BGer 8C_14/2007 |
BGer 8C_14/2007 vom 16.01.2008 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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8C_14/2007
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Urteil vom 16. Januar 2008
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I. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Ursprung, Präsident,
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Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichterin Leuzinger,
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Gerichtsschreiberin Schüpfer.
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Parteien
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Sozialversicherungsamt Schaffhausen, AHV-Ausgleichskasse, Oberstadt 9, 8200 Schaffhausen,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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B.________,
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Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Breining, Sporrengasse 1, 8200 Schaffhausen.
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Gegenstand
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Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 26. Januar 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1944 geborene B.________ bezieht seit 1. August 2001 eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Am 23. Januar 2003 ersuchte er zudem um Ergänzungsleistungen. Mit Verfügungen vom 28. Oktober 2005 verneinte das Sozialversicherungsamt des Kantons Schaffhausen, Ausgleichskasse, den Anspruch vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 und für das Jahr 2005. Die dagegen erhobene Einsprache wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 25. Januar 2006 ab. Das mit der Einsprache gestellte Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung im Administrativverfahren sistierte die Ausgleichskasse mit separater Verfügung vom 29. April 2004 (recte wohl 3. Januar 2006).
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B.
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B.________ liess dagegen Beschwerde erheben und beantragen, in Aufhebung des Einspracheentscheides sei die Sache zur weiteren Sachverhaltsabklärung an die Verwaltung zurückzuweisen, eventuell seien ihm Ergänzungsleistungen auszurichten. Die Sistierungsverfügung sei aufzuheben und es sei ihm die unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren zu gewähren, eventuell sei die Sache auch diesbezüglich zur Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess die Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Sache in Aufhebung des Einspracheentscheides vom 25. Januar 2006 zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung an die Ausgleichskasse zurückwies. Zudem gewährte das kantonale Gericht die unentgeltliche Verbeiständung auch für das Einspracheverfahren und wies die Ausgleichskasse an, entsprechend Fr. 1'911.50 zu bezahlen (Entscheid vom 26. Januar 2007).
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C.
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Das Sozialversicherungsamt Schaffhausen, Ausgleichskasse, führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, der Entscheid vom 26. Januar 2007 sei aufzuheben und das kantonale Gericht sei anzuweisen über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen materiell zu entscheiden. Eventuell sei das Obergericht anzuweisen, erneut über die unentgeltliche Prozessführung und Vertretung zu entscheiden.
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B.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf Vernehmlassung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Beim angefochtenen Rückweisungsentscheid handelt es sich um einen Vor- oder Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 133 V 477 E. 4.2). Die Zulässigkeit der Beschwerde setzt somit - alternativ - voraus, dass der Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Abs. 1 lit. a) oder dass die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Abs. 1 lit. b).
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2.
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2.1 Ein im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachender Nachteil ist rechtlicher Natur und auch mit einem für die Beschwerde führende Partei günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behebbar. Die Rückweisung der Sache an die Ausgleichskasse zu weiterer oder ergänzender Abklärung und neuer Entscheidung stellte lediglich dann einen solchen Nachteil dar, wenn die Verwaltung durch materielle Vorgaben wesentlich in ihrem Beurteilungsspielraum eingeschränkt würde und davon in der Folge nicht mehr abgewichen werden könnte (E. 5.2). Hingegen stellt die blosse Verpflichtung der Ausgleichskasse zur Vornahme weiterer oder ergänzender Abklärungen und neuer Entscheidung durch das kantonale Gericht keinen im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht wieder gutzumachenden Nachteil dar. Dies gilt, selbst wenn die vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche Sachverhalt sei ungenügend abgeklärt, offensichtlich unrichtig wäre oder auf einer qualifiziert unrichtigen oder sogar willkürlichen Beweiswürdigung beruhte. Auch eine solche Rechtsverletzung (Art. 95 lit. a und Art. 97 Abs. 1 BGG) vermag dem Nachteil an sich unnötiger Abklärungen nicht rechtlichen Charakter zu geben. Nur so lässt sich der Zweck der Ausnahmeregelung des Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG erreichen, dass das Bundesgericht sich nicht mehr als ein Mal mit derselben Streitsache befassen muss (vgl. BGE 131 III 404 E. 3.3 S. 407, 122 I 39 E. 1a/aa S. 41). In diesem Sinne ist ein nicht wieder gutzumachender Nachteil zu verneinen, wenn und soweit die Rügen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung betreffen (Urteil 9C_301/2007 vom 28. September 2007).
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2.2 Die alternative Zulässigkeitsvoraussetzung nach 93 Abs. 1 lit. b BGG (Einsparung eines bedeutenden Aufwands an Zeit und Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren) - auf welches sich die Ausgleichskasse sinngemäss beruft - übernimmt die Vorschrift von Art. 50 OG (BBl 2001 4334). Nach der zu dieser Bestimmung ergangenen Rechtsprechung bildet die selbständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme, die restriktiv anzuwenden ist (BGE 118 II 91 E. 1b S. 92). Denn der Normzweck dieser Bestimmung liegt nebst der Vermeidung unnötigen Verfahrensaufwandes darin zu verhindern, dass sich das Bundesgericht mehrmals mit derselben Streitsache zu befassen hat. Das Bundesgericht prüft nach freiem Ermessen, ob die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt ist.
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Vorliegend ist weder dargetan noch aus den Akten ersichtlich, dass die Abklärungen, welche gemäss angefochtenem Entscheid vorzunehmen sein werden, weitläufig sind und einen bedeutenden Aufwand an Zeit und Kosten zur Folge haben. Die Rückweisung erfolgte zudem mit der Begründung, die Ausgleichskasse habe bei ihrer Sachverhaltsfeststellung das rechtliche Gehör des Versicherten verletzt. Bereits dies verhindert die erfolgreiche Berufung auf Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG. Damit wird auf das Hauptbegehren der Beschwerdeführerin nicht eingetreten.
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3.
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Die Beschwerde führende Ausgleichskasse beantragt im weiteren, das Obergericht sei anzuweisen, "erneut über die unentgeltliche Prozessführung und Vertretung zu entscheiden". Aus der Begründung dieses Rechtsbegehrens ist zu schliessen, dass damit einzig die Zusprechung einer Entschädigung für die Vertretung im Einspracheverfahren und nicht diejenige im kantonalen Gerichtsverfahren gemeint ist.
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3.1 Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse zu überprüfen bzw. zu beurteilen, zu denen die zuständige Verwaltungsbehörde vorgängig verbindlich - in Form einer Verfügung - Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand. Umgekehrt fehlt es an einem Anfechtungsgegenstand und somit an einer Sachurteilsvoraussetzung, wenn und insoweit keine Verfügung ergangen ist (BGE 131 V 164 Erw. 2.1, 125 V 414 Erw. 1a, 119 Ib 36 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
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Nach der Rechtsprechung kann das verwaltungsgerichtliche Verfahren aus prozessökonomischen Gründen auf eine ausserhalb des Anfechtungsgegenstandes, d.h. ausserhalb des durch die Verfügung bestimmten Rechtsverhältnisses liegende spruchreife Frage ausgedehnt werden, wenn diese mit dem bisherigen Streitgegenstand derart eng zusammenhängt, dass von einer Tatbestandsgesamtheit gesprochen werden kann, und wenn sich die Verwaltung zu dieser Streitfrage mindestens in Form einer Prozesserklärung geäussert hat (BGE 130 V 503, 122 V 36 Erw. 2a mit Hinweisen).
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3.2 Über die Frage, ob der Versicherte im Einspracheverfahren Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung hat, liegt von der Ausgleichskasse ausdrücklich noch keine Entscheidung vor. Verfügt hat sie lediglich, darüber werde erst mit Rechtskraft des Entscheides über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen entschieden. Damit konnte mit der Beschwerde vom 3. Februar 2006 an das kantonale Gericht ausschliesslich die Sistierungsverfügung angefochten werden. Sie war Anfechtungs- und Streitgegenstand. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hat die Verwaltung nicht darüber orientiert, dass sie das Verfahren ausdehnen und über die Frage der unentgeltlichen Verbeiständung im Einspracheverfahren unabhängig von einer vorgängigen Verfügung entscheiden will. Die Ausgleichskasse hat sich vor Vorinstanz daher auch materiell nicht darüber geäussert. Indem das kantonale Gericht materiell über den Anspruch auf unentgeltliche Verbeiständung entschieden hat, hat sie aber sinngemäss - zu Recht - einen Sistierungsgrund verneint. In der Beschwerde werden denn auch keine Argumente für die Sistierung angeführt, sondern nur der - materielle - Entscheid des Obergerichts angefochten. Aus prozessökonomischer Sicht macht es daher keinen Sinn, einzig die Frage der Rechtmässigkeit der Sistierung nochmals der Vorinstanz vorzulegen. Die Sache wird also auch diesbezüglich an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch des Versicherten auf unentgeltliche Verbeiständung im Verwaltungsverfahren verfüge.
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4.
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Die Gerichtskosten werden der Ausgleichskasse als in der Hauptsache unterliegender Partei auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdeführer zudem eine Parteientschädigung zu entrichten. Diese wird unter Berücksichtigung des teilweisen Obsiegens der Ausgleichskasse in Bezug auf die Zusprechung der Kosten für das Einspracheverfahren auf Fr. 2000.- (inklusive Auslagen und Mehrwertsteuer) festgesetzt (Art. 68 Abs. 2 BGG).
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erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 26. Januar 2007 aufgehoben, als er sich materiell über den Anspruch des Versicherten auf unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren äussert. Die Sache wird an die Ausgleichskasse überwiesen, damit sie über den Anspruch des B.________ auf unentgeltliche Verbeiständung im Einspracheverfahren entscheide. Im Übrigen wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
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3.
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Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt.
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Luzern, 16. Januar 2008
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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Ursprung Schüpfer
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