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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_808/2007/ bri
Urteil vom 15. April 2008
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Antoine F. Goetschel,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Mehrfaches Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 21. August 2007.
Sachverhalt:
A.
Das Amtsstatthalteramt Luzern bestrafte X.________ am 20. Januar 2006 wegen mehrfachen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einer Busse von Fr. 1'050.--. Es hielt für erwiesen, dass sie mit ihrem Personenwagen am 13. Juli 2005 und am 14. Juli 2005 insgesamt dreimal die St. Karlistrasse in Luzern stadtauswärts befahren und dabei die signalisierte Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h um 23 km/h, 16 km/h sowie 12 km/h überschritten hat.
Das Amtsgericht Luzern-Stadt kam im Urteil vom 14. Dezember 2006 zum Schluss, dass die Signalisation der "Tempo-30-Zone" nicht verbindlich gewesen sei, weshalb sich X.________ einzig in einem Fall der Überschreitung der innerorts generell geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h um 3 km/h schuldig gemacht habe, wofür sie mit einer Busse von 40 Franken zu bestrafen sei.
Auf Appellation der Staatsanwaltschaft hin verurteilte das Obergericht des Kantons Luzern X.________ wegen mehrfachen Überschreitens der signalisierten Höchstgeschwindigkeit (Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 22a SSV) in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m. Art. 106 StGB zu einer Busse von Fr. 1'050.--.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und dasjenige des Amtsgerichts zu bestätigen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des Kantons Luzern. In verfahrensmässiger Hinsicht beantragt sie einen Augenschein.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1 Nach unbestrittenem Sachverhalt bog die Beschwerdeführerin am 13. und 14. Juli 2005 insgesamt dreimal bei der Kreuzung Geissmattstrasse/St. Karlistrasse in letztere ein und befuhr sie stadtauswärts mit 53, 46 und 43 km/h. Die dortige "Tempo-30-Zone" wird eingangs der St. Karlistrasse durch ein Zonensignal am rechten Strassenrand angezeigt, welches, einige Meter zurückversetzt, am linken Strassenrand wiederholt wird. Das Signal am rechten Strassenrand war allerdings durch Äste teilweise verdeckt. Auf der Höhe der relevanten Zahl "30" und über dem Begriff "Zone" ragten Äste ins Sichtfeld der Fahrzeuglenker und verdeckten den oberen Teil des Schilds fast gänzlich. Lediglich dessen unterer Teil war sichtbar, und zwar so, dass nicht erkennbar war, ob auf dem Schild die Zahl 30 oder 50 stand.
1.2 Die Beschwerdeführerin beantragt einen Augenschein. Darauf kann indessen verzichtet werden, da sich die Art und Weise, wie sich die Signalisation der "Tempo-30-Zone" den in die St. Karlistrasse einbiegenden Automobilisten präsentiert hat, aus den in den Akten liegenden Fotografien mit ausreichender Klarheit hervorgeht und der angefochtene Entscheid, was die schlechte Sichtbarkeit des Verkehrssignals am rechten Strassenrand betrifft, auf die Darstellung der Beschwerdeführerin abstellt. Zudem sind die tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts für das Bundesgericht ohnehin verbindlich, da die Beschwerdeführerin diese, was einzig zulässig wäre, nicht als willkürlich bzw. offensichtlich unrichtig rügt (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 9 BV).
2.
Nach Art. 103 SSV haben Verkehrssignale am rechten Strassenrand zu stehen und können (u.a.) am linken wiederholt werden. Sie verpflichten nur, wenn ihre Bedeutung ohne weiteres klar ist, und sie müssen so aufgestellt sein, dass sie vom Fahrzeuglenker, welcher dem Verkehr die erforderliche und notwendige Aufmerksamkeit schenkt, leicht und rechtzeitig erkannt werden können (BGE 127 IV 229 E. 2 c/aa mit Hinweisen).
2.1 Die Beschwerdeführerin (wie das Amtsgericht) vertreten die Auffassung, eine Geschwindigkeitsbeschränkung müsse zwingend durch ein leicht erkennbares und damit rechtsverbindliches Signal am rechten Strassenrand angezeigt werden. Ein Signal am linken Strassenrand sei nur als Wiederholung zulässig und setze damit ein gültiges Signal am rechten Rand voraus, ansonsten man nicht von einer Wiederholung sprechen könne. Da vorliegend das rechte Signal nicht erkennbar gewesen sei, sei die Begrenzung der Geschwindigkeit auf 30 km/h für die St. Karlistrasse nicht rechtsverbindlich angeordnet gewesen, woran auch eine allfällige Strassenmarkierung am Boden, die sie wegen des dichten Verkehrs ohnehin nicht habe sehen können, nichts zu ändern vermöge.
2.2 Das Obergericht hält dem im angefochtenen Entscheid zu Recht die bundesgerichtliche Praxis entgegen, wonach vorschriftswidrig aufgestellte Signale im Interesse der Verkehrssicherheit befolgt werden müssen, wenn sie für einen aufmerksamen Lenker leicht erkennbar sind, weil andere Verkehrsteilnehmer auf ihre Einhaltung vertrauen (BGE 128 IV 184 E. 4; 6P.9/2005 vom 3. Juni 2005, E. 2). Es sei daher auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen, ob der Beginn der "Tempo-30-Zone" für die Beschwerdeführerin leicht und rechtzeitig erkennbar gewesen sei, unabhängig davon, ob sie vorschriftsgemäss signalisiert gewesen sei.
2.3 Das Zonensignal am rechten Strassenrand der St. Karlistrasse war durch Äste teilweise verdeckt. Es war damit schlecht erkennbar und entsprach den bundesrechtlichen Vorschriften nicht. Die Beschwerdeführerin hat es indessen nicht übersehen, sie konnte lediglich die Höhe der Geschwindigkeitsbegrenzung nicht lesen. Aus ihrer Sicht hätte diese statt auf 30 km/h genauso gut auf 50 km/h lauten können. Dieser Einwand geht jedoch fehl. Tempo 50 wird durch das runde Gebotsschild "Höchstgeschwindigkeit 50", allenfalls versehen mit dem Zusatz "generell" (2.30 gemäss Anhang 2 der SSV) signalisiert. Der Beginn der "Tempo-30-Zone" an der St. Karlistrasse wird indessen korrekterweise mit dem rechteckigen Zonensignal (2.59.1 gemäss Anhang 2 der SSV) signalisiert, auf welchem der Schriftzug "Zone" über dem Gebotsschild "Höchstgeschwindigkeit 30" auf weissem Grund dargestellt wird. Wie aus ihren eigenen Ausführungen und den von ihr ins Recht gelegten Fotos hervorgeht, war trotz der die Sicht behindernden Äste jedenfalls klar erkennbar, dass es sich um ein rechteckiges Zonensignal, nicht um ein rundes Gebotsschild handelte. Bereits aus diesem Grund hätte der Beschwerdeführerin klar sein müssen, in eine "Tempo-30-Zone" einzubiegen. Vor allem aber war das Signal gut sichtbar auf der linken Strassenseite wiederholt. Da es einige Meter zurückversetzt ist, hätte sie es auch dann sehen müssen, wenn sie ihr Augenmerk beim Abbiegen zunächst auf die rechts einmündende (im Übrigen ohnehin vortrittsbelastete) Geissmattstrasse gerichtet hätte, zumal sie ihre volle Aufmerksamkeit schon wegen des sich etwa auf gleicher Höhe wie das Signal befindlichen Fussgängerstreifens sofort nach dem Einbiegen wieder nach vorne richten musste. Dabei hätte ihr auch die wenige Meter danach folgende Bodenmarkierung "30" auf ihrer Fahrbahn auffallen müssen. Der Schluss des Obergerichts, dass die Beschwerdeführerin unter diesen Umständen die "Tempo-30-Zone" hätte erkennen und ihre Geschwindigkeit entsprechend anpassen müssen, ist nicht zu beanstanden. Die Beschwerde ist unbegründet.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Schneider Störi