sie verursacht (Art. 66 Abs. 3 BGG). Nachdem der Beschwerdeführer gegenüber der Schwyzer Steuerverwaltung ein Scheindomizil angegeben hat, kann diesem Kanton nicht angelastet werden, dass er seine Steuerhoheit zunächst bejahte und erst in Kenntnis der gesamten Umstände in seiner Vernehmlassung beantragt, die Steuerhoheit dem Kanton Zürich zuzuweisen. Die Verfahrenskosten sind deshalb dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Kanton Zürich wird abgewiesen.
2.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Kanton Schwyz wird gutgeheissen; die rechtskräftigen Verfügungen dieses Kantons für den Zeitraum vom 1. Juni 2000 bis 31. Dezember 2002 werden aufgehoben, und die gestützt darauf erhobenen Kantons- und Gemeindesteuern sind zurückzuerstatten.
3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Kantonalen Steueramt Zürich, der Steuerverwaltung des Kantons Schwyz sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Oktober 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: