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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_5/2009
Urteil vom 11. März 2009
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiberin Feldmann.
Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Rolf Müller,
gegen
A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Krankenlohn,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 2. Dezember 2008.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdegegner) arbeitete seit 2002 als Hilfsmonteur/Chauffeur für die X.________ AG (Beschwerdeführerin) mit Sitz in Zürich. Sein Monatslohn betrug Fr. 4'400.-- brutto ab April 2006 bzw. Fr. 4'435.-- brutto ab April 2007.
Nach dem 3. November 2006 erschien der Beschwerdegegner nicht mehr zur Arbeit. Am 12. Februar 2007 unterzog er sich in Indien einer Operation der Diskushernie und kehrte am 23. April 2007 in die Schweiz zurück. Die Beschwerdeführerin bezahlte dem Beschwerdegegner für das Jahr 2007 keinen Lohn. Am 24. August 2007 kündigte sie das Arbeitsverhältnis per 31. Oktober 2007.
B.
B.a Der Beschwerdegegner erhob beim Arbeitsgericht Zürich Klage mit dem Antrag, die Beschwerdeführerin sei zu verpflichten, ihm den Krankenlohn für die Monate März - Mai 2007 in der Höhe von insgesamt Fr. 10'616.-- nebst Zins zu bezahlen. Mit Urteil vom 26. Juni 2008 hiess das Arbeitsgericht die Klage gut. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Parteien seien davon ausgegangen, der Beschwerdegegner würde die Arbeit Ende Februar/Anfang März 2007 wieder aufnehmen. Der Arbeitsvertrag sei somit nur sistiert gewesen, weshalb der Beschwerdegegner gemäss Art. 324a Abs. 1 OR und Art. 18 Abs. 1 und 3 i.V.m. Art. 8 Anhang 2 des Gesamtarbeitsvertrags für den schweizerischen Gerüstbau (GAV Gerüstbau) Anspruch auf den geltend gemachten Krankenlohn habe.
B.b Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und beantragte beim Obergericht des Kantons Zürich, das Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Obergericht hiess die Klage mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 im Umfang von Fr. 4'494.15 netto zuzüglich Zins gut und wies sie im Mehrbetrag ab mit der Begründung, die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin sei erst wieder mit der Rückkehr des Beschwerdegegners in die Schweiz am 23. April 2007 eingetreten.
C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 2. Dezember 2008 sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Mit Präsidialverfügung vom 26. Januar 2009 wurde ihr Gesuch um aufschiebende Wirkung gutgeheissen.
Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten; eventualiter sei die Beschwerde abzuweisen. Er beantragt für das Verfahren vor Bundesgericht zudem die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege unter Beiordnung von Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz als unentgeltlichen Rechtsbeistand.
Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Vorinstanz hielt fest, gemäss Art. 18 Abs. 1 GAV Gerüstbau sei jeder Betrieb verpflichtet, die diesem Vertrag unterstellten Arbeitnehmer kollektiv für Krankentaggeld im Umfang von 80 % des ausfallenden Lohns zu versichern. Mit den Taggeldleistungen solle die Lohnfortzahlungspflicht nach Art. 324a Abs. 1 OR in vollem Umfang abgegolten werden. Werde der Vertrag sistiert, erlösche die Versicherung nach Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei sistiert gewesen. Wenn die Wiederaufnahme der Arbeit aber fixiert und der Arbeitnehmer an jenem Datum krank sei, müsse er von diesem Zeitpunkt an in den Genuss der Lohnfortzahlung bzw. des Krankentaggelds kommen; die Leistungspflicht des Arbeitgebers gemäss Art. 324a OR lebe im entsprechenden Zeitpunkt wieder auf. Eine gegenteilige Auslegung, wonach eine für die Dauer der Sistierung erloschene Leistungspflicht nach Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau endgültig und unwiedereinbringlich untergehe, würde dazu führen, dass die zwingende Bestimmung von Art. 324a Abs. 1 OR umgangen würde. Dies könne nicht der Sinn eines Gesamtarbeitsvertrags sein, der gemäss Art. 324a Abs. 4 OR für den Arbeitnehmer im Verhältnis zur zwingenden Bestimmung von Art. 324a Abs. 1 OR mindestens gleichwertig sein müsse. Nach dieser Bestimmung sei der Lohn bzw. ein Krankentaggeld während einer angemessenen Zeit weiter zu leisten; in Anwendung der Zürcher Skala bedeute dies mindestens elf Wochen. Auch gestützt auf Art. 10 Anhang 2 GAV Gerüstbau sei die Versicherung bzw. die Leistungspflicht des Arbeitgebers nicht endgültig erloschen. Nach dessen Absatz 1 trete die Leistungspflicht zwar ausser Kraft, da sich der Beschwerdegegner länger als drei Monate im Ausland aufgehalten habe. Gemäss Absatz 2 dieser Bestimmung habe indes selbst ein erkrankter Versicherter, der sich ohne ausdrückliche Zustimmung des Versicherers ins Ausland begeben habe, (erst) vom Zeitpunkt der Rückkehr in die Schweiz wieder Anspruch auf Leistungen.
2.
Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert für arbeitsrechtliche Fälle nicht erreicht ist (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Sie ist aber der Auffassung, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).
