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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_124/2008
Urteil vom 16. Januar 2009
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Ettlin.
Parteien
ABB Pensionskasse, c/o Avadis Vorsorge AG, Brown Boveri Strasse 12, 5400 Baden,
Beschwerdeführer,
gegen
V.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Susanne Schaffner-Hess, Dornacherstrasse 10, 4600 Olten.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 27. November 2007.
Sachverhalt:
A.
A.a Die 1978 geborene V.________ leidet seit ihrem fünften Lebensjahr an psychischen Störungen. Wegen dieser Probleme wurde sie von der IV-Stelle des Kantons Aargau in den Jahren 1995 und 1996 berufsberaterisch im Hinblick auf die berufliche Eingliederung unterstützt. Nachdem sie vom 15. März 1997 bis 31. Oktober 1999 als Nachtwachhilfe und Nachtwache sowie als Aushilfe im Tagdienst im Zentrum X.________, gearbeitet hatte, trat sie am 5. Juni 2001 eine Stelle als Anlagebedienerin (Operator) im Schichtbetrieb bei der Firma Y.________ AG an. Vom 24. Oktober 2001 an war V.________ aus psychischen Gründen 100 % arbeitsunfähig. Mit Verfügung vom 18. November 2003 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Aargau bei einem Invaliditätsgrad von 100 % und mit Wirkung ab 1. Oktober 2002 eine ganze Invalidenrente (samt einer Kinderrente für die 1998 geborene Tochter) zu.
A.b Während des Arbeitsverhältnisses mit der Firma Y.________ AG war V.________ bei der ABB Pensionskasse (im Folgenden Pensionskasse genannt) berufsvorsorgeversichert. Mit Schreiben vom 19. November 2003, bestätigt mit Schreiben vom 16. Januar 2004, lehnte die Pensionskasse ein Leistungsbegehren von V.________ auf Ausrichtung einer Invalidenrente der beruflichen Vorsorge ab, dies mit der Begründung, zwischen der schon vor dem Eintritt in die Pensionskasse aus psychischen Gründen bestehenden Teil-Arbeitsunfähigkeit und der schliesslich eingetretenen Invalidität bestehe eine sachliche und zeitliche Konnexität, was eine Leistungspflicht der Pensionskasse ausschliesse.
B.
Am 25. Oktober 2006 liess V.________ gegen die Pensionskasse Klage erheben mit dem Rechtsbegehren, die Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 100 % Leistungen der beruflichen Vorsorge nebst Zins zu 5 % seit dem 1. Oktober 2003 auszurichten. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau hiess die Klage mit Entscheid vom 27. November 2007 gut und verpflichtete die Pensionskasse, V.________ mit Wirkung ab 1. Mai 2004 eine volle Invalidenrente sowie eine entsprechende Kinderrente der beruflichen Vorsorge nebst Verzugszins von 5 % ab 25. Oktober 2006 auszurichten. Das kantonale Gericht verneinte das Bestehen einer zeitlichen Konnexität zwischen den ursprünglichen Panikattacken und den zur Invalidität führenden psychischen Beschwerden und hielt dafür, dass die Arbeitsunfähigkeit von V.________, deren Ursache zur Invalidität geführt habe, am 24. Oktober 2001 eingetreten sei, somit zu einem Zeitpunkt, als V.________ bei der Pensionskasse für das Risiko Invalidität versichert gewesen sei.
C.
Die Pensionskasse führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, der Entscheid der Vorinstanz vom 27. November 2007 sei aufzuheben und die Klage auf berufsvorsorgerechtliche Invalidenleistungen sei abzuweisen.
V.________ lässt auf Abweisung der Beschwerde schliessen. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
2.
2.1 Anspruch auf Invalidenleistungen aus beruflicher Vorsorge haben Personen, die im Sinne der Invalidenversicherung zu mindestens 50 % resp. 40 % invalid sind und bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, versichert waren (Art. 23 BVG in der bis 31. Dezember 2004 gültig gewesenen resp. Art. 23 lit. a in der ab 1. Januar 2005 gültigen Fassung).
Der Leistungsanspruch gegenüber einer Vorsorgeeinrichtung, der ein Arbeitnehmer beim Eintritt der Arbeitsunfähigkeit angeschlossen war, für das erst nach Beendigung des Vorsorgeverhältnisses eingetretene Invaliditätsrisiko setzt voraus, dass zwischen Arbeitsunfähigkeit (zum Begriff vgl. Urteil B 49/00 vom 7. Januar 2003 E. 3, in: SZS 2003 S. 521) und Invalidität ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht. Die hinreichende sachliche Konnexität ist zu bejahen, wenn der Gesundheitsschaden, wie er der Invalidität zugrunde liegt, im Wesentlichen bereits Ursache der früheren Arbeitsunfähigkeit war (BGE 123 V 262 E. 1c S. 265; 120 V 112 E. 2c/aa und bb S. 117 f.). Der zeitliche Zusammenhang zur später eingetretenen Invalidität als weitere Voraussetzung für den Anspruch auf Invalidenleistungen gegenüber der früheren Vorsorgeeinrichtung beurteilt sich nach der Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten zumutbaren Tätigkeit. Diese Beschäftigung muss jedoch bezogen auf die angestammte Tätigkeit die Erzielung eines rentenausschliessenden Einkommens ermöglichen (BGE 134 V 20 E. 5.3 S. 27).
