Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_767/2007
Urteil vom 3. Juli 2008
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Frésard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.
Parteien
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 9016 St. Gallen,
Beschwerdeführerin,
gegen
S.________, Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. oec. Hermann Grosser, Kriessernstrasse 40, 9450 Altstätten.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
vom 22. Oktober 2007.
Sachverhalt:
A.
S.________, geboren 1954, ist gelernter Landwirt und hatte weiterbildende Kurse absolviert. Ab 1978 war er selbstständig erwerbstätig. Nach seinem Unfall vom 26. Februar 1983, bei welchem er sich eine Luxationsfraktur LWK 4/5 mit motorisch und sensibel inkompletter Paraplegie unterhalb Th 12 zugezogen hatte, liess er sich auf Kosten der Invalidenversicherung zum Sattler umschulen. In der Folge war er über Jahre in diesem Beruf tätig und erlangte 1988 das Meisterdiplom. Nachdem er am 20. April 1999 gemeldet hatte, er werde im Mai 1999 eine neue Stelle mit einem Lohn von anfänglich Fr. 5500.-, hernach Fr. 5800.-, monatlich antreten, hob die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (nachfolgend: IV-Stelle) seine halbe Rente mit Verfügung vom 2. September 1999 auf. Infolge Verschlechterung seines Gesundheitszustandes beantragte er am 17. Januar 2005 eine Rente. Mit Verfügung vom 7. Februar 2006, bestätigt mit Einspracheentscheid vom 30. Mai 2006, sprach ihm die IV-Stelle eine Viertelsrente seit 1. Januar 2006 zu.
B.
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen hiess die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 22. Oktober 2007 teilweise gut, hob den Einspracheentscheid vom 30. Mai 2006 auf und sprach S.________ ab 1. Januar 2006 eine halbe Rente zu.
C.
Die IV-Stelle führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. S.________ lässt auf Abweissung der Beschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. zur Invaliditätsbemessung auch BGE 132 V 393).
2.
Streitig ist einzig, ob für die Ermittlung des Valideneinkommens auf den ursprünglich erlernten Beruf als Landwirt oder aber auf den in den letzten 20 Jahren ausgeübten Beruf als Sattler(-meister) abzustellen ist. Wie die IV-Stelle zu Recht ausführt, handelt es sich dabei um eine Rechtsfrage, welche das Bundesgericht frei überprüfen kann. Denn die Bestimmung des vor Eintritt des Gesundheitsschadens ausgeübten Berufes beruht auf der allgemeinen Lebenserfahrung, wonach die versicherte Person ohne Gesundheitsschaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit weiterhin im angestammten Beruf tätig sein würde (vgl. dazu BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399).
3.
Bei der Ermittlung des Valideneinkommens, das heisst des Einkommens, welches die versicherte Person ohne Gesundheitsschaden erzielen würde, ist entscheidend, was die betroffene Person im massgebenden Zeitpunkt nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als Gesunde verdienen würde. Die Einkommensermittlung hat so konkret wie möglich zu erfolgen, weshalb in der Regel vom letzten Lohn, den die versicherte Person vor Eintritt des Gesundheitsschadens erzielt hat, auszugehen ist. Hat diese nach der gesundheitsbedingten Aufgabe ihres erlernten Berufs eine andere Tätigkeit ausgeübt, ist je nach den Umständen auf das im ursprünglich erlernten Beruf oder auf das in der anderen Tätigkeit erzielte Einkommen abzustellen: So hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in ZAK 1963 S. 388 den gelernten, aber aus gesundheitlichen Gründen nie ausgeübten Beruf und nicht eine nur kurzfristig ausgeübte einträglichere Tätigkeit, für die der Versicherte auf die Dauer als ungeeignet erschien, für massgebend erachtet; demgegenüber ist es im nicht veröffentlichten Urteil M 20/87 vom 19. Oktober 1988 bei einem Versicherten, der, ursprünglich Servicemonteur, invaliditätsbedingt eine neue, besser bezahlte Tätigkeit als Aussendienstmitarbeiter aufnahm, die er zunächst ohne Einschränkungen verrichten, nach rund zwei Jahren aber aus gesundheitlichen Gründen nur noch in reduziertem Umfang ausüben konnte, vom Einkommen als voll leistungsfähiger Aussendienstmitarbeiter und nicht vom Lohn im früheren Beruf als Servicemonteur ausgegangen. Ist eine Person, die trotz ihrer Behinderung eine Berufslehre abgeschlossen hat, im gelernten Beruf nicht voll leistungsfähig, ist - unter Vorbehalt der allfälligen Massgeblichkeit einer später ausgeübten besser bezahlten Tätigkeit - gemäss nicht veröffentlichtem Urteil I 134/96 vom 23. März 1998 auf das Einkommen abzustellen, welches die betroffene Person im gelernten Beruf erzielen würde, wenn sie nicht behindert wäre (Urteil I 65/04 vom 31. Januar 2005, E. 5.2, und Urteil I 609/00 vom 18. Dezember 2002, E. 5.3.2, je mit Hinweisen).
4.
Der Versicherte war vor seinem Unfall vom 26. Februar 1983 über zehn Jahre als gelernter Landwirt tätig, fünf davon selbstständigerwerbend. Nach seinem Unfall liess er sich im Rahmen einer Umschulung zum Sattler und Sattlermeister ausbilden. Ab Sommer 1987 war er im neu erlernten Beruf erwerbstätig und bezog ab 1. November 1999 keine Invalidenrente mehr. Nachdem sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert hatte und er invaliditätsbedingt auf 1. Januar 2005 sein Arbeitspensum um 40 % reduzieren musste (vgl. Bericht des Zentrums X.________ vom 16. November 2004), ersuchte er mit Anmeldung vom 17. Januar 2005 um erneute Ausrichtung einer Invalidenrente. Die IV-Stelle sprach ihm nach Ablauf der Wartezeit von Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG, mithin dem 1. Januar 2006, eine Viertelsrente zu. Weil für die Bemessung der Invalidität die Verhältnisse bei der Festsetzung der Rente oder der Revision massgebend sind (vgl. BGE 129 V 222 mit Hinweisen), der Versicherte im Zeitpunkt der erneuten Rentenzusprechung während Jahren als Sattler erwerbstätig gewesen war und dabei ein rentenausschliessendes Einkommen erzielt hatte, ist für die Ermittlung seiner Invalidität bei der Festsetzung des Valideneinkommens von einer Tätigkeit als Sattler(-meister) auszugehen (vgl. dazu insbesondere Urteil M 20/87 vom 19. Oktober 1988, E. 2). Dies gilt umso mehr, da angesichts der unbestrittenen grossen strukturellen Veränderungen in der Landwirtschaft, welche in den Jahren 1985 bis 2004 einen Rückgang der (hauptberuflichen) landwirtschaftlichen Betriebe wie auch der in der Landwirtschaft (vollzeitlich) Beschäftigten um über einen Drittel mit sich brachte (vgl. Statistisches Jahrbuch der Schweiz, Zürich 2006, S. 179 f.), nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesagt werden kann, der Versicherte wäre ohne seine Invalidität trotz dieser Entwicklung nach wie vor als Landwirt tätig.
5.
Die unterliegende IV-Stelle hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Versicherten steht bei diesem Ausgang des Verfahrens eine Parteientschädigung zu ( Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2500.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Grosshandel und Transithandel und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Juli 2008
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Riedi Hunold