Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_7/2008/ble
Urteil vom 29. Januar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
X.________, vormals Y.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokatin Verena Gessler,
gegen
Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Bereich Bevölkerungsdienste und Migration als kantonale Fremdenpolizei, Spiegelgasse 6-12, 4001 Basel.
Gegenstand
Verlängerung der Durchsetzungshaft,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 30. November 2007.
Erwägungen:
1.
1.1 Der aus Nigeria stammende X.________ (geb. 1984) reiste im Februar 2007 illegal und trotz gegen ihn verhängter Einreisesperre in die Schweiz ein. Das Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt wies ihn am 6. Februar 2007 formlos weg und nahm ihn in Ausschaffungshaft. Diese wurde in der Folge zwei Mal verlängert, zuletzt bis zum 3. November 2007. Das Bundesgericht wies die von X.________ gegen beide Haftverlängerungsentscheide erhobenen Beschwerden jeweils ab (Urteile 2C_249/2007 vom 3. Juli 2007 und 2C_424/2007 vom 4. September 2007).
1.2 Am 18. Oktober 2007 ordnete das kantonale Sicherheitsdepartement die Durchsetzungshaft gegen X.________ an, die der Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht am Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt (im Folgenden: Haftrichter) bis zum 2. Dezember 2007 genehmigte. Am 15. November 2007 verfügte das Sicherheitsdepartement die Verlängerung der Durchsetzungshaft um zwei Monate bis zum 1. Februar 2008. Am 30. November 2007 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Haftrichter statt, welcher die Haftverlängerung mit Urteil vom gleichen Tage bestätigte.
1.3 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 29. Dezember 2007 (Postaufgabe 31. Dezember 2007) beantragt X.________ die Aufhebung des Urteils des Haftrichters vom 30. November 2007, seine Haftentlassung sowie eine Entschädigung für zu Unrecht erlittene Haft. Zudem wird beantragt, "dem Beschwerdeführer sei für das erstinstanzliche Verfahren ein Honorar für 10,91 Stunden plus Spesen (Fr. 53.15) zu entrichten, gemäss Honorarnote vom 29.11.07 (bei den Akten), abzüglich der erfolgten Überweisung von 720.- plus MWSt."
1.4 Mit Verfügung vom 7. Januar 2008 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts das gleichzeitig mit Beschwerdeerhebung gestellte Gesuch um sofortige, provisorische Haftentlassung abgewiesen.
1.5 Der Haftrichter stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das kantonale Sicherheitsdepartement hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, während sich das Bundesamt für Migration nicht hat vernehmen lassen. X.________ hat sich innert angesetzter Frist nicht mehr geäussert.
2.
Die Bestimmungen über die Durchsetzungshaft im Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) gemäss der Gesetzesänderung vom 16. Dezember 2005 (AS 2006 S. 4745 und 4767) decken sich inhaltlich mit jenen im Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), welches am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist und das ANAG abgelöst hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, welches Recht im vorliegenden Verfahren zur Anwendung kommt (vgl. Urteil 2C_2/2008 vom 9. Januar 2008, E. 2.1).
3.
Hat ein Ausländer seine Pflicht zur Ausreise aus der Schweiz innerhalb der ihm angesetzten Frist nicht erfüllt und kann die rechtskräftige Weg- oder Ausweisung wegen seines persönlichen Verhaltens nicht vollzogen werden, so darf er, um der Ausreisepflicht Nachachtung zu verschaffen, in Durchsetzungshaft genommen werden, sofern die Anordnung der Ausschaffungshaft nicht zulässig ist oder keine andere, mildere Massnahme zum Ziel führt (Art. 13g Abs. 1 ANAG bzw. Art. 78 Abs. 1 AuG). Die Durchsetzungshaft ist erstmals für einen Monat möglich. Sie kann hernach mit der Zustimmung der zuständigen kantonalen richterlichen Behörde - bis zu einer Maximaldauer von 18 Monaten - jeweils um zwei Monate verlängert werden (Art. 13g Abs. 2 ANAG bzw. Art. 78 Abs. 2 AuG). Die Vorbereitungs-, Ausschaffungs- und Durchsetzungshaft dürfen zusammen die Höchstdauer von 24 Monaten nicht überschreiten (Art. 13h ANAG bzw. Art. 79 AuG).
Zweck der Durchsetzungshaft ist es, die ausreisepflichtige Person in jenen Fällen zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, in denen nach Ablauf der Ausreisefrist der Vollzug der rechtskräftig gegen sie angeordneten Weg- oder Ausweisung - trotz der behördlichen Bemühungen - ohne ihre Kooperation nicht möglich erscheint. Wie alle staatlichen Massnahmen hat sie dem Verhältnismässigkeitsprinzip zu entsprechen. Sie soll das letzte Mittel darstellen, wenn und soweit keine andere Zwangsmassnahme mehr zum Ziel führt, den illegal anwesenden Ausländer - auch gegen seinen Willen - in seine Heimat verbringen zu können (BGE 133 II 97 E. 2.2 S. 99 f.).
4.
4.1 Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig verpflichtet, die Schweiz zu verlassen. Daran ändert das im April 2007 gestellte, offenbar noch pendente Gesuch um Aufenthaltsbewilligung nichts, zumal die Zulassungsvoraussetzungen nicht offensichtlich erfüllt sind (vgl. Art. 17 AuG). Selbst wenn auf die am 1. Januar 2008 aufgehobene Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG (ANAV; AS 1949 I 228) abgestellt würde (vgl. die Übergangsbestimmungen in Art. 126 AuG), kann sich der Beschwerdeführer auch nicht auf das Bleiberecht nach Art. 1 ANAV berufen, da er in Missachtung einer Einreisesperre und damit nicht rechtmässig in die Schweiz eingereist ist. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im Herbst 2007 die Aufhebung der Wegweisung vom 6. Februar 2007 beantragt hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Bisher haben die zuständigen Stellen diesem Antrag nicht stattgegeben. Im vorliegenden Haftverfahren ist darüber kein Entscheid zu treffen (vgl. zur Ausschaffungshaft: BGE 130 II 56 E. 2 S. 58; 128 II 193 E. 2.2 S. 197 ff.; zur Durchsetzungshaft: Urteil 2C_83/2007 vom 24. April 2007, E. 2.3.2). Auch das noch laufende Verfahren zur Regelung des persönlichen Verkehrs des Beschwerdeführers mit seiner Tochter Z.________ (geb. 2005) stellt die Verbindlichkeit der angeordneten Wegweisung nicht in Frage.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die UNO-Kinderrechtekonvention (KRK; SR 0.107) und auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 11. Juli 2000 i.S. Ciliz gegen die Niederlande (Recueil CourEDH 2000-VIII S. 291) ist unbehelflich. Die dort wiedergegebenen Prinzipien spielen bei noch zu fällenden Entscheiden der zuständigen Stellen über das Besuchsrecht, die Einreisesperre, die allfällige Erteilung von Einreisevisen und die Gewährung des Aufenthalts wohl eine Rolle; über diese Punkte ist hier jedoch nicht zu befinden. Der EGMR beurteilte im zitierten Entscheid zudem nicht eine Haft, die zur Durchsetzung einer Wegweisung angeordnet worden war. Vielmehr ging es dort um die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung eines sich zunächst rechtmässig im Inland aufhaltenden Kindsvaters; im Gegensatz dazu ist der Beschwerdeführer illegal mit fremden Reisepapieren in die Schweiz eingereist. Den niederländischen Behörden war ausserdem vorgeworfen worden, dass sie dem Ausländer nach erfolgter Ausschaffung durch Verweigerung eines Visums nicht mehr ermöglicht hatten, persönlich am Verfahren zur Regelung des Besuchsrechts und an vom Familiengericht zu Evaluationszwecken angeordneten Treffen mit dem Kind ("rencontres-tests") teilzunehmen. Um die Ausübung eines solchen Rechts geht es hier nicht. Davon abgesehen hat der EGMR im erwähnten Urteil nicht grundsätzlich beanstandet, dass ein Ausländer das Verfahren zur Regelung des Besuchsrechts bezüglich eines Kindes von der Heimat aus betreiben muss, solange ihm die dabei nötigen Einreisen nicht verwehrt werden.
4.2 Der Beschwerdeführer will nicht freiwillig ohne seine Tochter, die unter die alleinige Obhut der in der Schweiz lebenden Mutter gestellt ist, ausreisen. Obwohl er über Reisedokumente verfügt bzw. er sie sich problemlos beschaffen könnte, legt er diese den zuständigen Ausländerbehörden nicht vor. Die nigerianische Botschaft weigert sich trotz mehrfacher Anfragen, Ersatzreisepapiere auszustellen bzw. die unfreiwillige Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat zu ermöglichen. Daher lässt sich der zwangsweise Vollzug der Wegweisung in absehbarer Zeit nicht realisieren, weshalb die Ausschaffungshaft zurzeit nicht zulässig ist (vgl. BGE 130 II 56 E. 4.2.3 S. 62 f.). Nachdem die Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimat bis auf weiteres allein von seinem Verhalten abhängt, kommt nur die Durchsetzungshaft in Betracht. Diese Massnahme erscheint geeignet, um dessen erforderliche Kooperation bei der Papierbeschaffung und Ausreise zu erreichen. Andere, mildere Mittel kommen angesichts seiner Weigerungshaltung nicht in Betracht. Daher ist die Anordnung bzw. Verlängerung der Durchsetzungshaft verhältnismässig. Der Beschwerdeführer hat es in der Hand, diese Haft zu beenden oder zu verkürzen, indem er am Vollzug der Wegweisung mitwirkt.
4.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, die "verantwortlichen polizeilichen Behörden" hätten willkürlich sowie gegen Treu und Glauben gehandelt. Ihm sei für den Fall, dass er an einer Besprechung zum Besuchsrecht und zu ersten Kontakten mit seinem Kind nach Beendigung der Haft teilnimmt, die Freilassung in Aussicht gestellt worden. Obwohl er insoweit kooperiert habe, sei die Haft dann doch verlängert worden.
Diese Rüge ist unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, was der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die angeblich in Aussicht gestellte Haftentlassung für nachteilige Dispositionen getroffen hat, die nicht rückgängig gemacht werden können (vgl. allgemein zu Art 9 BV und den Zusicherungen: BGE 129 I 161 E. 4.1). Die erwähnte Besprechung fand ohnehin auch in seinem Interesse statt, da er eine Regelung des Besuchsrechts wünscht. Im Übrigen ergibt sich weder aus der Beschwerde noch aus den Akten, wer genau die Zusicherung abgegeben haben soll. Das Schreiben des an der Besprechung teilnehmenden Ombudsmannes vom 20. November 2007 deutete nur an, dass es möglicherweise zu einer Haftentlassung kommen könnte, diese jedoch noch nicht feststand.
4.4 Nach dem Gesagten erweist sich die Verlängerung der Durchsetzungshaft als rechtmässig.
5.
Damit ist auch der Antrag auf Ausrichtung einer Entschädigung wegen zu Unrecht erlittener Haft unbegründet. Wie das Bundesgericht dem Beschwerdeführer zudem bereits mit Urteil vom 3. Juli 2007 (2C_249/ 2007) erklärt hat, hätte er einen derartigen Antrag zunächst an die zuständigen kantonalen Behörden richten müssen.
6.
In der Eingabe wird schliesslich gerügt, dem Beschwerdeführer sei im Verfahren vor dem Haftrichter die unentgeltliche Rechtspflege zwar gewährt worden, doch habe dieser die Kostennote der beigeordneten Rechtsvertreterin "zusammengestutzt".
X.________ ist zur Geltendmachung dieser Rüge nicht berechtigt (Art. 89 BGG). Nach der Rechtsprechung kann eine von einem kantonalen Gericht im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege festgesetzte Entschädigung nur vom beigeordneten Rechtsvertreter in eigenem Namen beim Bundesgericht angefochten werden, während die verbeiständete Person dazu grundsätzlich nicht selber legitimiert ist (BGE 110 V 360 E. 2 S. 363; Urteile 5A.8/2005 vom 15. September 2005 E. 6.1; M 2/06 vom 17. September 2007, E. 5.3). Letzterer fehlt ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG an der Erhöhung der Entschädigung ihres Anwalts, zumal dieser ihr neben dem vom Staat bezahlten Honorar für die gleiche Angelegenheit nicht zusätzlich Rechnung stellen darf (vgl. BGE 122 I 322 E. 3b S. 325 f.). Nach dem Gesagten hätte die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wegen der Höhe der Entschädigung in eigenem Namen Beschwerde führen müssen, was sie hier nicht getan hat.
Hiervon unabhängig wäre die Rüge auch nicht hinreichend begründet: Die Bemessung der Entschädigung richtet sich nach kantonalem Recht. Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft solche Rügen nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden sind. Soll zudem die unrichtige Feststellung des Sachverhalts gerügt werden, ist darzulegen, dass diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung beruht (Art. 42 Abs. 2, Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG ; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 und 1.4.3 S. 254 f.). Vorliegend wird in der Beschwerdeschrift nicht gesagt, welche Normen verletzt sein sollen. Ebenso wenig wird auf die Einwände des Haftrichters (z.B. dass auch Bemühungen aus anderen Verfahren abgerechnet worden seien) eingegangen. Der bloss pauschale Hinweis auf die der Vorinstanz vorgelegte Honorarnote sowie die Bemerkung, die Beschwerde an das Bundesgericht zeige, dass der Aufwand "berechtigt und angemessen" sei, genügen nicht. Nachdem die Haftrichterverhandlung etwas weniger als zwei Stunden dauerte, oblag es der Anwältin, den Anfall der von ihr abgerechneten knapp elf Stunden näher zu erläutern. Im Übrigen legt sie auch nicht dar, warum mit Blick auf BGE 132 I 201 E. 8 S. 213 ff. ein Stundentarif von über Fr. 180.-- gerechtfertigt sein soll.
7.
Da sich die Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist, ist sie im vereinfachten Verfahren abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Für alles weitere kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Art. 109 BGG). Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer an sich die Verfahrenskosten zu tragen. Mit Blick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse wird aber auf die Erhebung von Kosten verzichtet (Art. 66 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird damit gegenstandslos, während dasjenige um Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens abzuweisen ist (Art. 64 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt (Bereich Bevölkerungsdienste und Migration), dem Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichter für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 29. Januar 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Merkli Merz