Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_261/2007 /aka
Urteil vom 29. Oktober 2007
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Mazan.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Robert G. Briner,
gegen
Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Balz Gross
und Dr. Roger Zuber, Homburger Rechtsanwälte.
Gegenstand
Agenturvertrag; Kündigung,
Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Mai 2007.
Sachverhalt:
A.
X.________ (Beschwerdeführer) betreibt die Einzelfirma A.________, welche gemäss Handelsregisterauszug den Import und Export von sowie den Handel mit Waren aller Art bezweckt. Die Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) ist insbesondere in der Beratung, Forschung und Entwicklung, Herstellung, im Handel sowie im Erbringen von Engeneering- und anderen Dienstleistungen auf dem Gebiet der Metall- und Maschinenindustrie tätig.
Der Beschwerdeführer und die B.________ AG - als Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin - schlossen am 14. / 31. Oktober 1977 einen Agenturvertrag ab. Der Vertrag betraf den Verkauf von industriellen Gas-Turbinen und Turbokompressoren. Mit Schreiben vom 24. August 2000 kündigte die Beschwerdegegnerin den Agenturvertrag per 30. November 2000. Der Beschwerdeführer verlangt nun eine Kundschaftsentschädigung gemäss Art. 418u OR in der Höhe des durchschnittlichen Nettojahresverdienstes der letzten fünf Jahre vor Vertragsbeendigung. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, eine solche Entschädigung sei aus verschiedenen Gründen nicht geschuldet.
B.
Mit Klage vom 22. November 2004 beantragte der Beschwerdeführer dem Handelsgericht des Kantons Zürich, die Beschwerdegegnerin sei zur Bezahlung von Fr. 1'664'678.-- zuzüglich Zins zu verpflichten. Mit Urteil vom 29. Mai 2007 wies das Handelsgericht die Klage ab.
C.
Mit Beschwerde vom 6. Juli 2007 beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 29. Mai 2007 sei aufzuheben und die Klage vollumfänglich gutzuheissen; eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung, allenfalls zur Durchführung eines Beweisverfahrens, an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei; subeventualiter sei die Klage abzuweisen.
Das Handelsgericht des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
D.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung wurde vom Präsidenten der I. zivilrechtlichen Abteilung mit Verfügung vom 31. August 2007 abgewiesen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Weil das angefochtene Urteil nach dem Datum des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007 (AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht (Art. 132 Abs. 1 BGG).
2.
In tatsächlicher Hinsicht hielt das Handelsgericht im angefochtenen Urteil im Wesentlichen fest, dass die Beschwerdegegnerin das Agenturverhältnis mit dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. August 2000 per 30. November 2000 gekündigt habe. Nach der übereinstimmenden Darstellung beider Parteien (S. 19 der Klage und S. 20 der Klageantwort) seien die Geschäftsbeziehungen ungeachtet der Kündigung per 30. November 2000 auch nach Ende November 2000 zu unveränderten Konditionen weitergeführt worden. Einig seien sich die Parteien auch darin, dass der Beschwerdeführer ab Januar 2001 (so der Beschwerdeführer) respektive ab Sommer 2001 (so die Beschwerdegegnerin) im Rahmen eines Agenturvertrages identischen Inhaltes für die C.________ AG tätig gewesen sei.
Dieser von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt ist für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellungen können nur berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind. Andernfalls kann ein Sachverhalt, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 130 III 138 E. 1.4 S. 140).
Im vorliegenden Fall wendet der Beschwerdeführer gegen die Feststellungen der Vorinstanz im Wesentlichen ein, es habe nie eine Einigung zwischen den Parteien gegeben, das Agenturverhältnis nach der Kündigung per 30. November 2000 weiterzuführen. Mit diesem Vorbringen beschränkt sich der Beschwerdeführer darauf, das Gegenteil der vorinstanzlichen Feststellung zu behaupten. Insbesondere setzt er sich nicht mit der Begründung des Handelsgerichtes auseinander, dass die Parteien im kantonalen Verfahren übereinstimmend davon ausgegangen seien, ihre Geschäftsbeziehung seien zu unveränderten Konditionen auch nach Ende November 2000 weitergeführt worden. Wenn aber nicht dargetan wird, inwiefern die Feststellung des Handelsgerichts "offensichtlich unrichtig" oder willkürlich sein soll, ist insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 2 BGG).
3.
