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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_560/2007 /hum
Urteil vom 21. Januar 2008
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiber Borner.
Parteien
O.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Tobler,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Strafzumessung; teilbedingte Strafe,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18. Juni 2007.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte O.________ am 10. Oktober 2006 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer Zuchthausstrafe von 3 1/2 Jahren.
Auf Berufung des Verurteilten bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 18. Juni 2007 den erstinstanzlichen Entscheid.
B.
O.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und es sei eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten auszusprechen. Der unbedingt zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe sei auf 6 Monate festzulegen, wobei die bereits erstandene Haft an den unbedingten Teil der auszufällenden Strafe anzurechnen sei. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Strafzumessung. Die Vorinstanz hat diese in Anwendung von Art. 2 Abs. 2 StGB nach altem Recht vorgenommen, da eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Jahren ausser Betracht falle, weshalb das neue Recht nicht milder sei. Das wird vom Beschwerdeführer nicht angefochten. Da er jedoch verlangt, die Strafe sei auf drei Jahre zu reduzieren und es sei ihm der teilbedingte Vollzug zu gewähren, ist diese Frage (auch) nach dem neuen, in dieser Hinsicht milderen Recht zu beurteilen.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der Strafzumessung sei nach altem Recht die Grenze von 18 Monaten für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs zu berücksichtigen gewesen, wenn eine Freiheitsstrafe von nicht erheblich längerer Dauer in Betracht fiel und die Voraussetzungen des bedingten Strafvollzugs erfüllt waren. Analoges müsse nach neuem Recht für die Grenze der teilbedingten Strafe (36 Monate) gelten. Der Beschwerdeführer sei zu einer Strafe verurteilt worden, die um 6 Monate über dieser Grenze liege. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz liege damit keine erhebliche Überschreitung vor. Deshalb hätte sie - weil dem Beschwerdeführer zudem eine günstige Prognose gestellt werden könne - auf eine Freiheitsstrafe von 36 Monaten erkennen müssen, um den teilbedingten Vollzug zu ermöglichen.
2.1.1 Nach der Praxis des Bundesgerichts zum alten Recht war die Grenze von 18 Monaten für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB) bei der Strafzumessung mit zu berücksichtigen, wenn eine Freiheitsstrafe von nicht erheblich längerer Dauer in Betracht fiel und die Voraussetzungen des bedingten Vollzugs im Übrigen erfüllt waren (BGE 127 IV 97 E. 3 S. 101; 118 IV 337 E. 2c S. 339 ff.). Der Richter hat sich nach dieser Rechtsprechung mit der Frage auseinander zu setzen, ob angesichts der persönlichen Verhältnisse des Schuldigen der Vollzug einer Freiheitsstrafe nicht dem Zweck der Verbrechensverhütung zuwiderlaufe. Bejaht er dies - etwa weil sich der Täter im Urteilszeitpunkt in einer gefestigten beruflichen Stellung befindet und in günstigen familiären Verhältnissen lebt und durch den Strafvollzug aus diesem günstigen Umfeld oder einer vorteilhaften Entwicklung herausgerissen würde und damit entsozialisiert werden könnte -, hat er diesem Umstand gemäss Art. 63 aStGB unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Verhältnisse strafmindernd Rechnung zu tragen (BGE 118 IV 337 E. 2c S. 340 f. mit Hinweis). Im Nachgang zu diesem Grundsatzentscheid präzisierte das Bundesgericht, es könne dabei allerdings nur um Fälle von Freiheitsstrafen bis zu 21 Monaten gehen (BGE 127 IV 97 E. 3 S. 101, mit Hinweisen; Urteil 6S.262/2003 vom 19. Oktober 2003, E. 5.3). Damit wurde die gesetzliche Grenze für den bedingten Strafvollzug in bestimmten Fällen im Ergebnis überschritten. Schon früher war jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen worden, es sei Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Möglichkeit des bedingten Strafvollzugs auch für längere Freiheitsstrafen vorsehen will (BGE 118 IV 337 E. 2c S. 341).
2.1.2 Diese Möglichkeit besteht nach dem neuen Recht. Nunmehr können Freiheitsstrafen von 6 bis zu 24 Monaten bedingt sowie Freiheitsstrafen von 12 bis zu 36 Monaten teilbedingt ausgesprochen werden (Art. 42 und 43 StGB). Bedingte Strafen können mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB). Damit wird das System des bedingten Strafvollzugs flexibler und verliert der Grenzwert für den bedingten Vollzug teilweise seine frühere einschneidende Bedeutung, welche der Rechtsprechung zum alten Recht bei Strafen von nicht erheblich mehr als 18 Monaten zu Grunde lag (siehe dazu bereits Urteil 6S.262/2003 vom 19. Oktober 2003, E. 5.3). Ziel der Revision war, mit teilbedingten Strafen im Sinne von Art. 43 StGB sowie mit der Strafenkombination nach Art. 42 Abs. 4 StGB die Sanktion in erhöhtem Masse zu individualisieren und den Strafvollzug zu entlasten, namentlich dort, wo früher eine unbedingte Freiheitsstrafe verhängt werden musste. Das gilt ohne Einschränkungen für zwei Jahre übersteigende Freiheitsstrafen, wobei die Möglichkeit zur Individualisierung durch die Obergrenze des bedingten Strafvollzugs (Art. 42 Abs. 1 StGB) beziehungsweise die Verschuldensklausel (Art. 43 Abs. 1 StGB) begrenzt wird. Solche Freiheitsstrafen müssen zum Schuldausgleich teilweise vollstreckt werden, selbst wenn ihr vollständiger Aufschub unter spezialpräventiven Gesichtspunkten vorzuziehen wäre (zur Publikation bestimmte Urteile 6B_103/2007 vom 12. November 2007, E. 5.4.3, 6B_43/2007 vom 12. November 2007, E. 4.4.3; Urteil 6B_214/2007 vom 13. November 2007 E. 5.10.3). Bei Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren kommt nur der vollständige Vollzug in Frage. Auch die relativ flexible Regelung im neuen Sanktionensystem sieht somit notwendigerweise objektive und starre Grenzen vor. Der Gesetzgeber hat diese - teils nach eingehendem politischen Ringen - neu festgesetzt in der offenkundigen Meinung, dass damit der Bereich des Vorranges spezialpräventiver Gesichtspunkte klar umschrieben wird. Es bleibt kein Raum, diese Grenzen auf dem Weg der Gesetzesauslegung wieder zu relativieren und entgegen dem klaren Wortlaut einen erweiterten Grenzbereich offen zu halten, um besonderen Anliegen eines Täters entgegenzukommen.
2.1.3 Damit wird nicht ausgeschlossen, die Folgen einer unbedingten Freiheitsstrafe in die Würdigung mit einzubeziehen. Dies hat im normalen Rahmen der Strafzumessung zu erfolgen. Art. 47 Abs. 1 StGB verlangt, bei der Festlegung der Strafe deren Wirkung auf das Leben des Täters zu berücksichtigen. Dass der Verurteilte durch die Verbüssung einer Freiheitsstrafe aus einem günstigen Umfeld herausgerissen wird, kann sich deshalb im einzelnen Fall nach wie vor strafmindernd auswirken und zur Folge haben, dass die auszufällende Strafe unter der schuldangemessenen Strafe liegt. Ob und wie weit dieser Strafminderungsgrund zum Tragen kommt, hängt von den konkreten Umständen ab und ist an sich unabhängig von der Höhe der Strafe.
