Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_550/2007/ble
Urteil vom 25. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichterin Yersin, Bundesrichter Karlen,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Steueramt des Kantons Solothurn,
Gegenstand
Bundes- und Staatssteuer 2001, Art. 29 Abs. 1 BV (überspitzter Formalismus bei der Steuerveranlagung),
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 13. August 2007.
Sachverhalt:
A.
X.________ führt in R.________ eine Psychiatriepraxis. Da er diese an einem 1. April eröffnete, wählte er in seiner Buchhaltung als Geschäftsjahr den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. März. Er erstellte letztmals per 31. März 2000 einen Geschäftsabschluss für eine solche Zeitperiode. Darauf entschloss er sich, seiner Buchhaltung das Kalenderjahr zugrundezulegen. Die Umstellung erfolgte durch Einschaltung eines Langjahres von 21 Monaten, das vom 1. April 2000 bis zum 31. Dezember 2001 dauerte.
Der Kanton Solothurn stellte am 1. Januar 2001 sein Steuersystem von der Vergangenheits- auf die einjährige Gegenwartsbemessung um. X.________ und seine Ehefrau deklarierten für das Steuerjahr 2001 als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit zunächst den Betrag von Fr. **.--, d.h. 12/21 des von ihrem Treuhänder zunächst ermittelten Ergebnisses des Geschäftsabschlusses des erwähnten Langjahres über Fr. **.--. Die Veranlagungsbehörde akzeptierte die Umrechnung auf zwölf Monate nicht und lehnte zudem den Abzug einiger Positionen ab. Sie veranlagte für die Einkommenssteuer in der Steuerperiode 2001 das gesamte, während der 21 Monate von X.________ in seiner Praxis erzielte Einkommen mit einem Betrag von Fr. **.--. Die von den Eheleuten X.________ dagegen erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg.
B.
Mit Eingabe vom 5. Oktober 2007 erhebt X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das zuletzt in dieser Sache ergangene Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 13. August 2007. Er beantragt sinngemäss, diesen Entscheid aufzuheben und als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit für die Steuerperiode 2001 lediglich 12/21 des Geschäftsergebnisses des Langjahres einzusetzen oder das Einkommen aufgrund eines nur für das Kalenderjahr 2001 zu erstellenden Geschäftsabschlusses neu zu bestimmen. Er macht überspitzten Formalismus und eine Verletzung des Grundsatzes der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geltend.
C.
Das Kantonale Steuergericht und die Steuerverwaltung des Kantons Solothurn stellen den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Eidgenössische Steuerverwaltung ersucht um Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
Das Kantonale Steuergericht hat hier nur ein Urteil erlassen, obwohl es an sich um zwei Entscheide geht: Zum einen über die Veranlagung zur direkten Bundessteuer, zum anderen über die Veranlagung zu den Kantons- und Gemeindesteuern. Das müssen die Vorinstanzen ebenso wie der Beschwerdeführer klar auseinanderhalten, auch wenn es zulässig ist, beide Entscheide in einem Urteil zu behandeln, und der Steuerpflichtige sie mit einer einzigen Rechtsschrift beim Bundesgericht anfechten kann (vgl. BGE 130 II 509 E. 8.3 S. 511). Nach dieser Unterscheidung richten sich auch die folgenden Erwägungen.
I. Direkte Bundessteuer
2.
Die Vorinstanz geht von der Regel aus, dass als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit das Ergebnis des in der Steuerperiode abgeschlossenen Geschäftsjahrs gilt. Sie stützt sich dabei auf Art. 210 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11). Das Einkommen des Beschwerdeführers aus seiner Psychiatriepraxis für das Jahr 2001 bestimmt sich aufgrund dieser Vorschrift nach dem Ergebnis des von ihm in diesem Jahr erstellten Geschäftsabschlusses.
Weiter erklärt die Vorinstanz, dass nach Art. 3 der Verordnung vom 16. September 1992 über die zeitliche Bemessung der direkten Bundessteuer bei natürlichen Personen (SR 642.117.1) der Geschäftsabschluss auch dann massgebend sei, wenn das Geschäftsjahr wegen neuer Festlegung der Buchhaltungsperiode mehr als zwölf Monate umfasse. Sie lehnte deshalb eine Umrechnung des vom 1. April 2000 bis zum 31. Dezember 2001 erzielten Ergebnisses auf zwölf Monate ab.
Diese Bestimmungen als solche haben die Vorinstanzen zutreffend angewendet. Der Beschwerdeführer wendet sich vor Bundesgericht denn auch nicht mehr gegen die entsprechende Gesetzesauslegung und -anwendung.
3.
Der Beschwerdeführer rügt jedoch, die Haltung der kantonalen Steuerbehörden laufe in seinem Fall auf einen überspitzten und damit verfassungswidrigen Formalismus hinaus. Zur Begründung erklärt er, sein Treuhänder habe irrtümlicherweise einen Abschluss über 21 Monate eingereicht. Die kantonalen Steuerbehörden schätzten ihn aufgrund dieses Geschäftsabschlusses ein, anstatt ihm die Gelegenheit zu geben, einen neuen Abschluss über zwölf Monate einzureichen. Das sei für ihn ein unerträglicher Formalismus, da er dazu führe, dass er als Familienvater für das Jahr 2001 so hohe Steuern bezahlen müsse, dass sie fast sein ganzes in diesem Jahr erzieltes Einkommen aufzehrten.
Die Vorinstanz verweist im angefochtenen Entscheid auf die Vernehmlassung der kantonalen Steuerverwaltung, wonach sich die Umstellung der Buchhaltung auf das Kalenderjahr ohne die unerwünschten steuerlichen Folgen hätte durchführen lassen. Der Beschwerdeführer hätte einen zusätzlichen Geschäftsabschluss per 31. Dezember 2000 erstellen können (mit "separater Besteuerung von allfällig ausserordentlichem Einkommen"), so dass für die Steuerperiode 2001 nur das zwölf Monate zählende Geschäftsjahr 2001 massgebend gewesen wäre.
Der Treuhänder des Beschwerdeführers ist nach seinen eigenen Angaben nicht so vorgegangen, weil nach der Veranlagungspraxis im Kanton Solothurn vor der Umstellung auf die Gegenwartsbemessung für die Abschlüsse stets eine Minimaldauer von zwölf Monaten verlangt worden sei. Zudem habe er angenommen, dass die Einkünfte aus dem Jahr 2000 in die Bemessungslücke fielen und daher nicht zur Besteuerung herangezogen werden dürften; insoweit beruft er sich auf eine Aussage in einem Beiblatt der Steuerbehörden zur Steuererklärung 2001A, in welchem es heisst, "die Einkünfte des Jahres 2000 dienen nie zur Steuerbemessung".
4.
Der Beschwerdeführer, der sich vor den kantonalen Instanzen durch seinen Treuhänder vertreten liess, verlangte zwar jeweils, als Einkommen aus seiner Psychiatriepraxis nur 12/21 des im Langjahr erzielten Geschäftsergebnisses zu berücksichtigen. Dieser Antrag wurde - wie erwähnt (E. 2 hievor) - zu Recht abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat sich indes in persönlichen, als Beilage zur Einsprache bzw. zum Rekurs bezeichneten Schreiben vom 24. April und 5. Mai 2003 jeweils rechtzeitig an die Vorinstanzen gewandt. Darin hat er für den Fall, dass eine Umrechnung des Geschäftsergebnisses auf zwölf Monate nicht in Frage komme, darum ersucht, getrennte Abschlüsse für die Jahre 2000 und 2001 einreichen zu können, um die unerwartete Mehrbelastung aufgrund des Abschlusses für ein Langjahr zu vermeiden. Die Vorinstanz geht auf dieses Verlangen des Beschwerdeführers nicht ein. Sie behandelt allein den vom Treuhänder ausdrücklich gestellten Antrag und führt im Übrigen aus, das Steuerjustizverfahren diene nicht dazu, falsche Vorstellungen über die Veranlagungspraxis oder verpasste Möglichkeiten zur Steueroptimierung nachträglich durch den Richter zu korrigieren.
Es fragt sich, ob diese Haltung überspitzt formalistisch ist, wie dies der Beschwerdeführer sinngemäss geltend macht.
5.
5.1 Nach Art. 140 Abs. 2 Satz 1 DBG muss der Steuerpflichtige in einer beim Kantonalen Steuergericht erhobenen Beschwerde Begehren stellen, die sie begründenden Tatsachen und Beweismittel angeben sowie Beweisurkunden beilegen oder genau bezeichnen. Es ist zwar nicht zu beanstanden, dass sich die Vorinstanz in erster Linie an die Anträge hält, die in den Rechtsschriften ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Die Eingabe des Treuhänders, der den Beschwerdeführer vertreten hat, enthält den Antrag, als Einkommen aus der Psychiatriepraxis für das Jahr 2001 nur 12/21 des Geschäftsabschlusses des Langjahres zu berücksichtigen.
5.2 Allerdings ergibt sich aus der Begründung, dass es dem Beschwerdeführer vor allem darum geht, mit Blick auf den Übergang zur Gegenwartsbemessung eine Besteuerung des im Jahre 2000 erzielten Einkommens aus der Psychiatriepraxis im Steuerjahr 2001 zu vermeiden und nicht in erster Linie um die Durchsetzung seines Standpunkts betreffend die Umrechnung des Geschäftsergebnisses auf ein Jahr. Die bereits erwähnten persönlichen Schreiben des Beschwerdeführers unterstreichen dies in aller Deutlichkeit. Er erklärt darin, dass nach seiner Ansicht nur 12/21 des Geschäftsergebnisses zu besteuern seien oder dass ihm die Möglichkeit zu geben sei, nachträglich zwei getrennte Geschäftsabschlüsse für die Jahre 2000 und 2001 einzureichen, um die steuerliche Mehrbelastung zu vermeiden. Der eindringliche Verweis des Beschwerdeführers auf die missliche Situation, in die er hineingeraten ist, lässt keine Zweifel zu, dass es ihm nicht allein darum geht, eine Umrechnung des Geschäftsabschlusses auf zwölf Monate zu erwirken, sondern dass er - auf welchem Weg auch immer - vor allem eine Veranlagung für ein Steuerjahr aufgrund des Geschäftsergebnisses von 21 Monaten vermeiden will. Die Beauftragung eines Vertreters für die Rechtsmittelverfahren führt nicht dazu, dass die persönlichen Eingaben des Beschwerdeführers von vornherein unbeachtlich sind (vgl. BGE 102 Ia 23; 95 II 280; Jean-François Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Bd. I, Bern 1990, S. 162, Art. 29 OG N. 3.1 in fine).
Ausserdem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der streitige Sachverhalt die Zeit des Übergangs von der Vergangenheits- zur Gegenwartsbemessung betrifft. Dieser Wechsel weist besondere Schwierigkeiten für die Steuerpflichtigen auf, namentlich mit Blick auf die Bestimmung bzw. Behandlung des Einkommens, das in die sog. Bemessungslücke fällt.
5.3 Unter diesen Umständen erscheint es im Lichte der Rechtsprechung (BGE 127 I 31 E. 2a/bb S. 34) als überspitzt formalistisch und verletzt es Art. 29 Abs. 1 BV, wenn die Vorinstanz das vom Beschwerdeführer laienhaft ausgedrückte Verlangen, nachträglich getrennte Buchhaltungen für die Jahre 2000 und 2001 einzureichen, nicht als Antrag betrachtet und nicht darauf eintritt. Zudem hätte dem Begehren entsprochen werden müssen, zumal es der Beschwerdeführer schon im Einspracheverfahren vorgebracht hat, in dem weder eine Begründung noch ein formeller Antrag erforderlich sind, soweit - wie hier - nicht eine Ermessensveranlagung zur Diskussion steht (vgl. Art. 132 Abs. 3 DBG e contrario; Botschaft über die Steuerharmonisierung in BBl 1983 III 134 f.). Bereits die Einsprachebehörde hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, eine Umrechnung des Geschäftsergebnisses auf zwölf Monate abzulehnen, sondern hätte dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, getrennte Abschlüsse für die Jahre 2000 und 2001 einzureichen.
5.4 Ob der von der Vorinstanz getroffene Entscheid, das gesamte Geschäftsergebnis von 21 Monaten in einem einzigen Steuerjahr zu veranlagen, den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) verletzt, kann nach dem Gesagten offen bleiben.
II. Staats- und Gemeindesteuern
6.
Der Beschwerdeführer macht betreffend die Staats- und Gemeindesteuern die gleichen Rügen geltend wie bei der direkten Bundessteuer.
6.1 Für die kantonalen und kommunalen Steuern stützt sich die Vorinstanz auf § 75 Abs. 2 des solothurnischen Gesetzes vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern (StG/SO, in der Fassung vom 30. Juni 1999). Danach ist für die Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit das Ergebnis der in der Steuerperiode abgeschlossenen Geschäftsjahre massgebend. Diese Bestimmung entspricht Art. 64 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR 642.14), der mit Art. 210 Abs. 2 DBG wörtlich übereinstimmt.
6.2 Zur Begründung eines an das Kantonale Steuergericht adressierten Rechtsmittels enthält § 160 Abs. 3 Satz 1 StG/SO eine gleich lautende Regelung wie Art. 140 Abs. 2 Satz 1 DBG; zudem heisst es in Art. 50 Abs. 2 Satz 1 StHG, dass der "Rekurs zu begründen" ist. Wie bei der Bundessteuer bedarf es aber auch im Einspracheverfahren bei der Veranlagungsbehörde weder eines Antrags noch einer Begründung durch den Steuerpflichtigen, wenn es nicht um eine Ermessensveranlagung geht (§ 149 Abs. 4 StG/SO und Art. 48 Abs. 2 StHG e contrario; Botschaft über die Steuerharmonisierung in BBl 1983 III 134 f.).
6.3 Daraus ist zu schliessen, dass die vorstehenden Erwägungen zur Bundessteuer (E. 2-5) entsprechend für die Staats- und Gemeindesteuern gelten. Demzufolge hätte die Einsprachebehörde dem Beschwerdeführer auf seine Einsprache hin auch für diese Steuern Gelegenheit geben müssen, getrennte Abschlüsse für die Jahre 2000 und 2001 einzureichen.
III. Entscheid; Kosten- und Entschädigungsregelung
7.
7.1 Die Beschwerde ist nach dem Gesagten gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Angesichts der klaren Rechtslage erscheint es angezeigt, die Sache gestützt auf Art. 107 Abs. 2 BGG direkt an die Veranlagungsbehörde zurückzuweisen, damit sie dem Beschwerdeführer Frist ansetzt, um für die Jahre 2000 und 2001 getrennte Geschäftsabschlüsse vorzulegen.
7.2 Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Kanton Solothurn, der vermögensrechtliche Interessen wahrnimmt, aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Praxisgemäss ist dem nicht anwaltschaftlich vertretenen Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren keine Entschädigung zuzusprechen. Der Entscheid über die Festsetzung einer Parteientschädigung für die vorinstanzlichen Rechtsmittelverfahren, in welchen der Beschwerdeführer durch einen Treuhänder vertreten war, wird dem Kantonalen Steuergericht Solothurn übertragen (Art. 68 Abs. 5 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 13. August 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung im Sinne der Erwägungen an das Steueramt des Kantons Solothurn zurückgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Kanton Solothurn auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Steueramt des Kantons Solothurn, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 25. Februar 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Merkli Merz