Auf der Grundlage der verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen ist nur zu prüfen, ob das Handelsgericht in rechtlicher Hinsicht zutreffend davon ausgegangen ist, dass das Agenturverhältnis trotz der Kündigung per 30. November 2000 im Rahmen des bisherigen - und nicht eines neuen - Agenturvertrages fortgesetzt wurde (nachfolgend E. 3.1) und dass bei einer allfälligen Fortsetzungen des bisherigen Agenturvertrages zwischen den bisherigen Parteien das Vertragsverhältnis später durch Übernahmevertrag auf die C.________ AG übertragen wurde (nachfolgend E. 3.2).
3.1 Das Kündigungsrecht ist ein aufhebendes Gestaltungsrecht. Durch die Kündigung wird ein Rechtsverhältnis aufgehoben, ohne dass es dazu der Zustimmung der Gegenpartei bedarf. Die Gegenpartei ist jedoch insoweit in ihrem Interesse an einer klaren Rechtslage geschützt, als die Ausübung dieses Gestaltungsrechts seitens des Kündigenden grundsätzlich bedingungsfeindlich und unwiderruflich ist. Der - hier allein interessierende - Grundsatz der Unwiderruflichkeit erleidet indessen dann eine Ausnahme, wenn der Erklärungsempfänger gar nicht schutzbedürftig ist. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn der Erklärungsempfänger mit der Rücknahme der Gestaltungserklärung - im vorliegenden Fall der Kündigung - einverstanden ist (BGE 128 III 70 E. 2 S. 75 f.). Dieser allgemeine vertragsrechtliche Grundsatz gilt insbesondere auch für den Agenturvertrag. So wird in der Literatur einhellig die Meinung vertreten, dass ein gekündigter, aber stillschweigend fortgesetzter Agenturvertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt (Suzanne Wettenschweiler, Basler Kommentar, 4. Auflage, Basel 2007, N. 1 zu Art. 418q; Dominique Dreyer, Commentaire romand, Code des Obligations I, Basel 2003, N. 2 zu Art. 418q; Theodor Bühler, Zürcher Kommentar, Zürich 2000, N. 11 zu Art. 418q; Georg Gautschi, Berner Kommentar, Bern 1964, N. 1d zu Art. 418q).
Im vorliegenden Fall hat das Handelsgericht verbindlich festgehalten, dass die Parteien das von der Beschwerdegegnerin am 24. August 2000 per 30. November 2000 gekündigte Agenturverhältnis zu unveränderten Konditionen auch nach Ende November 2000 weitergeführt hätten. Trotz der grundsätzlichen Unwiderruflichkeit der Kündigung ist daher davon auszugehen, dass die Parteien ungeachtet der Kündigung per 30. November 2000 das bisherige Agenturverhältnis weitergeführt haben. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann keine Rede davon sein, dass die Parteien per 1. Dezember 2000 einen neuen Agenturvertrag abgeschlossen haben. Wenn aber das bisherige Agenturverhältnis fortgesetzt wurde, entfällt ein Anspruch auf Kundschaftsentschädigung, weil eine solche auf jeden Fall erst "nach Auflösung des Agenturverhältnisses" (Art. 418u OR) geschuldet ist.
3.2 Damit ist nur noch die Frage zu prüfen, ob der seinerzeitige Agenturvertrag zwischen den Prozessparteien durch Übernahmevertrag auf die C.________ AG übertragen wurde. Wie erwähnt (vgl. E. 2) führte das Handelsgericht dazu aus, die Parteien seien sich darin einig, dass der Beschwerdeführer ab Januar 2001 (so der Beschwerdeführer) respektive ab Sommer 2001 (so die Beschwerdegegnerin) im Rahmen eines Agenturvertrages identischen Inhaltes für die C.________ AG tätig gewesen sei. Es ist daher zu prüfen, ob es sich bei diesem unbestrittenen Agenturverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und der C.________ AG (ab Januar 2001 bzw. Sommer 2001) um die Fortsetzung des bisherigen Vertrages, der durch Übernahmevertrag auf die C.________ AG überführt wurde, handelt. Dazu führte die Vorinstanz im Wesentlichen aus, am 20. Dezember 2000 sei eine erste Medienmitteilung zur Übertragung des Turbo-Geschäfts erschienen und mit Pressemitteilung vom 21. Mai 2001 sei die Öffentlichkeit über den Abschluss der Übernahme informiert worden. Ferner habe die C.________ AG die im Turbo-Geschäft tätigen Agenten im Mai 2001 über dessen Übernahme informiert. Obwohl der Beschwerdeführer unbestritten von der Übernahme des Turbo-Geschäfts durch die C.________ AG gewusst habe, habe er nicht gegen die Weiterführung des Agenturverhältnisses interveniert. Unter diesen Umständen hätten die Beschwerdegegnerin und die C.________ AG das Verhalten des Beschwerdegegners nach Treu und Glauben so verstehen dürfen, dass ein Übernahmevertrag in Bezug auf den Agenturvertrag zustande gekommen sei. Dagegen wendet der Beschwerdeführer im Wesentlichen ein, es sei nicht belegt, dass der am 30. November 2000 bereits beendigte Vertrag zwischen den Prozessparteien später auf die C.________ AG übertragen worden sei.
Dazu gilt es vorab festzuhalten, dass der ursprünglich zwischen den Prozessparteien abgeschlossene Agenturvertrag von der Beschwerdegegnerin zwar auf den 30. November 2000 gekündigt, im Anschluss daran von den Prozessparteien jedoch einvernehmlich weitergeführt wurde, weshalb von einer Beendigung des Agenturverhältnisses keine Rede sein kann (E. 3.1). In Bezug auf die behauptete Übertragung des - weitergeführten - Agenturverhältnisses auf die C.________ AG hat die Vorinstanz ausgeführt, dass der Übernahmevertrag ein dreiseitiger Vertrag ist, an dem die bisherigen Vertragspartner und die übernehmende Partei beteiligt seien. Ob ein Vertrag - im vorliegenden Fall ein Übernahmevertrag - zustande gekommen ist, wird durch Auslegung der Willensäusserungen der Parteien bestimmt. Massgebend ist in erster Linie der übereinstimmende wirkliche Parteiwille ( Art. 18 Abs. 1 OR). Diese subjektive Vertragsauslegung beruht auf Beweiswürdigung und ist vorbehältlich der Ausnahme von Art. 105 Abs. 2 BGG der bundesgerichtlichen Überprüfung entzogen. Steht eine tatsächliche Willensübereinstimmung fest, bleibt für eine Auslegung nach dem Vertrauensgrundsatz kein Raum. Erst wenn eine tatsächliche Willensübereinstimmung unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die Erklärungen der Parteien aufgrund des Vertrauensprinzipes so auszulegen, wie sie nach ihrem Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten. Diese objektivierte Auslegung von Willenserklärungen prüft das Bundesgericht als Rechtsfrage, wobei es an die Feststellungen der kantonalen Vorinstanz über die äusseren Umstände sowie das Wissen und Wollen der Beteiligten grundsätzlich gebunden ist (BGE 132 III 626 E. 3.1 S. 632 mit Hinweisen).
Im Zusammenhang mit der Frage, ob zwischen den Prozessparteien und der C.________ AG ein Übernahmevertrag bezüglich des Agenturverhältnisses abgeschlossen wurde, stellte die Vorinstanz keinen übereinstimmenden wirklichen Parteiwillen fest. Es ist daher nur zu prüfen, ob nach dem Vertrauensprinzip auf den Abschluss eines Übernahmevertrages zu schliessen ist. Nach den verbindlich festgestellten Umständen hatte der Beschwerdeführer aufgrund von Pressemitteilungen im Dezember 2000 und Mai 2001 Kenntnis von der Übertragung des Turbo-Geschäftes auf die C.________ AG. Zudem seien alle Agenten - und damit auch der Beschwerdeführer - im Mai 2001 durch die C.________ AG über die Übernahme informiert worden. Wenn der Beschwerdeführer aber trotz dieser Umstände nicht gegen die Weiterführung des Agenturverhältnisses mit der C.________ AG interveniert, durften die Beteiligten nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass dieser mit der Übertragung des Agenturverhältnisses auf die C.________ AG einverstanden war. Da der ursprüngliche Agenturvertrag zwischen den Prozessparteien per Januar 2001 bzw. Sommer 2001 auf die C.________ AG übertragen wurde, kann der Beschwerdeführer aufgrund einer späteren Kündigung seitens der C.________ AG als neue Vertragspartnerin keine Kundschaftsentschädigung gemäss Art. 418u OR gegenüber der Beschwerdegegnerin als ehemaliger Vertragspartnerin fordern.
3.3 Aus diesen Gründen ist keine Entschädigung geschuldet. Das Handelsgericht hat die Klage zur Recht abgewiesen. Wenn es aber bereits an einer Rechtsgrundlage für eine Entschädigung fehlt, muss die Frage der Unbilligkeit der Entschädigung oder das Vorliegen eines erheblichen Vorteils durch den Verkauf des Turbo-Geschäfts an die C.________ AG nicht geprüft werden.
4.
Aufgrund des Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 17'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 19'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Oktober 2007
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: