Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_63/2009
Urteil vom 23. März 2009
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Gelzer.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Andrea Tarnutzer-Münch,
gegen
X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrick Bühlmann.
Gegenstand
Arbeitsvertrag; Kündigung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer,
vom 16. Dezember 2008.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdeführer) stand mit der X.________ AG (Beschwerdegegnerin) in einem vom 1. Oktober 2002 bis zum 30. September 2004 befristeten Arbeitsverhältnis, welches die Beschwerdegegnerin aber bereits am 30. Januar 2004 auf den 29. Februar 2004 kündigte. Auf schriftliche Einsprache des Beschwerdeführers begründete die Beschwerdegegnerin die Kündigung damit, dass sich Frauen mehrfach wegen des Verhaltens des Beschwerdeführers beklagt hätten. Dieser sei ermahnt worden, sich gegenüber Frauen adäquat zu verhalten. Leider sei es erneut zu einem gravierenden Vorfall gekommen, weshalb die Kündigung ausgesprochen worden sei.
B.
Am 27. August 2004 reichte der Beschwerdeführer beim Arbeitsgericht Laufenburg Klage ein. Er verlangte, die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihm eine angemessene Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung (vorgeschlagener Höchstbetrag Fr. 29'500.--, richterliches Ermessen und Rektifikation aufgrund des Ergebnisses des Beweisverfahrens vorbehalten) zu bezahlen. Ferner forderte er eine Änderung des Arbeitszeugnisses. Das Arbeitsgericht Laufenburg verpflichtete die Beschwerdegegnerin am 14. November 2007 in teilweiser Gutheissung der Klage, dem Beschwerdeführer Fr. 15'000.-- zu bezahlen. Im Übrigen wies es die Klage ab. Auf Appellation der Beschwerdegegnerin wies das Obergericht des Kantons Aargau die Klage am 16. Dezember 2008 ab.
C.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des Obergerichts vom 16. Dezember 2008 aufzuheben und ihm Fr. 15'000.-- zuzusprechen, bzw. das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, wobei diese anzuweisen sei, den Zeugen B.________ anzuhören. Schliesslich ersucht der Beschwerdeführer um Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels.
Die Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
Nach Art. 102 Abs. 3 BGG findet in der Regel kein weiterer Schriftenwechsel statt. Für einen solchen bestand im vorliegenden Fall kein Anlass, weshalb das Bundesgericht dem Beschwerdeführer die Vernehmlassungen nur zur Kenntnisnahme zustellte. Nach der Rechtsprechung hätte der Beschwerdeführer dennoch umgehend eine Stellungnahme einreichen können (BGE 133 I 98 E. 2.2 S. 99 f.), was er jedoch unterliess.
2.
2.1 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Der Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, kann sich nicht damit begnügen, den bestrittenen Feststellungen eigene tatsächliche Behauptungen gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise seiner Ansicht nach zu würdigen gewesen wären. Vielmehr hat er klar und substantiiert aufzuzeigen, inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die Unterlassung von Feststellungen offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; 133 III 462 E. 2.4 S. 466 f.).
2.2 Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer darin Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz übt, ohne diesen Anforderungen gerecht zu werden.
3.
3.1 Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht. Die Kündigung ist jedoch missbräuchlich, wenn sie aus in Art. 336 OR umschriebenen unzulässigen Gründen ausgesprochen wird, wobei diese Aufzählung nicht abschliessend ist (BGE 132 III 115 E. 2.1, mit Hinweisen). Gemäss Art. 336 Abs. 1 lit. a OR ist die Kündigung missbräuchlich, wenn sie wegen einer Eigenschaft ausgesprochen wird, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber gemäss Art. 328 OR verpflichtet ist, die Persönlichkeitsgüter des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe Vorgesetzter, Mitarbeiter oder Dritter zu schützen. Diese Fürsorgepflichten bilden das Korrelat der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Daraus hat das Bundesgericht abgeleitet, dass eine Kündigung nicht missbräuchlich ist, wenn wegen des schwierigen Charakters eines Arbeitnehmers eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstanden ist, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirkt, und der Arbeitgeber zuvor sämtliche ihm zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen. Hat sich der Arbeitgeber jedoch nicht oder ungenügend um die Lösung des Konflikts bemüht und ist er damit seiner Fürsorgepflicht nicht hinreichend nachgekommen, erweist sich die Kündigung als missbräuchlich (BGE 132 III 115 E. 2.2 S. 117, mit Hinweisen).
3.2 Die Vorinstanz führte aus, der Beschwerdeführer habe häufig und ohne berufliche Hintergründe den Kontakt zu den Frauen im Betrieb gesucht und dabei die Grenze des Tolerierbaren überschritten, indem er deren Gesäss und Brüste angestarrt habe. Einer Mitarbeiterin gegenüber, welche der Beschwerdeführer wegen Problemen mit dem Drucker behilflich sein wollte, sei er derart nahe gekommen, dass "kein Blatt Papier" mehr dazwischen gepasst hätte. Der Beschwerdeführer habe die Vorfälle als solche grösstenteils nicht bestritten, sondern die erotische Konnotation seines Verhaltens in Abrede gestellt oder sich wegen Alkoholgenusses entschuldigt. Die Erklärung des Beschwerdeführers, eine mit einer bestimmten Arbeit beschäftigte Frau minutenlang angestarrt zu haben, weil diese keinen Atemschutz getragen habe, sei nicht glaubhaft. Eine andere Frau habe als Zeugin ausgeführt, sie habe das Labor mit einer Schürze bekleidet verlassen, weil sie sich damit besser bedeckt und verhüllt gefühlt habe. Weitere Zeuginnen hätten angegeben, sie seien dem Beschwerdeführer aus dem Weg gegangen. Mehrere Frauen hätten sich wegen des als belästigend und aufdringlich empfundenen Umgangs des Beschwerdeführers an ihren Vorgesetzten gewandt. Am 10. Januar 2003 habe ein erstes Gespräch zwischen einem Vertreter der Beschwerdegegnerin und dem Beschwerdeführer über dessen Verhalten stattgefunden. Diesem sei anschliessend klar gewesen, inwiefern er sein Verhalten gegenüber den Mitarbeiterinnen ändern müsse. Wegen erneuter Beschwerden sei es am 23. September 2003 zu einer weiteren Besprechung gekommen, in deren Folge sich das Verhalten des Beschwerdeführers verbessert habe. Ende Januar 2004 habe der Beschwerdeführer jedoch einer beinahe 40 Jahre jüngeren Mitarbeitenden anlässlich eines zufälligen Zusammentreffens auf dem Betriebsgelände für diese völlig unerwartet einen Handkuss aufgedrängt. Die 21-jährige Frau, die von ihrem Entwicklungsstand her weit jünger wirke, habe sich unangenehm berührt gefühlt und den Handkuss als "irgendwie lüstern" empfunden. Wesentlich sei, dass es sich dabei um einen unerwünschten Körperkontakt gehandelt habe, der dem Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin ausdrücklich untersagt worden sei und der erneut für Aufsehen und Unruhe in der Belegschaft gesorgt habe. Die Beschwerdegegnerin habe daher diesen Vorfall als Anlass für die Kündigung nehmen dürfen. Eine Verletzung der Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschwerdeführer sei nicht auszumachen, da er sich nicht an die ihm bekannten Weisungen gehalten habe, obwohl er angehört und verwarnt worden sei und gewusst habe, was von ihm erwartet wurde. Die Kündigung sei daher nicht missbräuchlich im Sinne von Art. 336 OR.
3.3 Der Beschwerdeführer ist der Meinung, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine missbräuchliche Kündigung im Sinne von Art. 336 OR verneint. Er rügt eine Verletzung der Fürsorgepflicht nach Art. 328 OR.
3.4 Der Beschwerdeführer übergeht die Feststellung der Vorinstanz, dass es in erster Linie seinem Verhaltensmuster zuzuschreiben sei, dass sich die betroffenen, im Betrieb tätigen Frauen in gleicher Weise über das ihnen gegenüber an den Tag gelegte Benehmen des Beschwerdeführers geäussert haben. Ob sich hernach eine Eigendynamik entwickelte, welche zu einer Verstärkung der Wahrnehmung der Betroffenen führte, wie der Beschwerdeführer geltend macht, ist unter diesen Umständen unerheblich. Dass die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung in Willkür verfallen wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar.
3.5 Fest steht, dass der Beschwerdeführer mehrfach für Unruhe im Betrieb sorgte, da sich verschiedene Frauen durch die Art seines Umgangs mit ihnen belästigt fühlten. Die Beschwerdegegnerin kam ihnen gegenüber ihrer Fürsorgepflicht nach, indem sie den Beschwerdeführer mehrfach damit konfrontiert und ihn ermahnt hat, sich im Umgang mit Frauen anders zu verhalten. Damit gab sie dem Beschwerdeführer die Möglichkeit, sein Verhalten im Kontakt zu den Mitarbeiterinnen den ihm konkret aufgezeigten Anforderungen anzupassen, was ihm nach der zweiten Mahnung eine Zeit lang auch gelang. Wenn ihn die Beschwerdegegnerin nach einem weiteren auf der Linie der abgemahnten liegenden Geschehnis, das im Betrieb für Unruhe sorgte, entliess, kann ihr nicht vorgeworfen werden, ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschwerdeführer nicht hinreichend nachgekommen zu sein. Vielmehr ist die Beschwerdegegnerin mit der mehrfachen Warnung des Beschwerdeführers und den beiden Gesprächen in Anwesenheit der betroffenen Frauen sowohl ihrer Fürsorgepflicht gegenüber dem Beschwerdeführer als auch jener gegenüber den sich unangenehm betroffen fühlenden Frauen hinreichend nachgekommen. Inwiefern bei dieser Sachlage eine schriftliche Verwarnung, die Dokumentierung des Ablaufs der verschiedenen Gespräche und der Beizug eines Sozialarbeiters das Problem hätten lösen sollen, ist nicht ersichtlich. Von einer "unvorbereiteten" bzw. überraschenden Kündigung kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Damit hat die Vorinstanz bundesrechtskonform erkannt, der für die Kündigung letztlich ausschlaggebende Handkuss, der für die junge Angestellte eine ungewöhnliche und unerwünschte körperliche Berührung bedeutete, weise eine hinreichende Schwere auf, um die Entlassung zu rechtfertigen, zumal der Beschwerdeführer aufgrund der vorangegangenen Gespräche gewarnt war.
3.6 Die Vorinstanz gelangte in Beweiswürdigung zum Schluss, die Schilderungen der angeführten Vorkommnisse durch die betroffenen Frauen träfen zu. Auf diese Begebenheiten ist es zurückzuführen, dass sich die Kündigung als gerechtfertigt erweist. Inwiefern eine Mobbing-Situation zur Kündigung geführt haben könnte, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Die Vorinstanz durfte daher ohne Verletzung des Gehörsanspruchs von weiteren Beweiserhebungen absehen.
3.7 Schliesslich ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass eine Kündigung dann nicht missbräuchlich ist, wenn sie wegen Persönlichkeitszügen des Arbeitnehmers ausgesprochen wird, welche eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstehen lassen und es deswegen immer wieder zu neuen Konflikten kam, die sich auch durch geeignete Vorkehren des Arbeitgebers nicht verhindern lassen (vgl. E. 3.1 hiervor). Dies traf im vorliegenden Fall zu. Demnach wäre die Kündigung auch dann nicht missbräuchlich, wenn gemäss der Annahme des Beschwerdeführers das Verabreichen von Handküssen als eine zu seiner Persönlichkeit gehörende Höflichkeitsform betrachtet würde.
4.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. März 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Klett Gelzer