BGer 1B_252/2008 |
BGer 1B_252/2008 vom 16.04.2009 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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1B_252/2008
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Urteil vom 16. April 2009
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I. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Féraud, Präsident,
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Bundesrichter Reeb, Raselli, Fonjallaz, Eusebio,
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Gerichtsschreiber Forster.
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1. Parteien
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X.________ GmbH,
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2. Y.________,
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Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Elisabeth Roth,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt St. Gallen, Schützengasse 1,
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9001 St. Gallen,
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Gegenstand
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Beschlagnahme,
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Beschwerde gegen den Entscheid vom 9. Juli 2008
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der Anklagekammer des Kantons St. Gallen.
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Sachverhalt:
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A.
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Das Untersuchungsamt St. Gallen führt eine Strafuntersuchung gegen Y.________ und die X.________ GmbH wegen Verdachts des gewerbsmässigen Betrugs, der Übertretung des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb und der Widerhandlung gegen die Preisbekanntgabeverordnung. Am 8. Mai 2007 verfügte es Kontensperren, und am 14. Mai 2007 beschlagnahmte es in Geschäftsräumlichkeiten der genannten Gesellschaft unter anderem Geschäftsunterlagen und Vermögenswerte, insbesondere Teppiche.
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B.
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Mit Schreiben vom 5. Mai 2008 beantragten die Gesellschaft und Y.________ beim Untersuchungsamt die Herausgabe der (unterdessen noch) sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte. Mit Schreiben vom 6. Mai 2008 hielt das Untersuchungsamt an der Aufrechterhaltung der Beschlagnahmen und Kontensperren fest. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen am 9. Juli 2008 ab.
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C.
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Gegen den Entscheid der Anklagekammer vom 9. Juli 2008 gelangten die Gesellschaft und Y.________ mit Beschwerde vom 15. September 2008 an das Bundesgericht. Sie beantragen zur Hauptsache die Aufhebung der Kontensperren bei drei Finanzinstituten sowie die Herausgabe der beschlagnahmten Teppiche und Geschäftsunterlagen.
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Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 8. Oktober 2008 die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist, während die Anklagekammer auf eine Stellungnahme verzichtete. Die Beschwerdeführer replizierten am 20. November 2008.
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Erwägungen:
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1.
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Zu prüfen ist zunächst, ob die Beschwerde angesichts des Fristenstillstands während den sogenannten "Gerichtsferien" (Art. 46 Abs. 1 BGG) rechtzeitig erhoben wurde.
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1.1 Nach alter Bundesrechtspflege galten für "Strafsachen" die Gerichtsferien nicht (Art. 34 Abs. 2 OG). Unter die Strafsachen im Sinne des OG fielen jedoch nur Verfahren, mit denen das Bundesgericht als eidgenössische Strafgerichtsbehörde befasst war, nicht aber Verfahren der Staats- oder Verwaltungsrechtspflege. Die Gerichtsferien waren daher nach altem Recht im (staatsrechtlichen) Beschwerdeverfahren gegen strafprozessuale Zwischenentscheide, insbesondere Zwangsmassnahmen, zu berücksichtigen (BGE 103 Ia 367 f.; Urteil 1P.534/2003 vom 6. Oktober 2003 E. 1). Der seit 1. Januar 2007 anwendbare Art. 46 BGG regelt den Fristenstillstand im Rahmen der sogenannten "Gerichtsferien" in Absatz 1. Als Ausnahmen vom Fristenstillstand nennt Absatz 2 "Verfahren betreffend aufschiebende Wirkung und andere vorsorgliche Massnahmen" sowie die Wechselbetreibung und die internationale Rechtshilfe in Strafsachen.