2.2 Dem angefochtenen Entscheid kann korrekt der Hinweis auf die fehlende präjudizielle Wirkung der Feststellungen der Organe der Eidgenössischen Invalidenversicherung hinsichtlich des Zeitpunktes der Eröffnung der Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (in Kraft bis 31. Dezember 2007) auf die Frage der Zuständigkeit oder Nichtzuständigkeit einer Vorsorgeeinrichtung entnommen werden. Darauf ist zu verweisen.
3.
3.1 Gestützt auf den Arbeitsvertrag vom 20. März 1997 und das Arbeitszeugnis vom 2. Mai 2006 hat die Vorinstanz festgestellt, die Beschwerdegegnerin sei vom Zentrum X.________ ab 15. März 1997 als Nachtwachhilfe für 10 bis 14 Nachtwachen pro Monat eingestellt worden, und sie habe dabei gute und zuverlässige Arbeit geleistet. Die Stelle habe sie wegen Handgelenksbeschwerden aufgegeben. Die Beschwerdeführerin macht diesbezüglich eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung geltend, indem sie gestützt auf die im Individuellen Konto vermerkten Löhne ausführt, das Arbeitspensum könne nicht so hoch gewesen sein. Die Vorinstanz hat bei ihrer Feststellung Bezug auf den Arbeitsvertrag und das Arbeitszeugnis genommen. Es ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdegegnerin das im Arbeitsvertrag vereinbarte Pensum von 10 bis 14 Nachtwachen pro Monat nicht effektiv und zur Zufriedenheit der damaligen Arbeitgeberin geleistet hat. Auf jeden Fall ist eine solche Feststellung aufgrund der zur Verfügung stehenden Akten nicht offensichtlich unrichtig, weshalb es auf die unzulässigen Noven der eingereichten Einsatzpläne nicht ankommt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Schliesslich ist, wie noch zu zeigen sein wird, für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend, wie hoch genau das Arbeitspensum gewesen ist. Denn unbestritten handelte es sich um eine Teilzeittätigkeit, und im Zentrum war die Beschwerdegegnerin nie vollzeitig erwerbstätig gewesen.
3.2 Weiter wird als qualifiziert unrichtige Sachverhaltsfeststellung gerügt, die Vorinstanz sei davon ausgegangen, die 100-prozentige Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdegegnerin sei am 24. Oktober 2001 wegen der psychischen Probleme eingetreten. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin war die Beschwerdegegnerin schon ab dem 9. Oktober 2001 aus psychischen Gründen vollständig arbeitsunfähig. Die im angefochtenen Entscheid getroffene Feststellung ist indessen nicht offensichtlich unrichtig. Den von der Beschwerdeführerin genannten Belegstellen lässt sich zwar eine volle Arbeitsunfähigkeit für die Zeit zwischen dem 9. und 17. Oktober 2001 entnehmen, aber nicht deren psychische Ursächlichkeit. Ungeachtet der Zulässigkeitsvoraussetzung, vor Bundesgericht neue Beweismittel einreichen zu können (Art. 99 Abs. 1 BGG), bedarf es somit keiner Bezugnahme auf das von der Beschwerdegegnerin nunmehr ins Recht gelegte ärztliche Zeugnis des damals behandelnden Arztes Dr. med. Bertschi vom 16. Februar 2008, aus welchem sich wegen einer Migräne vom 9. bis 17. Oktober 2001 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit ergibt. Wie aus Folgendem erhellt, ist im Übrigen auch insofern der gerügte Mangel für den Ausgang des Verfahrens nicht entscheidend.
4.
4.1 Die seit der Kindheit der Beschwerdegegnerin bestehenden schweren Angstzustände mit Panikattacken und die deswegen sowie als Folge eines unterdurchschnittlichen IQ aufgetretenen Schwierigkeiten bezüglich ihrer beruflichen Eingliederung stehen fest. In den bei den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen ist indes nirgends eine Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen vor dem 24. Oktober 2001 dokumentiert und ausgewiesen, worauf der vorinstanzliche Entscheid korrekt hinweist. Ganz im Gegenteil hat die Beschwerdegegnerin gemäss dem vom Zentrumsleiter des Zentrums X.________ ausgestellten Arbeitszeugnis vom 2. Mai 2006 im Nacht- und Tagdienst gute und zuverlässige Arbeit geleistet, sie sei an ihrer Aufgabe sehr interessiert gewesen und habe sich als ungelernte Kraft umfassend informiert und versucht, Neues dazuzulernen. Sie habe sehr gut mit ihren Kolleginnen und Vorgesetzten zusammengearbeitet, sei teamfähig und gegenüber der Heimleitung habe sie sich als Angestellte jederzeit korrekt und konstruktiv verhalten. Die Arbeitsqualität sei für eine ungelernte Kraft sehr gut gewesen. Es lässt sich diesen Bestätigungen kein Anhaltspunkt für eine aus psychischen Gründen eingeschränkte Arbeitsfähigkeit der Beschwerdegegnerin während der Dauer des Arbeitsverhältnisses vom 15. März 1997 bis 31. Oktober 1999 oder für ein sich klar negativ auf die Arbeitsleistung der Beschwerdegegnerin auswirkendes Leiden entnehmen. Dokumentierte Phasen von Arbeitsunfähigkeit vom 17. März bis 9. Mai 1999 und vom 14. August bis 31. Oktober 1999 sind auf Handgelenksbeschwerden zurückzuführen. Nicht qualifiziert unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG stellte die Vorinstanz mithin für diese Zeit das Fehlen einer psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit fest.
4.2 Zwischen dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Zentrum X.________ am 31. Oktober 1999 und dem Antritt der Stelle bei der Firma Y.________ AG am 5. Juni 2001 ist in den Akten keine Arbeitsunfähigkeit dokumentiert. Somit ergibt sich eine ärztlich attestierte und ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen, die schliesslich zur Invalidität führte, erst ab 24. Oktober 2001, wie die Vorinstanz in für das Bundesgericht verbindlicher Weise festgestellt hat (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann somit dahingestellt bleiben, ob bloss eine volle und dauerhafte Integration in den Arbeitsprozess, nicht jedoch das Teilpensum im Zentrum X.________ die zeitliche Konnexität hätte unterbrechen können, wie die Beschwerdeführerin dafür hält.
4.3 Die Beschwerdeführerin geht demgegenüber davon aus, die Beschwerdegegnerin sei schon seit ihrer Kindheit psychisch beeinträchtigt, weshalb vom Eintritt ins Erwerbsleben an eine Teil-Arbeitsunfähigkeit von mindestens 20 % mehr oder weniger dauernd bestanden hat. Sie würdigt die Stelle bei der Firma Y.________ AG unter diesem Gesichtswinkel als letztlich gescheiterten Arbeitsversuch und verweist in diesem Sinn auf das Urteil des Eidg. Versicherungsgerichtes B 35/05 vom 9. November 2005 (in: SZS 2006 S. 370 und S. 542). Vor allem macht sie auch geltend, man habe während dieses Arbeitsverhältnisses nie von der objektiven Wahrscheinlichkeit ausgehen können, die Beschwerdegegnerin habe die Erwerbsfähigkeit dauerhaft wieder erlangt (BGE 134 V 20 E. 3.2.1 S. 22 und Urteil B 95/06 vom 4. Februar 2008 E. 3.1).
Für diese Betrachtungsweise gibt es tatsächlich verschiedene Anhaltspunkte. Angesichts der schon 1995 und 1996 festgestellten, seit der früheren Kindheit aufgetretenen und offenbar ins Gewicht fallenden psychischen Probleme spricht Einiges dafür, dass die Beschwerdegegnerin einem vollen Arbeitspensum aus psychischen Gründen nie auf längere Dauer gewachsen war. Das Arbeitspensum im Zentrum X.________ war kein volles, und bei der Firma Y.________ AG kam es nach rund fünfmonatiger Tätigkeit zur klaren 100-prozentigen psychischen Arbeitsunfähigkeit.
Trotzdem ist entscheidend, dass die Beschwerdegegnerin gemäss den für das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz die Stelle beim Zentrum X.________ während rund zwei Jahren klaglos versehen hat, ohne dass sich irgendwelche psychische Probleme gestellt hätten, und auch im Rahmen der Vollzeitstelle bei der Firma Y.________ AG vor dem 24. Oktober 2001, also während rund fünf Monaten, keine Einschränkung der Arbeitsleistung wegen einer psychischen Erkrankung dokumentiert ist. Schliesslich ist noch einmal auf das Fehlen einer medizinisch ausgewiesenen Arbeitsunfähigkeit aus psychischen Gründen vor dem 24. Oktober 2001 hinzuweisen, womit eine dadurch bedingte teilweise Arbeitsunfähigkeit vor dem Eintritt der Beschwerdegegnerin in die Pensionskasse nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit belegt ist. Die Arbeitsunfähigkeit, welche schliesslich zur Invalidität führte (Art. 23 lit. a BVG), ist nach dem Gesagten in der Zeit der berufsvorsorgerechtlichen Versicherungsdeckung bei der Beschwerdeführerin aufgetreten.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde nicht begründet.
5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 und Abs. 4 lit. a BGG). Dem Prozessausgang entsprechend gehen die Gerichtskosten zu Lasten der Beschwerdeführerin (Art. 66 Abs. 1 BGG; BGE 133 V 450 E. 13 S. 472; 127 V 107 E. 6b S. 111 f.). Ferner hat die Beschwerdegegnerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Das Bundesgericht erkennt:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 16. Januar 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Ettlin