2.1 Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist sehr restriktiv auszulegen (BGE 133 III 493 E. 1.1 S. 495). Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4, mit Hinweisen). Die Voraussetzung ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen. In der Beschwerdeschrift ist auszuführen, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 5).
2.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, es sei vor der Vorinstanz unbestritten geblieben, dass der GAV Gerüstbau betreffend Anspruch auf Lohn bei Verhinderung des Arbeitnehmers eine gültige Ersatzlösung nach Art. 324a Abs. 4 OR darstelle. Das Bundesgericht habe noch nie entschieden, ob eine als gültig anerkannte Ersatzlösung im Sinne von Art. 324a Abs. 4 OR im Einzelfall und im Nachhinein auf die Vereinbarkeit mit Art. 324a Abs. 1 OR überprüft werden dürfe. Dies stelle eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, da davon auszugehen sei, dass gemäss Rechtsprechung aus nichtzürcherischen Kantonen eine nachträgliche Überprüfung von gültigen Ersatzlösungen nicht möglich sei. Ein Entscheid des Bundesgerichts wäre von wegleitender Bedeutung, zumal sich diese Frage in vielen Prozessen stellen dürfte, die bereits vor den ersten Instanzen erledigt werden.
Es trifft nicht zu, dass vor der Vorinstanz unbestritten blieb, es liege eine gleichwertige Ersatzlösung nach Art. 324a Abs. 4 OR vor. Der Beschwerdegegner führte an der von der Beschwerdeführerin angegebenen Stelle lediglich aus, dies sei von Amtes wegen zu prüfen ("Jura novit curia"). Die Vorinstanz legte Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau so aus, dass eine - im Verhältnis zu Art. 324a Abs. 1 OR - gleichwertige Regelung gegeben war. Die Frage, ob eine "gültige Ersatzlösung" im Nachhinein überprüft werden kann, stellt sich somit nicht. Vielmehr geht es um die Frage, ob die entsprechende Bestimmung von der Vorinstanz richtig ausgelegt worden ist.
2.3 Die Beschwerdeführerin bringt diesbezüglich eventualiter vor, die Vorinstanz habe die bundesrechtlichen Grundsätze über die Auslegung von Gesamtarbeitsverträgen verletzt, da sie Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau entgegen dem Wortlaut so ausgelegt habe, dass eine Leistungspflicht für die Dauer von mindestens elf Wochen bestehe. Das Bundesgericht habe noch nie entschieden, wie Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau auszulegen sei. Ob die Vorinstanz diese Bestimmung richtig ausgelegt habe, sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, da der Landesmantelvertrag für das Bauhauptgewerbe eine identische Bestimmung enthalte und diesem sowie dem GAV Gerüstbau gegen 100'000 Arbeitnehmer unterstellt sein dürften.
Mit ihren Vorbringen macht die Beschwerdeführerin geltend, dass bundesrechtliche Grundsätze auf den zu beurteilenden Fall nicht richtig angewendet worden sein sollen. Damit ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht dargetan. Allein der Umstand, dass gegen 100'000 Arbeitnehmer der gleichen Bestimmung unterstellt sein sollen, macht die Frage der Auslegung von Art. 8 lit. b Anhang 2 GAV Gerüstbau zudem noch nicht zu einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Die Frage stellt sich nur dann, wenn sich ein erkrankter Arbeitnehmer länger als drei Monate im Ausland aufhält und das Arbeitsverhältnis sistiert ist. Die Beschwerdeführerin, die dem Bundesgericht eine solche spezielle Konstellation als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung unterbreiten will, hat darzutun, dass ein Entscheid in dieser Konstellation für die Praxis wegleitend sein kann und die Rechtsfrage nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Dazu genügt die Begründung, dass gegen 100'000 Arbeitnehmer derselben Bestimmung unterstellt sein dürften, offensichtlich nicht. Vielmehr hätte die Beschwerdeführerin aufzuzeigen, dass diese Konstellation keinen Einzelfall darstellt. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin sind klar unzulänglich (Art. 42 Abs. 2 BGG).
2.4 Da weder der erforderliche Streitwert gegeben ist noch eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, kann auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten werden.
2.5 Eine Konversion in eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde fällt ausser Betracht, da die Beschwerdeführerin nicht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte rügt (Art. 116 BGG).
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).
Das Gesuch des Beschwerdegegners um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege behält unter diesen Umständen nur Bedeutung für den Fall, dass sich die Parteientschädigung als uneinbringlich erweisen sollte (Art. 64 Abs. 2 BGG). Da der Beschwerdegegner im Prozess obsiegt hat, eine Bedürftigkeit angesichts des Prozessausgangs aber nur im Falle der Uneinbringlichkeit der zugesprochenen Forderung als ausgewiesen gelten kann, wird ihm die unentgeltliche Rechtspflege in dem Sinne gewährt, dass die von der Beschwerdeführerin geschuldete Parteientschädigung bei Uneinbringlichkeit seinem Rechtsvertreter aus der Bundesgerichtskasse zu entrichten ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Das Gesuch des Beschwerdegegners um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen, und es wird ihm Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz, Baden, als Rechtsbeistand beigegeben.
2.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen. Im Falle der Uneinbringlichkeit wird dieser Betrag Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz aus der Bundesgerichtskasse entrichtet.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. März 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:
Klett Feldmann