Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_571/2007
Urteil vom 16. Oktober 2007
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Fessler.
Parteien
P.________, 1973, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Max Sidler, Untermüli 6, 6302 Zug,
gegen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern
vom 29. Juni 2007.
Sachverhalt:
A.
Die 1973 geborene W.________ begann im August 1991 die dreijährige Lehre zur Damenschneiderin. Am 13. März 1993 verunfallte sie als Lenkerin eines Personenwagens. In der Folge klagte sie über Beschwerden im Bereich der Schultern sowie der Halswirbelsäule. Im August 1994 schloss W.________ die Lehre ab. Danach arbeitete sie bis Ende Oktober 1995 als Verkäuferin und Schneiderin in zwei Kleidergeschäften. Das Arbeitspensum betrug 70 %. Ab November 1995 bezog sie Arbeitslosenentschädigung. In dieser Zeit besuchte sie verschiedene Kurse, welche es ihr erlaubten, halbtags als Büroangestellte tätig zu sein. 1997 heiratete W.________, nunmehr P.________. Sie arbeitete halbtags im Computergeschäft ihres Ehemannes und daneben zu 20 % als selbständige Schneiderin. Ab 1. Januar 1999 bezog P.________ für die erwerblichen Folgen des Unfalles vom 13. März 1993 auf Grund einer Erwerbsunfähigkeit von 20 % eine Invalidenrente der obligatorischen Unfallversicherung. Am 23. März 2001 erlitt P.________ bei einem Verkehrsunfall als Beifahrerin eines Personenwagens eine Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule. Es persistierten Kopf- und Nackenschmerzen. Die Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft als obligatorischer Unfallversicherer richtete Taggelder aus.
Im März 2003 meldete sich P.________ bei der Invalidenversicherung an und beantragte eine Rente. Nach Abklärungen lehnte die IV-Stelle Luzern mit Verfügung vom 17. Februar 2005 das Leistungsbegehren ab, was sie mit Einspracheentscheid vom 10. August 2005 bestätigte.
B.
Die Beschwerde der P.________ wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, mit Entscheid vom 29. Juni 2007 ab.
C.
P.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid vom 29. Juni 2007 sei aufzuheben und es sei ihr ab 1. März 2002 eine halbe Invalidenrente zuzusprechen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2.
Das kantonale Gericht ist bei der Invaliditätsbemessung davon ausgegangen, die Beschwerdeführerin würde ohne gesundheitliche Beeinträchtigung zu 50 % als Büroangestellte im Computergeschäft ihres Ehemannes und zu 20 % als selbständige Schneiderin arbeiten. Daneben würde sie den (Zwei-Personen-)Haushalt führen. Dementsprechend ermittelte es den Invaliditätsgrad nach der gemischten Methode (vgl. dazu BGE 125 V 146 E. 2a-c S. 148 ff. in Verbindung mit BGE 130 V 343 sowie SVR 2006 IV Nr. 42 S. 151 [I 156/04]). Daraus resultierte bei einer Arbeitsfähigkeit von 50 % als Büroangestellte bezogen auf ein 100 %-Pensum sowie einer Einschränkung im Haushalt von 29,2 % im besten Fall ein Invaliditätsgrad von insgesamt weniger als 30 % (0,2 x 100 % + 0,5 x 0 % + 0,3 x 29,2 %), was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 1 IVG).
In der Beschwerde wird gerügt, das kantonale Gericht habe bei der Prüfung der Frage, ob die Versicherte ohne gesundheitliche Beeinträchtigung voll- oder teilerwerbstätig wäre, den sich aus den Akten ergebenden wesentlichen Sachverhalt nicht in die rechtliche Gesamtwürdigung der persönlichen, beruflichen, sozialen und ökonomischen Umstände einbezogen. Insbesondere habe es die Validenkarriere ausgeblendet und die allgemeine Lebenserfahrung, welche in Verhältnissen wie den vorliegenden (Aufbau des eigenen Geschäfts, Erwerb von Wohneigentum, Führung des kinderlosen Haushalts im Sinne der modernen Partnerschaft) gelte, unbeachtet gelassen.
3.
In welchem zeitlichen Umfang eine versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung erwerbstätig wäre, ist eine Tatfrage, soweit es um die Würdigung konkreter Umstände und nicht ausschliesslich um die Anwendung allgemeiner Lebenserfahrungssätze geht. Diesbezügliche Feststellungen des kantonalen Gerichts sind somit für das Bundesgericht verbindlich, soweit sie nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG ; Urteil 9C_301/2007 vom 28. September 2007 E. 3.1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
3.1 Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdeführerin habe im Abklärungsbericht Haushalt vom 10. November 2004, den sie am 16. Dezember 2004 als richtig bestätigt habe, angegeben, ohne Behinderung würde sie heute nach wie vor beim Ehemann zu 50 % als Büroangestellte und daneben zu 20 % als selbständig erwerbende Schneiderin tätig sein. Diese 70 % seien neben dem Haushalt machbar gewesen, zumal sie keine Kinder hätten. Es entspreche, so das kantonale Gericht, einer Erfahrungstatsache und sei mithin auch im Falle der Beschwerdeführerin nachvollziehbar, dass eine Ehefrau unter gebotener Mithilfe des Ehemannes den gemeinsamen kinderlosen Haushalt mit einem Aufwand von ca. 30 % ihrer Gesamtaktivität erledigen könne. Da sie für die Mitarbeit im Geschäft des Ehemannes nur 50 % ihrer verfügten Zeit und Arbeitskraft einzusetzen gehabt habe, sei plausibel und nachvollziehbar, dass sie sich im Gesundheitsfall zusätzlich zu 20 % als selbständig erwerbende Schneiderin betätigen würde. Diese zusätzliche Nebenerwerbstätigkeit würde ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechen und zu einem willkommenen eigenen Zusatzverdienst verhelfen. Es rechtfertige sich daher, die Gesamtaktivität im Gesundheitsfall in angemessener Weise im Hinblick auf die Invaliditätsschätzung in 50 % unselbständige Erwerbstätigkeit als Büroangestellte im Betrieb des Ehemannes, 20 % selbständige Erwerbstätigkeit als Schneiderin und 30 % Aufgabenbereich als Hausfrau aufzuteilen.