2.1.4 Losgelöst davon hat der Richter bei der Strafzumessung angesichts der einschneidenden Konsequenzen des unbedingten Vollzugs den Umstand mit zu berücksichtigen, dass die subjektiven Voraussetzungen des Strafaufschubs im Sinne einer günstigen beziehungsweise nicht ungünstigen Prognose im konkreten Einzelfall an sich erfüllt sind. Diese folgenorientierte Überlegung kann durchaus in die Strafzumessung einfliessen, bei welcher dem Richter ein weites Ermessen zusteht. Liegt die ins Auge gefasste Sanktion in einem Bereich, der die Grenze für den bedingten Vollzug (24 Monate) beziehungsweise für den teilbedingten Vollzug (36 Monate) - wie übrigens auch für die Halbgefangenschaft nach Art. 77b StGB (1 Jahr) - mit umfasst, so hat sich der Richter die Frage zu stellen, ob eine Strafe, welche die Grenze nicht überschreitet, noch vertretbar ist. Bejaht er sie, hat er diese Strafe zu verhängen. Andernfalls ist es ihm unbenommen, auch eine nur unwesentlich über dem Grenzwert liegende - angemessene und begründbare - Strafe auszufällen. Mit der Festlegung einer Obergrenze hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass der Täter, gegen welchen eine Strafe jenseits dieses Grenzbereichs auszusprechen ist, die nachteiligen Auswirkungen des Strafvollzugs auf sich zu nehmen hat. Dies gilt für den Täter, dessen Strafe nur knapp über der gesetzlichen Obergrenze liegt, genauso wie für denjenigen, welcher eine klar darüber hinausgehende, langjährige Freiheitsstrafe zu verbüssen hat. Die Praxis zum alten Recht hat teilweise dazu verleitet, eine Freiheitsstrafe von 22 oder gar 24 Monaten zu verhängen, obwohl eine kürzere, aber über 18 Monate liegende Strafe auch angemessen gewesen wäre. Dass dies nicht im Interesse des Täters lag, bedarf keiner weiteren Begründung. Erforderlich ist eine Strafzumessung, die alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, wobei der Richter sein pflichtgemässes Ermessen auszuüben und gleichzeitig die klaren gesetzlichen Schranken zu beachten hat.
2.1.5 Zusammenfassend ist deshalb festzuhalten, dass die in BGE 118 IV 337 begründete Praxis nicht ins neue Recht übernommen werden kann. Führt die Strafzumessung unter Würdigung aller wesentlichen Umstände zu einer Freiheitsstrafe, welche im Bereich eines Grenzwertes liegt, hat sich der Richter zu fragen, ob - zugunsten des Beschuldigten - eine Sanktion, welche die Grenze nicht überschreitet, noch innerhalb des Ermessensspielraumes liegt. Bejaht er die Frage, hat er die Strafe in dieser Höhe festzulegen. Verneint er sie, ist es zulässig, auch eine nur unwesentlich über der Grenze liegende Freiheitsstrafe auszufällen. In jedem Fall hat der Richter diesen Entscheid im Urteil ausdrücklich zu begründen, andernfalls er seiner Begründungspflicht nach Art. 50 StGB nicht nachkommt (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil 6B_131/2007 vom 22. November 2007, E. 3.2 - 3.6).
2.2 Die Vorinstanz führt in ihrem Urteil aus, die vom Bezirksgericht ausgefällte Strafe von 3 1/2 Jahren Zuchthaus erscheine als eher milde. Anderseits gehe es nicht an, den Schwellenbereich, wie er der bisherigen Rechtsprechung zu Grunde liegt, bei längeren Freiheitsstrafen einfach prozentual zu erhöhen. Ein solcher Grenzbereich könnte auch bei der Grenze teilbedingte/unbedingte Freiheitsstrafe nur im Umfang von wenigen Monaten angenommen werden. Eine Reduktion der Strafe um ein halbes Jahr falle ausser Betracht.
Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Die Vorinstanz hat sich zumindest sinngemäss an die neuen Vorgaben der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gehalten und ausreichend dargelegt, dass eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren, welche den teilbedingten Vollzug ermöglichen würde, nicht mehr angemessen ist.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. Januar 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Schneider Borner