BGer 6B_558/2007
 
BGer 6B_558/2007 vom 18.03.2008
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_558/2007 /hum
Urteil vom 18. März 2008
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Boog.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Philipp Kunz,
gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft,
Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 5. April 2007.
Sachverhalt:
A.
Das Bundesstrafgericht erklärte X.________ mit Entscheid vom 5. April 2007 der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 6 und Ziff. 2 BetmG schuldig und verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 3 Monaten, unter Anrechnung von 386 Tagen Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Den Verwertungserlös aus dem Verkauf des beschlagnahmten Sattelmotorfahrzeugs zog es ein und rechnete es an den vom Beurteilten zu tragenden Anteil der Verfahrenskosten an.
B.
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht, mit der er beantragt, er sei von der Anklage der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz freizusprechen. Eventualiter sei die Sache im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
C.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen vom Bundesstrafgericht (Art. 80 Abs. 1 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG). Sie ist von der beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 1 BGG) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhoben worden.
2.
2.1 Die Vorinstanz stellt folgenden Sachverhalt fest:
Am 29. April 2004 entdeckten deutsche Zollbeamte an der deutsch-österreichischen Grenze in Bad Reichenhall bei der Kontrolle eines mazedonischen Sattelmotorfahrzeugs unter der legalen, für einen Abnehmer in Deutschland bestimmten Fracht (Kabelrollen) rund 43 kg Heroingemisch, verpackt in 87 Paketen à ca. 500 g (davon 60 Pakete mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad der Betäubungsmittel von 52,86%, 24 Pakete mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 12,37% und 3 Pakete mit einem durchschnittlichen Reinheitsgrad von 2,3%; Gesamtmenge reinen Heroins 17,18 kg). Der Chauffeur des Fahrzeugs, der nach seinen Angaben über die illegale Ladung nicht im Bilde war, wurde von der deutschen Polizei nach der Sicherstellung der Betäubungsmittel angewiesen, den Lastwagen nach Entladung der legalen Fracht wie ursprünglich vorgesehen, in die Schweiz zu führen. In der Folge wurde jener mehrfach auf seinem Mobiltelefon sowohl von einem Telefonanschluss in Mazedonien als auch von verschiedenen Anschlüssen in der Schweiz aus kontaktiert. Zivile deutsche Polizeifahrzeuge eskortierten das Sattelmotorfahrzeug bis an die Schweizer Grenze, von welcher an die Schweizer Polizei das Fahrzeug observierte. Am Abend des 30. April 2004 fuhr der Chauffeur am Autobahnzollamt Basel in die Schweiz ein und lenkte den Lastwagen, wie ihm von seinen Auftraggebern aufgetragen worden war, auf den Parkplatz der Autobahnraststätte Pratteln-Süd. Dort nahm er mit einem der mutmasslichen Organisatoren des Drogentransports Kontakt auf, der allerdings Verdacht schöpfte und sich entfernte. Im Rahmen einer grossen Aktion im Raum Nordwestschweiz nahm die Polizei in der Folge sechs Personen fest. Die weiteren Ermittlungen erbrachten den Hinweis, dass es sich bei der Person, die sich in Mazedonien mit dem Drogentransport befasst und mit dem Lenker des Lastwagens in Verbindung gestanden hatte, um den Beschwerdeführer handelte. Dieser wurde international zur Verhaftung ausgeschrieben und am 16. März 2006 in Kroatien verhaftet (angefochtenes Urteil S. 7 f., 16).
Dem Beschwerdeführer wird aufgrund dieses Sachverhalts Mittäterschaft am versuchten Import von rund 43 kg Heroingemisch in die Schweiz vorgeworfen. Im Einzelnen nimmt die Vorinstanz an, der Beschwerdeführer sei zusammen mit seinem Cousin, dem Mitangeklagten M.________, in objektiver Weise Auftraggeber und Organisator des Legaltransports nach Deutschland gewesen. Er sei Eigentümer des von M.________ erworbenen Lastwagens und Auftraggeber des Fahrers gewesen. Wirtschaftlich gesehen habe es sich um sein Transportgeschäft gehandelt, für welches er auch das Risiko getragen habe (angefochtenes Urteil S. 21, 23 ff.).
2.2 In rechtlicher Hinsicht gelangt die Vorinstanz zum Schluss, der Beschwerdeführer habe bei der Vorbereitung des illegalen Transports in Mazedonien, der Überwachung der Transportfahrt über Österreich in die Schweiz, bei der Organisation des in der Schweiz geplanten Entladens der Drogen sowie bei der Vermittlung des Kontakts seiner Cousins zu einem der Drogenabnehmer eine wesentliche Rolle gespielt. Er habe sich daher des Anstaltentreffens zur Einfuhr von rund 43 kg Heroingemisch in die Schweiz schuldig gemacht. Der Tatbestand sei allein schon aufgrund des mengenmässig schweren Falles erfüllt (angefochtenes Urteil S. 27 f.).
3.
Der Beschwerdeführer rügt zur Hauptsache eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts. Darüberhinaus macht er eine Verletzung der Begründungspflicht geltend.
3.1 Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz haben die Angeklagten N.________, M.________ und sein Bruder O.________ am Abend des 30. April 2004 den Lastwagen in der Schweiz erwartet. Weiter hat der Beschwerdeführer sich von Mazedonien aus mehrfach über die Route, den jeweiligen Standort und die Grenzüberquerung in Basel erkundigt bzw. ist hierüber von anderen Personen informiert worden und hat den Mitangeklagten Anweisungen erteilt (angefochtenes Urteil S. 17 mit Hinweisen auf die Akten). Nach Auffassung der Vorinstanz haben an jenem Abend sämtliche Angeklagten untereinander und mit dem Chauffeur des Lastwagens in intensivem telefonischen Kontakt gestanden und sich jeweils, teils in verschlüsselter Sprache, über den Stand der Dinge informiert (angefochtenes Urteil S. 15).
Die Vorinstanz stützt sich für dieses Beweisergebnis u.a. auf die Protokolle der aufgezeichneten Telefongespräche und SMS. Sie nimmt an, der Beschwerdeführer werde durch die Abhörprotokolle, sowohl was deren Inhalt wie auch was die Intensität der Kontakte anbelange, schwer belastet. Diese Mitteilungen seien nur verständlich, wenn unterstellt werde, dass der Beschwerdeführer gewusst habe, worum es ging. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass der Beschwerdeführer den Transport aus der Ferne derart intensiv überwacht hätte, wenn es sich lediglich um einen leeren, in die Schweiz zu überführenden Lastwagen gehandelt hätte (angefochtenes Urteil S. 17, 25).
Im Weiteren nimmt die Vorinstanz an, es sei in höchsten Masse unwahrscheinlich, dass dem Beschwerdeführer die Drogen von einem Dritten unterschoben worden sein könnten. Es wäre in diesem Fall nicht erklärbar, weshalb M.________ und der Mitangeklagte O.________ in die Schweiz gereist sein sollten, um den Lastwagen an dessen Bestimmungsort zu erwarten. Der Mitangeklagte O.________ habe glaubhaft bekundet, dass er im Auftrag des Beschwerdeführers in die Schweiz gereist sei, um beim Empfang des Lastwagens eine Rolle zu spielen. Ausserdem habe O.________ den Beschwerdeführer in schwerer Weise belastet. Nach seinen Aussagen habe dieser die wahre Natur des Transports gekannt und sei dessen eigentlicher Organisator gewesen. Zwar seien die von O.________ im Laufe des Verfahrens gemachten Aussagen nicht konstant gewesen. Es spreche jedoch alles dafür, dass seine belastenden Angaben zuträfen. Einerseits sei seine ursprünglich behauptete alleinige Verantwortlichkeit für das Drogengeschäft ebenso unwahrscheinlich wie die Erklärung, dass ein Unbekannter das Heroin ohne Wissen der Angeklagten geladen habe. Andererseits sei sein ihn selbst und den Beschwerdeführer belastendes Geständnis glaubhaft und stimme mit den übrigen Tatumständen, namentlich mit der Anwesenheit der Mitangeklagten M.________ und O.________ in Pratteln-Süd und den ständigen telefonischen Kontakten mit dem Beschwerdeführer während der "heissen" Phase des Transports überein. Schliesslich habe O.________ als zusätzliches Indiz angegeben, die Telefonnummer eines der Abnehmer der Drogen, N.________, mit welcher er habe in Kontakt treten müssen, vom Beschwerdeführer erhalten zu haben (angefochtenes Urteil S. 21, 23 ff.).
3.2 Die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz kann nach Art. 97 Abs. 1 BGG nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht. Die Wendung "offensichtlich unrichtig" entspricht dem Begriff der Willkür im Sinne von Art. 9 BV (Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts, mithin der Verletzung des Willkürverbots, prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist.
Aus dem in Art. 29 Abs. 2 BV garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör folgt die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Die Begründung soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheids ein Bild machen können. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt. Sie kann sich vielmehr auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. In diesem Sinne müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (BGE 4A_221/2007 vom 20.11.2007 E. 4.1; 133 I 270 E. 3.1; 133 III 439 E. 3.3 je mit Hinweisen).
3.3 Der Beschwerdeführer wendet sich im Einzelnen gegen die Würdigung der einzelnen Telefonprotokolle bzw. der aufgezeichneten SMS. So macht er namentlich geltend, aus einem von M.________ am 30. April 2004 an "P.________" versandten SMS ergebe sich entgegen der Strafanzeige vom 4. März 2005, dass "P.________" und er (der Beschwerdeführer) sich offensichtlich nicht gekannt hätten (Beschwerde S. 4 ff.).
Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelte es sich bei "P.________" um diejenige Person, bei welcher der Abnehmer N.________ die für ihn bestimmten Drogen bestellt hatte, und die für den Mitangeklagten O.________ Ansprechperson war, soweit der Beschwerdeführer nicht erreichbar war (angefochtenes Urteil S. 24). Das vom Beschwerdeführer angerufene SMS wird von der Vorinstanz in der Urteilsbegründung nicht ausdrücklich erwähnt. Daraus ergibt sich indes entgegen seiner Auffassung keine Verletzung der Begründungspflicht. Denn Anfechtungsobjekt der zu beurteilenden Beschwerde bildet nicht die Strafanzeige, sondern das vorinstanzliche Urteil. Dieses stützt sich neben verschiedenen Indizien weitgehend auf das - wenn auch später widerrufene - Geständnis des Mitangeklagten O.________, welches die Vorinstanz als glaubwürdig erachtet (angefochtenes Urteil S. 24; Untersuchungsakten Bd. 15 act. 13.4.112 ff., 143), wogegen sich der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich wendet. Abgesehen davon führt auch die Strafanzeige des Bundesamtes für Polizei vom 4. März 2005 an, dass die Brüder O.________ und M.________ in den Befragungen erklärt hätten, beim Organisator des Transports habe es sich um ihren "Onkel", womit der Beschwerdeführer gemeint war (angefochtenes Urteil S. 20), gehandelt (Untersuchungsakten, Ordner B1, act. 4 S. 36)
Im Übrigen erscheint der Schluss, den der Beschwerdeführer aus dem fraglichen SMS zieht, keineswegs als zwingend. Denn aus der Strafanzeige ergibt sich, dass der Abonnent des fraglichen Telefonanschlusses, auf welchen das SMS gesendet worden war, eine Drittperson war (Untersuchungsakten Ordner B1, act. 4 S. 35). Daraus liesse sich auch ableiten, dass "P.________" und der Beschwerdeführer sehr wohl miteinander hätten bekannt sein können, jedoch voneinander nicht gewusst hätten, unter welchem Anschluss sie jeweils telefonisch erreichbar waren (Untersuchungsakten, Bd. 1, act. 4 S. 35).
Soweit der Beschwerdeführer die Würdigung der weiteren Telefonprotokolle beanstandet (Beschwerde S. 8 ff.), erschöpft sich seine Beschwerde in einer auch unter der Herrschaft des Bundesgerichtsgesetzes unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil. Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, einzelne aufgezeichnete Gespräche zu seinen Gunsten zu interpretieren und den Nachweis des Sachverhalts zu bestreiten. Die blosse Darlegung der eigenen Sichtweise des Geschehens ist jedoch nicht geeignet, offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt verwirklicht hat. Denn für die Begründung von Willkür genügt praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 127 I 54 E. 2b mit Hinweisen).
Dasselbe gilt, soweit der Beschwerdeführer aus weiteren Indizien, namentlich daraus, dass der Mitangeklagte M.________ ihm den Lastwagen verkauft hat, ohne auch nur eine Anzahlung zu verlangen, dass jener ihm für den fraglichen Transport sowohl eine Ladung von Kabelrollen als auch einen Chauffeur besorgte und dass er bereits in einen früheren Drogentransport involviert war (Beschwerde S. 6 f.), andere Schlüsse als die Vorinstanz zieht.
Der Schluss der Vorinstanz ist somit jedenfalls nicht schlechthin unhaltbar. Desgleichen ist eine Verletzung der Begründungspflicht nicht ersichtlich, zumal der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil sachgerecht anfechten konnte. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet.
4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da sein Rechtsbegehren zum Vornherein als aussichtslos erschien, ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen eingeschränkten finanziellen Verhältnissen kann bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 18. März 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Schneider Boog