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1.2 Der bundesrätlichen Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege lässt sich nicht entnehmen, was unter "anderen vorsorglichen Massnahmen" im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG zu verstehen ist. Gemäss Botschaft sei die altrechtlich (in Art. 34 Abs. 2 OG) noch vorgesehene Ausnahme vom Fristenstillstand für "Strafsachen" nach Inkrafttreten des BGG zwar "nicht mehr gerechtfertigt, da das Bundesgericht in diesem Bereich nur noch Beschwerdeinstanz sein" werde (BBl 2001 S. 4297 Ziff. 4.1.2.5; s. auch Kathrin Amstutz/Peter Arnold Basler Kommentar BGG, Basel 2008, Art. 46 N. 10). Der Hinweis auf die altrechtliche Ausnahme für "Strafsachen" bezieht sich jedoch, wie bereits dargelegt, nicht auf strafprozessuale Zwangsmassnahmenentscheide. Ausserdem wäre nicht einzusehen, weshalb bei vorsorglichen Massnahmen in Zivil- und Verwaltungsverfahren (wo das Bundesgericht ebenfalls als Beschwerdeinstanz tätig wird) die fragliche Ausnahme von den Gerichtsferien gelten sollte (vgl. dazu nachfolgend, E. 1.4), im Strafprozess hingegen nicht. Dies umso weniger, als schon die altrechtliche materielle Praxis Beschlagnahmenentscheide als "provisorische prozessuale Massnahmen" bezeichnete (vgl. BGE 126 I 97 E. 1c S. 102; s. dazu unten, E. 1.5).
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1.3 In BGE 133 I 270 E. 1.2.1 S. 273 f. liess das Bundesgericht ausdrücklich offen, ob es sich bei strafprozessualen Haftprüfungen um "Verfahren betreffend andere vorsorgliche Massnahmen" im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG handelt. Die Frage konnte offenbleiben, da in Haftfällen der Fristenstillstand bereits wegen des besonderen Beschleunigungsgebots in Haftsachen nicht greift. Hier ist zu prüfen, ob Entscheide über strafprozessuale Beschlagnahmungen bzw. Kontensperren als vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG zu behandeln sind.
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1.4 Im Zivilprozessrecht fallen unter die vorsorglichen Massnahmen im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG zum Beispiel die Schuldneranweisung gemäss den Bestimmungen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft (Art. 177 ZGB; BGE 134 III 667), die Einsprache gegen die Ausstellung einer Erbenbescheinigung (Art. 559 Abs. 1 ZGB; Urteil 5A_162/ 2007 vom 16. Juli 2007 E. 5.2) oder das Inventar über das Kindesvermögen (Art. 318 Abs. 2 ZGB; Urteil 5A_169/2007 vom 21. Juni 2007 E. 3). Im Verwaltungsverfahrensrecht gehören etwa provisorische Lärmschutzmassnahmen dazu (Urteil 1C_283/2007 vom 20. Februar 2008 E. 2.3-2.4), bei den SchKG-Verfahren der Arrest (inklusive Weiterziehung des Einspracheentscheides nach Art. 278 Abs. 3 SchKG; Pra 2007 Nr. 138 S. 944 ff., E. 3.2). Ausländerrechtliche Zwangsmassnahmenentscheide, etwa betreffend Durchsetzungshaft, fallen hingegen weder unter die Rechtsprechung zu strafprozessualen vorläufigen Zwangsmassnahmen (im Sinne von BGE 133 I 270 E. 1.2.2 S. 274) noch unter die "anderen vorsorglichen Massnahmen" im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG (BGE 134 II 201 E. 1.2 S. 203 f.).
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1.5 Die hier streitige Einziehungsbeschlagnahme (Art. 141 Abs. 1 lit. b StP/SG) stellt - im Gegensatz zur endgültigen materiellrechtlichen Einziehung - eine von Bundesrechts wegen vorgesehene provisorische (konservatorische) strafprozessuale Massnahme dar zur vorläufigen Sicherstellung von allenfalls der Einziehung unterliegenden Vermögenswerten oder zur Durchsetzung einer möglichen staatlichen Ersatzforderung. Die Beschlagnahme greift dem Einziehungsentscheid nicht vor; und auch die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an den Vermögenswerten bleiben durch die strafprozessuale Beschlagnahme unberührt (BGE 126 I 97 E. 1c S. 102; 124 IV 313 E. 4 S. 316; 120 IV 365 E. 1c S. 366 f.). Bei der Beweismittelbeschlagnahme (Art. 141 Abs. 1 lit. a StP/SG) handelt es sich um eine provisorische strafprozessuale Massnahme zur Beweissicherung. Der Sinn und Zweck von Art. 46 Abs. 2 BGG erfasst auch diese vorläufigen prozessualen Zwangsmassnahmen. Zwar ist hier kein (zusätzliches) besonderes verfassungsmässiges Beschleunigungsgebot wie in strafprozessualen Haftsachen zu berücksichtigen (vgl. Art. 31 Abs. 3-4 BV; BGE 133 I 270 E. 1.2.1 S. 273 f.). Auch Beschwerdefälle betreffend Beschlagnahmen sind jedoch zur Wahrung der Verhältnismässigkeit und im Interesse der Verfahrensbeschleunigung möglichst zügig zu entscheiden. Im Übrigen rechtfertigt - im Vergleich mit zivil- und verwaltungsprozessualen vorsorglichen Massnahmen (bei denen Art. 46 Abs. 2 BGG nach der dargelegten Rechtsprechung zur Anwendung kommt) - auch die Bedeutung und Eingriffsintensität strafprozessualer Beschlagnahmungen und Kontensperren eine analoge verfahrensrechtliche Praxis.