3.2
3.2.1 Ob es einer Erfahrungstatsache entspricht, «dass eine Ehefrau unter gebotener Mithilfe des Ehemannes den gemeinsamen Haushalt, in dem keine Kinder leben, mit einem Aufwand von ca. 30 % ihrer Gesamtaktivität erledigen kann», wie das kantonale Gericht annimmt, lässt sich weder bestätigen noch verneinen. Die Vorinstanz bleibt denn auch den empirischen Nachweis für diese Aussage schuldig. Anderseits kann als Erfahrungstatsache gelten, dass Ehefrauen im Rahmen der familiären Pflichten ihre Arbeitskraft im Betrieb des Ehemannes maximal einsetzen, insbesondere wenn wie hier das Geschäft sich in der Aufbauphase befindet, oder allgemein in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Daraus allein lässt sich indessen nichts zu Gunsten der Beschwerdeführerin ableiten.
3.2.2 Im Weitern kommt den Angaben der versicherten Person gegenüber der Abklärungsperson Haushalt zu dem ohne gesundheitliche Beeinträchtigung geleisteten erwerblichen Arbeitspensum fraglos grosse Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdeführerin sich dahingehend äusserte, sie wäre nach wie vor beim Ehemann zu 50 % als Büroangestellte und nebenbei zu 20 % als Schneiderin selbständig tätig. Es trifft zu, dass sie auch angab, nach Abschluss der Lehre zur Damenschneiderin im August 1994 aus gesundheitlichen Gründen ausserhäuslich nicht mehr als zu 70 % tätig gewesen zu, wobei dieses Pensum nebst dem Haushalt möglich gewesen sei. Die übrigen Akten bestätigen diese Angaben. Im Zeitraum September 1994 bis April 1995 arbeitete die Versicherte in der Firma X.________ AG als Schneiderin/Verkäuferin. Danach war sie bis Oktober 1995 in der Firma Y.________ AG ebenfalls als Verkäuferin/Schneiderin zu 70 % tätig. Als Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gab sie gegenüber der Abklärungsperson an, sie sei intern in diese Firma versetzt worden. Sie habe dort hauptsächlich im Verkauf gearbeitet. Da der Arbeitgeber jedoch eine Person benötigt habe, die 100 % arbeiten konnte, habe er ihr die Stelle gekündigt. Dass die Beschwerdeführerin als Folge des Unfalles vom 13. März 1993 von den behandelnden und begutachtenden Ärzten als zu 30 % arbeitsunfähig betrachtet wurde, ergibt sich aus dem Aktenauszug im Gutachten der MEDAS vom 22. April 2004, erstellt im Auftrag des für den zweiten Unfall vom 23. März 2001 zuständigen obligatorischen Unfallversicherers. Diese Umstände sprechen für eine Vollerwerbstätigkeit im Gesundheitsfall. Indessen führte die Versicherte in der vorinstanzlichen Beschwerde aus, im Betrieb des Ehemannes wie auch in der Schneidertätigkeit seien nie genügend Kapazitäten vorhanden gewesen, um das Arbeitspensum zu steigern. Dass sie ihr Pensum nicht voll ausgeschöpft habe, habe am Ausmass der Haushaltarbeiten nichts geändert. Die restliche Zeit habe sie in erster Linie zur Freizeitgestaltung verwendet. Die Beschwerdeführerin arbeitete somit aus invaliditätsfremden Gründen (fehlende Kapazitäten) lediglich 70 % (50 % Büroangestellte und 20 % selbständige Schneiderin). Die angebliche Verwendung des nicht voll ausgeschöpften erwerblichen Pensums zu Freizeitzwecken widerspricht sodann dem Vorbringen in der letztinstanzlichen Beschwerde, die Versicherte könne sich nicht ein gemütliches Leben mit reduzierter Erwerbstätigkeit leisten.
3.3 Insgesamt lassen weder die allgemeine Lebenserfahrung noch die konkreten Umstände, insbesondere die berufliche Karriere seit dem ersten Unfall vom 13. März 1993, die vorinstanzliche Annahme einer Teilerwerbstätigkeit von 70 % (50 % Büroangestellte und 20 % selbständige Schneiderin) im Gesundheitsfall als offensichtlich unrichtig oder als Ergebnis qualifiziert unrichtiger oder sogar willkürlicher Beweiswürdigung erscheinen.
Der im Übrigen nicht angefochtene Entscheid verletzt Bundesrecht nicht.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse Nidwalden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
Luzern, 16. Oktober 2007
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: