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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_515/2008 /len
Urteil vom 16. Januar 2009
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.
Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Studer,
gegen
Y.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Hadrian Meister.
Gegenstand
Kaufvertrag; Aufhebungsvertrag,
Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer,
vom 5. Juni 2008.
Sachverhalt:
A.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin) schloss am 22. März 2006 mit der Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) einen Zusammenarbeitsvertrag ab. Dieser war bis Ende Juni 2006 befristet und sollte nur mit Zustimmung beider Parteien fortgesetzt werden.
Ende Mai 2006 bestellte die Beschwerdeführerin bei der Beschwerdegegnerin 94'292 Winterreifen für die Saison 2006. In der Folge kaufte die Beschwerdegegnerin bei der A.________ dieselbe Anzahl Reifen (Bestellung vom 29. Mai 2006).
Am Dienstag, 20. Juni 2006, sandte die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin ein Schreiben, das soweit vorliegend von Interesse folgende Punkte behandelte:
Titel: Annulation/Stornierung Warenbestellungen Winter 2006 vom 29. Mai 2006;
"Die heutige Zusammenarbeit zwischen der Firma Y.________ AG und der Firma X.________ AG kann aus den folgenden Gründen nicht weitergeführt werden."
[diverse Gründe];
Punkt 8: "Die Warenübernahme Sommerlager B.________ im Wert von Fr. 248'155.30 werden an die Firma Y.________ AG zurückgegeben. Die Ware steht im Lager C.________ zur Abholung bereit. Dieser Betrag wird bei unseren Kreditoren in Abzug gebracht (gem. Warenliste siehe Beilage)."
Am Montag, 26. Juni 2006, um 10.35 Uhr sandte D.________ von der Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin ein E-Mail, in dem er auf Punkt 8 des obigen Schreibens Bezug nahm und ausführte: "Wir werden diese Ware sofort bei Ihnen übernehmen. Bitte informieren Sie das Lager C.________, dass wir die Ware abholen. Können wir die Ware heute Nachmittag oder morgen abholen?"
Um 12.05 Uhr gleichentags wurde an D.________ ein E-Mail gesandt, das folgenden Wortlaut hatte: "Guten Tag die Ware wird bereitgestellt und das genaue Abholdatum wird Ihnen bekannt gegeben." Dieses E-Mail trägt den Absender von E.________ von der Beschwerdeführerin, dessen E-Mailadresse und in der "An:"-Zeile steht bloss "D.________", nicht dessen E-Mailadresse. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass dieses E-Mail von E.________ geschrieben worden sei.
Um 12.29 Uhr schrieb E.________ der Beschwerdegegnerin ein E-Mail mit folgendem Inhalt: "Da Sie nach der uns vorliegenden Vollmacht nicht berechtigt sind, weitere Anweisungen zu erteilen, bitten wir um schriftliche Bestätigung durch Herrn F.________, dass die Firma Y.________ AG die Ware zurück nimmt und eine schriftliche Bestätigung der stornieren beider Rechnungen. Sowohl auch die Stornierung der falschen Rechnung [sic]. Sobald wir im Besitze dieser schriftlichen Bestätigungen sind, werden wir das Lager informieren und Ihnen das genaue Abholdatum bekannt geben."
Darauf antwortete die Beschwerdegegnerin mit E-Mail von 13.05 Uhr: "Sehr geehrter Herr E.________. Als Firma und GL sind wir selbst berechtigt, Ihnen direkte Anweisungen zur Abholung zu geben. [...] Wir bestätigen, dass wir die Rechnungen, die mit der zu übernehmenden Ware zusammenhängen, nach Übernahme und ordnungsgemässe Zahlung, stornieren werden. Können wir die Ware morgen übernehmen?"
Um 17.45 Uhr schrieb die Beschwerdeführerin, sie werde keine E-Mails als Bestätigung akzeptieren und erwarte weiter das Einverständnis von Herrn F.________.
Am 28. Juni 2006 schrieb die Beschwerdeführerin der Beschwerdegegnerin einen Brief, worin sie ankündigte, die Ware Sommerlager B.________ zur Verfügung zu stellen, sobald die Beschwerdegegnerin eine neue, nach unten korrigierte Rechnung ausgestellt habe.
Mit E-Mail vom 5. Juli 2006 schrieb die Beschwerdegegnerin, die Reifen im Sommerlager B.________ stünden in ihrem Eigentum.
Mit Schreiben vom 6. Juli 2006 teilte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin mit, dass sie deren Annullierung der Bestellung der Winterreifen nicht akzeptiere und darüber hinaus ihren "Eigentumsanspruch" an den Sommerreifen B.________ geltend machen werde.
B.
Die Beschwerdegegnerin stellte mit Klage vom 6. Dezember 2006 beim Handelsgericht des Kantons Aargau unter anderem die Rechtsbegehren, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, ihr die im Warenlager der Firma G.________ AG in C.________ eingelagerten Sommerreifen aus dem "Sommerlager B.________" und den ihr gehörenden weissen VW-Lieferwagen ZH 1.________ herauszugeben.
Mit Urteil vom 5. Juni 2008 hiess das Handelsgericht die Klage hinsichtlich der genannten Rechtsbegehren gut. Im vorliegend nicht mehr strittigen Mehrumfang wies es die Klage ab.
C.
Die Beschwerdeführerin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Handelsgerichts soweit aufzuheben, als sie darin verpflichtet werde, der Beschwerdegegnerin die im Warenlager der Firma G.________ AG in C.________ eingelagerten Sommerreifen aus dem "Sommerlager B.________" herauszugeben. Das entsprechende Rechtsbegehren der Beschwerdegegnerin sei abzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten, eventuell sie abzuweisen. Das Handelsgericht verzichtete auf eine Stellungnahme.
Das Präsidium der I. zivilrechtlichen Abteilung gewährte der Beschwerde mit Verfügung vom 2. Dezember 2008 die aufschiebende Wirkung.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein Endurteil (Art. 90 BGG) eines kantonal letztinstanzlich entscheidenden, für handelsgerichtliche Streitigkeiten zuständigen Fachgerichts (Art. 75 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b BGG), gegen das die Beschwerde in Zivilsachen offen steht. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde erfüllt sind, ist auf diese einzutreten.
2.
Strittig ist, ob zwischen den Parteien hinsichtlich des Kaufvertrags, dem die Warenbestellung vom 29. Mai 2006 zugrunde liegt, ein Aufhebungsvertrag zustande gekommen ist, konkret, ob im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 20. Juni 2006 eine Offerte zu einem solchen zu sehen ist, und gegebenenfalls, ob die Beschwerdegegnerin diese rechtzeitig angenommen hat.
3.
Eine tatsächliche Willensübereinstimmung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages hat die Vorinstanz nicht festgestellt, weshalb ein Vertragsschluss nur dann bejaht werden kann, wenn die Beschwerdegegnerin nach dem Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der Willensäusserungen der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 20. Juni 2006 als Aufhebungsofferte zu schützen und damit letztere auf ihren Äusserungen in deren objektiven Sinn zu behaften ist (BGE 124 III 363 E. II/5a; vgl. auch BGE 127 III 444 E. 1b; 123 III 35 E. 2b S. 39 f., je mit Hinweisen). Ob die Beschwerdeführerin ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem die Beschwerdegegnerin in guten Treuen auf das Vorliegen eines entsprechenden Willens schliessen durfte, prüft das Bundesgericht frei. Massgebend sind dabei die Umstände, die den Parteien im fraglichen Zeitraum bekannt oder erkennbar waren. An Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich äusserer Tatsachen und des inneren Willens der Parteien ist das Bundesgericht wiederum gebunden (BGE 124 III 363 E. II/5a mit Hinweisen; vgl. dazu auch BGE 133 III 61 E. 2.2.1 S. 67; 132 III 24 E. 4 S. 27 f.; 131 III 606 E. 4.1. S. 611).
3.1 Die Vorinstanz stellte fest, das Schreiben vom 20. Juni 2006 sei etwas sonderbar aufgebaut. Im Titel stehe "Annulation / Stornierung, Warenbestellungen Winter 2006 vom 29. Mai 2006". Anschliessend folge die Anrede und dann werde mitgeteilt, dass die Zusammenarbeit zwischen der Beschwerdegegnerin und der Beschwerdeführerin aus folgenden Gründen nicht mehr weitergeführt werden könne. Danach folge ein Titel "Begründungen" und dann die einzelnen Punkte. Die Punkte 1, 2 und 4 enthielten solche Begründungen. In Punkt 3 werde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin eine Rechnung bezahlt habe und diese mit Forderungen der Beschwerdegegnerin verrechnen werde. Auch in den Punkten 6 und 7 kündige die Beschwerdeführerin an, sie werde angebliche Forderungen gegen die Beschwerdegegnerin von deren Forderung in Abzug bringen. In Punkt 5 teile die Beschwerdeführerin mit, sie werde ihre Zahlungen an die Beschwerdegegnerin vorderhand zurückbehalten und in Punkt 9 moniere sie, dass die Beschwerdegegnerin die Rechnung 461/06 nicht um Fr. 84'545.40 nach unten angepasst habe. In Punkt 8 kündige sie sodann die Rückgabe der im Sommerlager B.________ befindlichen Reifen und den Abzug der entsprechenden Forderung bei ihren Kreditoren an. In Punkt 10 schliesslich biete die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsratspräsidenten der Beschwerdegegnerin ihre Inhaberaktien an der Beschwerdegegnerin zum Kauf an und in Punkt 11 behalte sie sich Schadenersatz und Genugtuungsansprüche vor.
Nach Auffassung der Vorinstanz enthalten einzig die Punkte 8 und 10 Willenserklärungen, die eine Reaktion der Beschwerdegegnerin erforderten. Bei den anderen Punkten handle es sich um autoritative Feststellungen oder Mitteilungen der Beschwerdeführerin. Somit sei es bei diesem Schreiben entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nicht darum gegangen, der Beschwerdegegnerin eine umfassende Offerte zu unterbreiten, sondern um die Klarstellung und Regelung einzelner Punkte. Daher spreche nichts dagegen, dass die Beschwerdegegnerin nach Treu und Glauben Ziffer 8 als separate Offerte habe verstehen dürfen und akzeptieren können.
3.2 Die Beschwerdeführerin bringt dazu vor, sie habe nie geltend gemacht, der Beschwerdegegnerin im Schreiben vom 20. Juni 2006 eine umfassende Offerte unterbreitet zu haben. Insofern sei die gegenteilige Darstellung der Vorinstanz im Sinne von Art. 97 BGG unrichtig. Sie legt indessen nicht dar, inwiefern der gerügte Mangel für den Verfahrensausgang erheblich sein soll (Art. 97 Abs. 1 BGG) und dies ist auch nicht ersichtlich. Es ist daher nicht weiter darauf einzugehen.
3.3 Die Beschwerdeführerin bestreitet sodann, dass die Punkte 8 und 10 ihres Schreibens vom 20. Juni 2006 Willenserklärungen enthielten, die eine Reaktion seitens der Beschwerdegegnerin erfordert hätten. Wie deren Wortlaut im Vergleich zu demjenigen der anderen 9 Punkte des Schreibens zeige, handle es sich offensichtlich auch hier, wie bei den anderen Punkten, um autoritative Feststellungen oder Mitteilungen von ihr, wie sich die Vorinstanz ausdrücke. Aufgrund des Vertrauensprinzips könne Punkt 8 des Schreibens nicht als Offerte verstanden werden und der gegenteilige Schluss der Vorinstanz verletzte Art. 1 und 18 OR.
Die Beschwerdeführerin zeigt indessen nicht auf, weshalb die Vorinstanz nach dem Wortlaut der verschiedenen Punkte des Schreibens zu einem abweichenden Schluss hätte kommen müssen. Vielmehr stellt sie mit ihren Vorbringen der vorinstanzlichen Auslegung bloss ihre eigene Auffassung gegenüber, ohne auf die Begründung der Vorinstanz einzugehen und aufzuzeigen, inwiefern das Vertrauensprinzip verletzt sein soll. Soweit sie damit überhaupt die Begründungsanforderungen im Rahmen einer Beschwerde in Zivilsachen erfüllt und somit auf ihre Ausführungen einzugehen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1/2; Urteil 4A_22/2008 vom 10. April 2008 E. 1), vermag sie mit ihnen jedenfalls keine Bundesrechtsverletzung darzutun.
Ohnehin ist die vorinstanzliche Auslegung nicht zu beanstanden. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz handelt es sich bei den Punkten 3, 6 und 7 des strittigen Schreibens um blosse Ankündigungen, sie werde Forderungen verrechnen. Eine solche Erklärung erfordert in der Tat keine Reaktion des Adressaten, zumal es sich selbst bei einer Verrechnungserklärung um eine einseitige Willenserklärung handelt, deren Rechtswirkung nicht von der Mitwirkung bzw. von der Reaktion des Adressaten abhängt (BGE 122 III 133 E. 4a S. 135; Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 9. Aufl., 2008, Rz. 3206 und Rz. 65). Die Erklärung in Ziffer 5, Zahlungen zurückbehalten zu wollen, oder die in Ziffer 9 enthaltene Reklamation, dass eine Rechnung nicht reduziert wurde, erscheint sodann von vornherein nicht geeignet, Rechtswirkungen zu entfalten, unabhängig von einer Reaktion des Empfängers. Der Vorinstanz kann ohne weiteres gefolgt werden, wenn sie befand, die Erklärung in Ziffer 8 sei im Gegensatz dazu, als Offerte zu einer Vertragsauflösung zu verstehen, die - eine entsprechende Reaktion der Empfängerin vorausgesetzt - Rechtswirkungen zu entfalten geeignet ist, indem sie den zum Aufhebungsvertrag führenden Konsens mitbegründet. Es ist damit keineswegs unhaltbar, wenn die Vorinstanz in der Ankündigung der Rückgabe der Reifen eine Offerte zur Vertragsauflösung erblickt hat.
Die Beschwerde ist in diesem Punkt unbegründet.
4.
Damit ist zu prüfen, ob die Vorinstanz bundesrechtskonform entschied, die Offerte sei seitens der Beschwerdegegnerin rechtzeitig angenommen worden, um den Auflösungsvertrag zur Entstehung zu bringen.
4.1 Die Vorinstanz erwog dazu, der Antragsteller bleibe, wenn er den Antrag wie vorliegend ohne Bestimmung einer Frist an einen Abwesenden stelle, bis zu dem Zeitpunkte gebunden, wo er den Eingang der Antwort bei ihrer ordnungsmässigen und rechtzeitigen Absendung erwarten dürfe (Art. 5 Abs. 1 OR). Er dürfe dabei voraussetzen, dass sein Antrag rechtzeitig angekommen sei (Art. 5 Abs. 2 OR). Die Normaldauer, von der der Offerent ausgehen dürfe, setze sich somit aus der Übermittlungsdauer der Offerte und der Annahmeerklärung sowie aus einer angemessenen Überlegungsfrist zusammen. Diese drei Perioden bildeten zusammen die Gesamtdauer, weshalb die Verkürzung der einen eine Überdehnung der anderen auszugleichen vermöge. Die Übermittlungsdauer der Annahmeerklärung bemesse sich nach dem Zeitbedarf des "Transportmittels", das der Antragssteller für sein Angebot gewählt habe. Diese rechtlichen Ausführungen sind zutreffend (vgl. dazu Gauch/Schluep/Schmid/Emmenegger, a.a.O, Rz. 411) und werden vorliegend nicht in Frage gestellt.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz, ist das Schreiben vom 20. Juni 2006 gemäss den unbestrittenen Behauptungen von der Beschwerdeführerin gleichentags mit A-Post verschickt worden. Die Übermittlungsdauer für einen solchen Brief betrage normalerweise einen Tag, so dass er bei normalem Postversand am nächsten Tag beim Empfänger eintreffe. Die Beschwerdeführerin habe damit davon ausgehen dürfen, dass der Brief am Mittwoch, 21. Juni 2006, bei der Beschwerdegegnerin eingetroffen sei. Die Annahme der Beschwerdegegnerin sei per E-Mail am Montag, 26. Juni 2006, erfolgt. Dass die Beschwerdegegnerin ein schnelleres Kommunikationsmittel als die Beschwerdeführerin verwendet habe, führe nicht zu einer Verkürzung der Gesamtdauer, sondern zu einer längeren Überlegungsfrist für sie. Hätte die Beschwerdegegnerin die Annahmeerklärung am Freitag, 23. Juni 2006, per A-Post versandt, wäre sie am Samstag oder am Montag bei der Beschwerdeführerin eingetroffen. Da das Wochenende nicht in die Fristberechnung einzubeziehen sei, bleibe somit zu prüfen, ob die Beschwerdegegnerin ab (fingiertem) Erhalt des Schreibens am 21. Juni 2006 bis zum (fingierten) Absendetermin am 23. Juni 2006 habe überlegen dürfen oder ob sie die Annahmeerklärung früher hätte abgeben müssen.
Dazu erwog die Vorinstanz, im kaufmännischen Verkehr gelte grundsätzlich eine eintägige Überlegungsfrist, so dass die Annahmeerklärung grundsätzlich am Tag nach Empfang der Offerte versandt werden müsse. In casu seien aber die Umstände anders. Die Beschwerdeführerin habe von der Beschwerdegegnerin nichts bestellt, sondern vorgeschlagen, einen bereits geschlossenen und von der Beschwerdegegnerin auch erfüllten Vertrag über Reifen im Wert von mehr als Fr. 200'000.-- aufzulösen. Dass ein solcher Vorschlag von der Beschwerdegegnerin umgehend angenommen werden würde, habe die Beschwerdeführerin nicht erwarten dürfen, zumal er soweit ersichtlich unerwartet gekommen sei. Zudem hätten sich die Parteien in laufenden Geschäftsbeziehungen befunden und insbesondere einen Zusammenarbeitsvertrag abgeschlossen gehabt. Der Beschwerdegegnerin sei daher Zeit einzuräumen, um sich nach einem anderen Käufer umzusehen oder abzuklären, ob sie ihren eigenen Kaufvertrag mit der Lieferantin annullieren könne. Dafür brauche sie mehr als einen Tag und erscheine sogar eine Überlegungsfrist von fünf bis sieben Tagen als angemessen. Dieses Zeitbedürfnis sei für die Beschwerdeführerin voraussehbar gewesen, weshalb sie nach Art. 5 OR nicht davon habe ausgehen dürfen, die Annahme ihres Antrags werde am 22. Juni 2006 erfolgen.
4.2 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, der Beschwerdegegnerin wäre im vorliegenden Fall, wie im kaufmännischen Verkehr üblich, höchstens eine Überlegungsfrist von einem Tag zuzugestehen gewesen. Beide Parteien kauften und verkauften als Kaufleute Reifen. Die streitbetroffenen Reifen gehörten zu den Waren, die die Beschwerdeführerin bei der Beschwerdegegnerin gekauft habe, so dass diese bei Eingang des Schreibens vom 20. Juni 2006 genau gewusst habe, worum es sich dabei gehandelt habe und wie sie diese weiterveräussern könne. Besondere Erhebungen und Abklärungen seien dazu nicht notwendig gewesen.
Damit verkennt die Beschwerdeführerin, dass es sich bei der Festsetzung der angemessenen Überlegungsfrist um eine Ermessensentscheidung des Richters handelt (vgl. BGE 98 II 109 E. 2b S. 111; SCHMIDLIN, Berner Kommentar, N. 13 ff. zu Art. 5 OR). Derartige Ermessensentscheide überprüft das Bundesgericht an sich frei. Es übt dabei aber Zurückhaltung und schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgegangen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die hätten beachtet werden müssen. Es greift ausserdem in Ermessensentscheide ein, wenn sich diese als offensichtlich unbillig, als in stossender Weise ungerecht erweisen (BGE 133 III 201 E. 5.4 S. 211; 131 III 26 E. 12.2.2; 130 III 213 E. 3.1 S. 220, je mit Hinweisen).
Etwas Entsprechendes wird von der Beschwerdeführerin mit den wiedergegebenen Vorbringen nicht geltend gemacht. Vielmehr stellt sie damit den vorinstanzlichen Erwägungen bloss ihre eigene Sichtweise entgegen. Damit vermag sie keine Rechtsverletzung in der Ermessensausübung aufzuzeigen.
4.3 Die Beschwerdeführerin wirft sodann der Vorinstanz vor, krass und damit willkürlich gegen die Verhandlungsmaxime verstossen zu haben: Zum einen, indem sie geprüft habe, ob die Beschwerdegegnerin die Offerte schon vor dem 7. (recte wohl: 6.) Juli 2006 angenommen habe, und indem sie geschlossen habe, die Annahme sei am 26. Juni 2006 erfolgt, obwohl sich die Beschwerdegegnerin selber mit aller Deutlichkeit auf den Standpunkt gestellt habe, sie habe die angebliche Offerte erst am 6. Juli 2006 akzeptiert. Zum anderen, indem die Vorinstanz zur Begründung, weshalb die Überlegungsfrist der Beschwerdegegnerin nicht bloss einen Tag betragen habe, Umstände herangezogen habe (vorstehende Erwägung 4.1, letzter Absatz), die von jener nicht geltend gemacht worden seien.
4.3.1 Bei der Verhandlungsmaxime handelt es sich nicht um einen bundesrechtlichen, sondern um einen kantonalrechtlichen Grundsatz (BGE 127 III 248 E. 1b S. 251; 127 IV 215 E. 2d S. 218; 106 II 201 E. 3b), dessen Ausgestaltung von gewissen Ausnahmen abgesehen den Kantonen belassen ist (vgl. Kummer, Berner Kommentar, N. 12 f. zu Art. 8 ZGB). Als solchen prüft das Bundesgericht behauptete Verletzungen der Verhandlungsmaxime nur unter dem Gesichtswinkel des Willkürverbots.
Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt dabei nicht schon dann vor, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen Willkür nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgrundsatz zuwiderläuft. Willkür liegt zudem nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheids, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 134 II 124 E. 4.1; 133 I 149 E. 3.1; 132 III 209 E. 2.1, je mit Hinweisen).
4.3.2 Die Vorinstanz verneinte im angefochtenen Urteil ausdrücklich, dass die Beschwerdegegnerin nach der Verhandlungsmaxime darauf behaftet werden müsse, dass ihr Akzept erst mit Schreiben vom 6. Juli 2006 erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe - wenn auch mit einer unglücklichen Formulierung - die obige Argumentation (betreffend Annahme der Offerte durch das E-Mail vom 26. Juni 2006 nach angemessener Überlegungsfrist) als Eventualstandpunkt vorgebracht (Klageschrift S. 10), was prozessual zulässig sei.
Die Beschwerdeführerin rügt diese Ausführungen sinngemäss als aktenwidrig, indem sie vorbringt, der von der Vorinstanz zitierten Aktenstelle könne hinsichtlich der "obigen Argumentation" rein gar nichts entnommen werden. Dies trifft indessen nicht zu. Die Beschwerdegegnerin hat an der genannten Stelle ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe (noch vor Annahme der Offerte durch die Beschwerdegegnerin am 6. Juli 2006) die Vereinbarung am 26. Juni 2006 mit Mailschreiben bestätigt; auf entsprechende Anfrage der Beschwerdegegnerin vom 26. Juni 2006, ob die Ware heute Nachmittag oder morgen abgeholt werden könne, habe die Beschwerdeführerin bestätigend festgehalten, die Ware werde bereitgestellt, das genaue Abholdatum werde noch bekannt gegeben; die Vereinbarung sei daher ohne Zweifel zustande gekommen. Diese Ausführungen lassen sich willkürfrei dahingehend verstehen, dass der Auflösungsvertrag nach Auffassung der Beschwerdegegnerin mit deren E-Mail vom 26. Juni 2006 zustande gekommen sei. Dies zumal die behauptete Bestätigung einer Vereinbarung notwendigerweise voraussetzt, dass sie vorgängig zustande gekommen ist. Wenn die Beschwerdegegnerin in irrtümlicher Rechtsauffassung davon ausging, die Annahme sei erst am 6. Juli erfolgt, ist dies im Zusammenhang mit der Frage einer Verletzung der Verhandlungsmaxime unerheblich, da diese nur die Feststellung von Tatsachen, nicht die rechtliche Würdigung von solchen beschlägt (vgl. BGE 125 III 231 E. 4a S. 238 f.).
Selbst wenn der Klageschrift hinsichtlich der Annahme der Offerte am 26. Juni 2006 nichts zu entnehmen wäre, gelänge es der Beschwerdeführerin nicht, eine willkürliche Nichtanwendung der Verhandlungsmaxime darzutun. Die Vorinstanz hat in Würdigung der zu den Prozessakten eingereichten Dokumente, namentlich des E-Mails der Beschwerdegegnerin vom Montag, 26. Juni 2006, ("Wir werden diese Ware sofort bei Ihnen übernehmen. Bitte informieren Sie das Lager C.________, dass wir die Ware abholen. Können wir die Ware heute Nachmittag oder morgen abholen?") geschlossen, die Annahme der Offerte sei mit diesem erfolgt. Die Beschwerdeführerin macht dazu geltend, die Verhandlungsmaxime nach aargauischem Zivilprozessrecht sei verletzt, wenn nicht behauptete Tatsachen berücksichtigt würden, die sich nur aus einer Beilage zu einer Rechtsschrift ergäben. Damit vermag sie aber nicht zu begründen, dass die Berücksichtigung der Erklärung im E-Mail vom 26. Juni 2006 seitens der Vorinstanz geradezu eine krasse und damit willkürliche Nichtanwendung der Verhandlungsmaxime darstellt, wenn es allenfalls auch zutreffen mag, dass bei freier Prüfung eine Verletzung der Verhandlungsmaxime zu bejahen sein könnte. Die Beschwerdeführerin geht auch fehl, wenn sie in jeder Verletzung einer kantonalen Prozessmaxime eine Verletzung des Willkürverbots sehen will. Das Willkürverbot ist nur verletzt, soweit ein krasser Verstoss gegen einen klaren Rechtsgrundsatz erfolgt und dies im Ergebnis zu einem unhaltbaren Entscheid führt. Etwas Entsprechendes hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan.
4.3.3 Das zuletzt Ausgeführte gilt auch sinngemäss, soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, die Vorinstanz habe bei der Bemessung der Überlegungsfrist auf nicht geltend gemachte Umstände abgestellt.
Hierzu ist überdies zu bemerken, dass die vorinstanzlichen Überlegungen insoweit nicht nur auf Tatsachen beruhen, die aus den Akten hervorgingen, sondern auch auf der allgemeinen Lebenserfahrung. Dass deren Heranziehung einen willkürlichen Verstoss gegen die Verhandlungsmaxime darstelle, macht die Beschwerdeführerin zu Recht nicht geltend.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Feststellungen der Vorinstanz beanstandet, wonach sie nicht habe erwarten bzw. nicht davon habe ausgehen dürfen, dass "ein solcher Vorschlag" von der Beschwerdegegnerin umgehend, d.h. am 22. Juni 2006, angenommen würde, verkennt sie, dass es sich dabei um rechtliche Schlüsse handelt. Die Verhandlungsmaxime beschlägt aber von vornherein nur die Feststellung des Sachverhalts, weshalb die Rüge ihrer Verletzung in diesem Zusammenhang fehl geht.
5.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'000.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Januar 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Klett Widmer