Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4C.20/2007 /aka
Urteil vom 22. Oktober 2007
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.
Parteien
X.________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Gmünder,
gegen
Y.________,
Kläger und Berufungsbeklagten,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dominik Infanger.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Überstundenentschädigung,
Berufung gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
St. Gallen, III. Zivilkammer, vom 24. November 2006.
Sachverhalt:
A.
Y.________ (Kläger) arbeitete vom 1. Juni 1990 bis zu seiner fristlosen Entlassung am 31. Mai 2003 bei der X.________ AG (Beklagte). Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte er beim Kreisgericht Obertoggenburg-Neutoggenburg diverse Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte erhob ursprünglich Widerklage. Im Verlauf des Prozesses blieb nur die Frage der vom Kläger geltend gemachten Überstundenentschädigung streitig, welche das Kreisgericht im Umfang von Fr. 73'838.35 brutto, nebst Zins, als ausgewiesen erachtete. Die von der Beklagten eingereichte kantonale Berufung wies das Obergericht des Kantons St. Gallen am 24. November 2006 ab, während es die Anschlussberufung des Klägers zufolge Rückzugs als erledigt abschreiben konnte.
B.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte sowohl eidgenössische Berufung an das Bundesgericht als auch kantonale Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen erhoben, welches auf die Beschwerde am 7. Juni 2007 nicht eintrat. Mit der Berufung beantragt die Beklagte dem Bundesgericht im Wesentlichen, die Klage abzuweisen. Der Kläger schliesst auf kostenfällige Abweisung der Berufung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (SR 173.110; BGG) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Nach Art. 132 BGG ist dieses Gesetz auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist. Die Beklagte hat gegen das Urteil des Kantonsgerichts Berufung erhoben. Da der angefochtene Entscheid vor dem 1. Januar 2007 erging, richtet sich das Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation des Bundesgerichts (Bundesrechtspflegegesetz [OG]).
2.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Vorinstanz habe dem Kläger zu Unrecht eine Überstundenentschädigung zugesprochen. Nach Auffassung der Beklagten verhält sich der Kläger rechtsmissbräuchlich, da er während 13 Jahren nie eine Überstundenentschädigung gefordert habe und auch in seiner Stellung als Aktionär der Beklagten weder auf ihm zustehende Forderungen hingewiesen noch gegenüber den bilanzierten Werten einen Vorbehalt angebracht habe. Aus der Zustimmung des Klägers zur Jahresrechnung anlässlich der Generalversammlungen der Gesellschaft ebenso wie aus einem Schreiben des Klägers vom 5. März 2003 leitet die Beklagte zudem einen Verzicht auf allfällige Ansprüche auf Überstundenentschädigung ab. Sie ist der Meinung, der Kläger könne sich aufgrund seiner Position als leitender Angestellter und Aktionär der Beklagten und angesichts der ihm zugebilligten Lohnerhöhungen von 180 % nicht auf die Unzulässigkeit eines während der Dauer des Arbeitsverhältnisses erklärten Verzichts auf Forderungen nach Art. 341 OR berufen.
2.1 Die Beklagte beruft sich auf ein Schreiben des Klägers an die Beklagte, in welchem dieser ausführt, beide Parteien hätten per Ende Dezember 2002 festgestellt, dass der Kläger kein Guthaben mehr bei der Beklagten ausstehend habe. Nach konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind allerdings mit einer derartigen Saldoklausel zum Ausdruck gebrachte Willenserklärungen nach dem Vertrauensprinzip einschränkend auszulegen (vgl. BGE 127 III 444 E. 1a S. 445; 109 II 327 E. 2b S. 329 f.; 102 III 40 E. 3f S. 47). Eine Saldoquittung befreit den Schuldner nur von Ansprüchen, von denen der Gläubiger Kenntnis hatte oder deren Erwerb er zumindest für möglich hielt (BGE 129 III 493 nicht publizierte E. 4, publ. in Pra 93/2004 Nr. 7 S. 43 ff. S. 45; 102 III 40 E. 3f S. 47; 100 II 42 E. 1 S. 45; Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 15 zu Art. 341 OR; Vischer, Der Arbeitsvertrag, 3. Auflage, in: Schweizerisches Privatrecht VII/4, S. 287; Kramer, Berner Kommentar, N. 39 zu Art. 18 OR).
2.2 Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Beklagte die Behauptung des Klägers, er habe von seinen Ansprüchen erst nach Austritt aus der Beklagten erfahren, nicht bestritten, sondern sie wollte ihn im kantonalen Verfahren bei der Zugabe seines Nichtwissens behaften. Erfuhr der Kläger aber erst nach seinem Austritt von seinen Ansprüchen, werden diese durch seine zuvor abgegebene Verzichtserklärung tatsächlich nicht erfasst. Auch sind keine Umstände festgestellt, welche die Beklagte nach Treu und Glauben zur Annahme berechtigten, der Kläger habe auf Ansprüche verzichten wollen, die er nach den Angaben der Beklagten selbst nie thematisiert hatte. Aus dem Schreiben des Klägers kann die Beklagte mithin nichts zu ihren Gunsten ableiten (BGE 129 III 493 nicht publizierte E. 4 mit Hinweisen, publ. in Pra 93/2004 Nr. 7 S. 43 ff. S. 45).
2.3 Dass der Kläger seine Ansprüche nicht geltend machte und auch als Aktionär nicht auf sie hinwies, kann angesichts der Tatsache, dass er erst im Nachhinein davon Kenntnis erhielt, nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Daran vermögen auch die Lohnerhöhungen, die der Kläger erhalten hat, nichts zu ändern, zumal sich aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid kein Zusammenhang mit den Überstunden ergibt. Durch die abgegebenen Stundenrapporte war die Beklagte zudem über die geleisteten Überstunden informiert, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten ersichtlich ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4C.337/2001 vom 1. März 2002, E. 2, publ. in Pra 91/2002 Nr. 192 S. 1020 ff.).
2.4 Auch eine Verletzung von Art. 341 OR liegt nicht vor. Dieser Gesetzesartikel schützt den Arbeitnehmer davor, unter Druck des Arbeitgebers oder aus Angst, seine Arbeitsstelle zu verlieren, auf die Durchsetzung der ihm aufgrund unabdingbarer Gesetzesbestimmungen zustehenden Ansprüche zu verzichten (BGE 124 III 469 E. 3a S. 472). Dass der Kläger eine leitende Position inne hatte und Aktionär der Beklagten war, ändert an seinem diesbezüglichen Schutzbedürfnis entgegen der Auffassung der Beklagten nichts, zumal den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen ist, dem Kläger sei aufgrund seiner Stellung als Aktionär der Beklagten eine derart beherrschende Stellung zugekommen, dass die Gefahr des Verlusts der Arbeitsstelle nicht bestand. Die von der Beklagten ausgesprochene fristlose Entlassung belegt vielmehr das Gegenteil, so dass der angefochtene Entscheid auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.
2.5 Damit erweist sich die Berufung insgesamt als unbegründet und ist abzuweisen. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beklagte kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.
Die Berufung wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beklagten auferlegt.
3.
Die Beklagte hat den Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Oktober 2007
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: