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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_290/2007
Urteil vom 9. November 2007
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Moser.
Parteien
A. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin
Linda Keller,
gegen
Justiz- und Polizeidepartement des Kantons
St. Gallen, Oberer Graben 32, 9001 St. Gallen,
Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, Spisergasse 41, 9001 St. Gallen.
Gegenstand
Familiennachzug,
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 9. Mai 2007.
Sachverhalt:
A.
Der aus Guinea stammende A. X.________, geboren 1960, reiste im September 1996 illegal in die Schweiz ein. Sein Asylgesuch wurde vom Bundesamt für Flüchtlinge am 21. November 1996 und die dagegen erhobene Beschwerde am 5. März 1997 von der Asylrekurskommission abgewiesen.
Am 24. Dezember 1997 heiratete A. X.________ die 1952 geborene und in St. Gallen wohnhafte Schweizer Bürgerin Y.________. Danach erhielt er die Jahresaufenthaltsbewilligung und wurde am 20. März 2003 erleichtert eingebürgert.
Kurz vor seiner Ausreise aus Guinea war die erste Ehefrau von A. X.________ am 10. Juli 1996 gestorben. Den gemeinsamen Sohn B. X.________, geboren am 18. Juli 1992, liess A. X.________ in der Obhut seiner Mutter in Guinea zurück.
Am 6. Mai 2005 beantragte A. X.________ für seinen Sohn B. X.________ eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs. Das St. Galler Ausländeramt wies das Gesuch am 28. April 2006 ab.
Die von A. X.________ eingelegten Rechtsmittel wurden von allen kantonalen Instanzen, zuletzt am 9. Mai 2007 vom Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen, abgewiesen.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. Juni 2007 beantragt A. X.________ dem Bundesgericht, den Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2007 aufzuheben, das Familiennachzugsgesuch für B. X.________ zu bewilligen und das Ausländeramt St. Gallen anzuweisen, eine Einreise- und Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht und das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons St. Gallen sowie das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Erwägungen:
1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entscheid über eine ausländerrechtliche Bewilligung, also eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Derartige Entscheide können im Grundsatz mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82-89 BGG beim Bundesgericht angefochten werden. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts jedoch unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen.
1.2 Ledige ausländische Kinder unter 18 Jahren von Schweizer Bürgern haben gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung gestützt auf Art. 7 ANAG in Analogie zu Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung, wenn sie mit diesen zusammen wohnen (BGE 130 II 137 E. 2.1 S. 141; 129 I 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen).
1.3 Der Beschwerdeführer ist Schweizer Bürger. Er hat demnach einen grundsätzlichen Anspruch auf den Nachzug seines im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung 13 Jahre alten Sohnes (vgl. BGE 129 II 11 und 126 II 329). Da dieser auch heute noch nicht volljährig ist, ist zudem die Berufung auf das in Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. in Art. 13 Abs. 1 BV garantierte Recht auf Achtung des Familienlebens zulässig (vgl. BGE 129 II 249 E. 1.2 S. 252 mit Hinweisen). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist deshalb einzutreten.
1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an. Es prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 BGG).
2.
2.1 Zweck des Familiennachzugs gemäss Art. 7 und Art. 17 Abs. 2 Satz 3 ANAG ist grundsätzlich, das familiäre Zusammenleben beider Eltern mit den Kindern zu ermöglichen. Sind die Eltern von einander getrennt oder geschieden und hält sich der eine Elternteil in der Schweiz, der andere aber im Ausland auf, kann es nicht um eine Zusammenführung der Gesamtfamilie gehen.
-:-
Die in der Rechtsprechung zu Art. 7 und 17 ANAG entwickelten Voraussetzungen für den nachträglichen Nachzug von Kindern sind daher unterschiedlich, je nachdem ob es sich um die Vereinigung mit den gemeinsamen Eltern oder aber mit einem getrennt lebenden Elternteil handelt. Im ersten Fall bedarf es, unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauches, keiner besonderen Rechtfertigung dafür, dass das Nachzugsrecht erst nachträglich geltend gemacht wird; im zweiten Fall dagegen wird ein nachträglicher Familiennachzug nur bewilligt, wenn besondere familiäre Gründe bzw. eine Änderung der Betreuungsverhältnisse dies gebieten (BGE 130 II 1 E. 2.2 S. 4; 129 II 11 E. 3.1.3 S. 15 mit Hinweisen). Das ist regelmässig nicht der Fall, wenn im Heimatland alternative Pflegemöglichkeiten bestehen, die dem Kindeswohl besser entsprechen, beispielsweise weil dadurch vermieden werden kann, dass das Kind aus seiner bisherigen Umgebung und dem ihm vertrauten Beziehungsnetz gerissen wird (BGE 133 II 6 E. 3.1.2 S. 11 f.; 125 II 585 E. 2c S. 588 mit Hinweisen).
2.2 Der Beschwerdeführer kann als verwitweter bzw. wiederverheirateter Elternteil, der sein Kind jahrelang im Heimatland in der Obhut der Grossmutter gelassen hat, den nachträglichen Nachzug seines Sohnes nur verlangen, wenn stichhaltige Gründe für dessen Übersiedlung zum Vater in die Schweiz bestehen. Es kommen dabei die gleichen Grundsätze zur Anwendung wie bei getrennt lebenden oder geschiedenen Elternteilen (BGE 129 II 11 E. 3.4 S. 16 f.).
Gründe für eine Änderung der Betreuungsverhältnisse dürfen nicht leichthin bejaht werden. Es gelten hohe Beweisanforderungen (BGE 133 II 6 E. 3.3 S. 13; 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16 mit Hinweisen); an den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je älter das Kind ist bzw. je grösser die ihm in der Schweiz drohenden Integrationsschwierigkeiten sind, zumal es aus integrationspolitischer Sicht nicht erwünscht ist, dass Jugendliche erst nach Abschluss der obligatorischen Schule und kurz vor Erreichung der Altersgrenze in die Schweiz geholt werden (vgl. BGE 129 II 11 E. 3.3.2 S. 16; vgl. auch BGE 133 II 6 E. 5.3 S. 19 mit Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte i.S. Tuquabo-Tekle [Nr. 60665 vom 1. Dezember 2005]).
2.3 Nachdem der Beschwerdeführer bei seiner Ausreise aus Guinea im Jahr 1996 seinen Sohn nicht mitgenommen, sondern in der Obhut der Grossmutter belassen und damit die Familientrennung ursprünglich selbst freiwillig herbeigeführt hatte, müsste er nun nachweisen, dass für die Änderung der bisherigen Verhältnisse überwiegende familiäre Interessen bestehen bzw. dass sich ein Wechsel als zwingend erweist und im Heimatland keine Betreuungsmöglichkeiten mehr bestehen (vgl. BGE 133 II 6 E. 3.1.2 S. 11 f.).
2.4 Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren auf das hohe Alter der Grossmutter (über 80 Jahre) verwiesen, ohne aber diese Darstellung durch amtliche Dokumente belegen zu können. Inzwischen soll die Grossmutter verstorben sein, was als Novum im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden kann (Art. 99 Abs. 1 BGG) und im Übrigen wiederum nicht urkundlich belegt ist. Wie das Bundesamt in seiner Vernehmlassung zu Recht ausführt, wäre es dem Beschwerdeführer so oder so zuzumuten gewesen, näher darzulegen, dass und inwiefern die Betreuung seines Sohnes durch keine sonstigen Verwandten mütterlicher- oder väterlicherseits übernommen werden kann, wie dies im dortigen Kulturkreis üblich ist.
2.5 Mangels nachgewiesener Änderung der bisherigen Betreuungsverhältnisse verstösst die Verweigerung des Familiennachzugs im vorliegenden Fall nicht gegen Bundesrecht.
3.
3.1 Die Beschwerde erweist sich deshalb als unbegründet und ist abzuweisen.
3.2 Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Justiz- und Polizeidepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. November 2007
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Merkli Moser