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Original
 
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_169/2008 /bri
Urteil vom 19. Juni 2008
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Cristina Keller,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 4502 Solothurn,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 19. Dezember 2007.
Sachverhalt:
A.
Am 6. März 2004 führte die Kantonspolizei Solothurn auf der Autobahn A5, Gemeindegebiet Biberist, eine Radarkontrolle durch. Um 13.55 Uhr wurde der Personenwagen mit dem Kontrollschild TI 193912 mit einer Geschwindigkeit von 148 km/h gemessen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt beim Messpunkt 100 km/h. Nach Abzug einer Sicherheitsmarge von 6 km/h ergab sich damit eine Geschwindigkeitsübertretung von 42 km/h. Gemäss polizeilichen Abklärungen handelte es sich beim fraglichen Personenwagen um ein Geschäftsfahrzeug, welches dem Angestellten X.________ zur Verfügung stand.
B.
Mit Strafverfügung vom 23. November 2005 bestrafte die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn X.________ wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln mit drei Tagen Gefängnis (bedingt erlassen mit einer Probezeit von 2 Jahren) und einer Busse von Fr. 800.--. X.________ erhob Einsprache, worauf ihn der Gerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt am 19. Oktober 2006 freisprach. Auf Appellation der Oberstaatsanwaltschaft sprach das Obergericht des Kantons Solothurn (Strafkammer) X.________ mit Urteil vom 19. Dezember 2007 der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und verurteilte ihn in Anwendung des neuen Rechts zu einer Geldstrafe von 3 Tagessätzen zu Fr. 180.--, unter Gewährung des bedingten Vollzugs, sowie zu einer Busse von Fr. 800.--.
C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei vom Vorwurf der groben Verletzung einer Verkehrsregel freizusprechen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer bestreitet, das Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt gelenkt zu haben. Er macht geltend, die Vorinstanz habe den Grundsatz "in dubio pro reo" sowohl als Beweislastregel wie auch als Beweiswürdigungsregel verletzt.
2.
2.1 Für die Vorinstanz besteht kein ernsthafter Zweifel daran, dass es der Beschwerdeführer war, der am 6. März 2004 in die Geschwindigkeitskontrolle geriet. In ihrem Urteil setzt sie sich eingehend mit dem Aussageverhalten des Beschwerdeführers auseinander und gelangt zum Schluss, die Angaben seien in den wesentlichen Punkten wenig glaubhaft. Es sei insbesondere schwer nachvollziehbar, wieso der Beschwerdeführer die detaillierten Angaben über seinen angeblichen Italien-Aufenthalt erst vor Obergericht und nicht schon viel früher im Verfahren gemacht habe. Gegen die Glaubhaftigkeit seiner Aussagen spreche auch, dass er die schriftliche Bestätigung vom 30. November 2005 nicht bereits mit seiner Einsprache gegen die Strafverfügung am 24. Mai 2006, sondern erst anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung vom 19. Oktober 2006 einreichte. Denn es sei davon auszugehen, dass er entlastende Belege ohne Verzug der Behörde vorlege. Im Übrigen würden die gesamten Umstände im Zusammenhang mit der erwähnten Bestätigung den Eindruck erwecken, dass es sich um ein Gefälligkeitsschreiben handle, welches dem Beschwerdeführer ein Alibi für den 6. März 2004 verschaffen sollte. Die Aussagen seien auch wenig glaubhaft, wenn der Beschwerdeführer zunächst behauptete, es habe sich bei der "Verkehrsverletzungstat" um einen familiären Angehörigen gehandelt, später dann aber angebe, beim Lenker handle es sich um einen "Familienangehörigen seiner damaligen Freundin". Schliesslich hält die Vorinstanz fest, dass auf dem im polizeilichen Radarprotokoll enthaltenen Foto zwei Personen zu erkennen seien. Beim Lenker handle es sich um eine männliche Person, deren Gesichtszüge durchaus Ähnlichkeiten mit denjenigen des Beschwerdeführers aufweisen würden. Zwar sei dieser nicht eindeutig identifizierbar, doch schliesse das Foto zumindest nicht aus, dass es sich bei der Person hinter dem Steuer um den Beschwerdeführer handle.
2.2 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, das Radarfoto lasse nicht auf die Identität zwischen ihm und dem Lenker schliessen. Die Vorinstanz habe demgegenüber versucht, dem Foto positive Beweiskraft zuzuweisen, um einen Schuldspruch zu rechtfertigen. Im Übrigen habe er immer behauptet, am fraglichen Tag in Italien gewesen zu sein. Diese Tatsache habe er mit einer schriftlichen Bestätigung des Freundes in Italien belegt. Die vorliegende Beweislage lasse eine Verurteilung in keinem Fall zu, zumal ein direkter und objektiver Beweis fehle, dass er die Straftat begangen habe. Die Vorinstanz habe ihn schuldig gesprochen, indem seine Aussagen als unglaubhaft eingestuft und als Entlastungsbeweis nicht gebilligt worden seien. Sie sei von der falschen Meinung ausgegangen, ein Angeklagter habe seine Unschuld zu beweisen und sei zu verurteilen, wenn ihm dieser Beweis misslinge. Seiner Auffassung nach müssten seine Aussagen im Übrigen als glaubhaft eingestuft werden. Soweit die Vorinstanz ihm vorwerfe, präzise und detaillierte Angaben über seinen Aufenthalt in Italien zu machen, so sei dies unbegründet. Weder bei der Polizeibefragung noch an der erstinstanzlichen Gerichtsverhandlung sei er näher und konkret darüber befragt worden. Dass er nicht bekannt gegeben habe, wer am 6. März 2004 hinter dem Steuer neben seiner damaligen rumänischen Freundin sass, sei nachvollziehbar. Es gehe um deren Angehörigen, mit dem er heute nichts mehr zu tun haben wolle, weil das freundschaftliche, praktisch familiäre Verhältnis nach dem Ende seiner Liebesgeschichte total zerrüttet sei. Was die schriftliche Bestätigung vom 30. November 2005 betreffe, so werde diese von der Vorinstanz zu Unrecht als Gefälligkeitsschreiben gehalten. Zusammenfassend hätte die Vorinstanz mindestens die Möglichkeit berücksichtigen müssen, dass er das Geschehen richtig darstellte und demnach an seiner Schuld zweifeln müssen.
3.
Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art. 97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt. Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind. Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.3, S. 245 f., mit Hinweis).
Als Beweiswürdigungsregel besagt der in Art. 32 Abs. 1 BV verankerte "in dubio pro reo"-Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von der Existenz eines für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt sein sollte, prüft das Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür. Als Beweislastregel bedeutet sie, dass es Sache des Staates ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, und nicht dieser seine Unschuld nachweisen muss (BGE 127 I 38 E. 2a S. 40 f., mit Hinweisen; 120 Ia 31 E. 2c S. 37).
4.
Der Beschwerdeführer legt nicht ausreichend dar, inwiefern die Erwägungen im vorinstanzlichen Urteil willkürlich sein sollen. Seine Ausführungen erschöpfen sich weitgehend in einer appellatorischen Kritik, was unzulässig ist. Auf die entsprechenden Rügen ist nicht einzutreten. Aufgrund des aufgezeigten Aussageverhaltens durfte die Vorinstanz davon ausgehen, der Beschwerdeführer habe sich am fraglichen 6. März 2004 nicht in Italien aufgehalten. Dass sie dementsprechend die von ihm eingereichte schriftliche Bestätigung als blosses Gefälligkeitsschreiben erachtet, erscheint nicht als willkürlich. Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer als Lenker des Fahrzeuges bezeichnet. Entgegen dessen Auffassung wird der Beweis nicht deshalb als erbracht angesehen, weil seine Aussagen unglaubwürdig sind. Vielmehr stützt sich die Vorinstanz auf den Umstand, dass der fragliche Personenwagen ihm als Geschäftsfahrzeug fest zugeteilt war und ihm auch privat zur Verfügung stand. Nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers befand sich das Auto meistens bei ihm, ausser wenn es im Service war oder das Geschäft es brauchte. Nachdem keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, dass das Fahrzeug am fraglichen Tag von einer Drittperson beansprucht wurde, ist seine Täterschaft ausreichend indiziert. Dabei darf auch berücksichtigt werden, dass das Radarfoto einen Lenker zeigt, dessen Gesichtszüge denjenigen des Beschwerdeführers ähnlich sind. Entgegen dessen Behauptung hat die Vorinstanz daraus keinen positiven Beweis abgeleitet, sondern zutreffend festgehalten, das Foto schliesse zumindest die Täterschaft nicht aus. Zusammenfassend hat die Vorinstanz den Grundsatzsatz "in dubio pro reo" weder als Beweiswürdigungs- noch als Beweislastregel verletzt.
5.
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Juni 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Schneider Binz