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1.6 Auch wenn strafprozessuale Zwischenentscheide (wie Beschlagnahmen und Kontensperren) somit als andere vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 46 Abs. 2 BGG zu behandeln sind, muss im vorliegenden Fall nach Treu und Glauben noch auf die Beschwerde eingetreten werden (BGE 133 I 270 E. 1.2.3 S. 274 f. mit Hinweisen). Die neue Rechtslage war aufgrund von BGE 133 I 270 E. 1.2.1 S. 273 f. (und angesichts der altrechtlichen Praxis bzw. der erfolgten Revision der Bundesrechtspflege) jedenfalls noch nicht ausreichend klar.
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2.
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Weiter stellt sich die Frage, inwiefern die Beschwerdeführer zur Beschwerde berechtigt sind (Art. 81 BGG). Sie machen geltend, sie hätten keine Rechte an den beschlagnahmten Teppichen. Diese seien "den Lieferanten als Eigentümer dieser Vermögenswerte" herauszugeben. Ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Herausgabe der Teppiche (an sie selbst oder an Dritte) legen die Beschwerdeführer nicht dar. Sie sind nicht befugt, die Vermögensinteressen der direkt betroffenen Eigentümer selbstständig wahrzunehmen und die Herausgabe von Vermögenswerten an diese Dritten zu beantragen. Es ist deshalb fraglich, ob sie in diesem Streitpunkt ein rechtlich geschützten Beschwerdeinteresse haben (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Die Frage, ob die Beschwerde insofern teilweise unzulässig ist, braucht aber nicht abschliessend geprüft zu werden. Wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, sind auch die entsprechenden Rügen materiell unbegründet.
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3.
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Die Beschwerdeführer machen geltend, der Tatverdacht habe sich weitgehend zerschlagen. Es habe bis heute niemand einen "Schaden konkretisiert und geltend gemacht". Die beschlagnahmten Vermögenswerte (Kontenguthaben und Teppiche) stünden mit den untersuchten strafrechtlichen Vorwürfen in keinem Zusammenhang. Die Beweismittelbeschlagnahmen (von Geschäftsunterlagen und Teppichen) seien mangels Beweiseignung nicht mehr zulässig. Die Beweiserhebungen (insbesondere mittels Expertisen und Einvernahmen) seien unterdessen abgeschlossen. Zwar würden die Schlussfolgerungen der Teppichgutachten bestritten bzw. sei deren Würdigung "offen". Die physische Beschlagnahme der Teppiche sei angesichts der erstellten Dokumentation jedoch nicht mehr notwendig. Ihre strafrechtliche Einziehung komme nicht in Frage, da es sich um "Kommissionsware" handle. Im Falle einer nichtfachmännischen Lagerung drohe ein Wertverlust. Auf Geschäftskonten der Beschwerdeführerin 1 seien noch ca. Fr. 1,4 Mio. gesperrt. Bei Gläubigern habe sie Schulden in der Höhe von Fr. 942'304.95, sodass zumindest dieser Betrag freizugeben sei. Die Zwangsmassnahmen hätten die Geschäftstätigkeit der Beschwerdeführerin 1 lahm gelegt. Da die Geschäfts- bzw. Buchhaltungsunterlagen beschlagnahmt und expertisiert worden seien, könnten Aufträge nicht ordnungsgemäss abgewickelt und (von der Treuhandstelle) keine Steuererklärungen eingereicht werden. Da die Originaldokumente auf einem elektronischen Datenträger gespeichert seien, gebe es keinen Grund, deren Herausgabe zu verweigern. Die Beschwerdeführer rügen in diesem Zusammenhang eine willkürliche Beweiswürdigung (Art. 9 BV) bzw. offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz (Art. 97 Abs. 1 BGG) sowie eine verfassungswidrige Anwendung von Bundesstrafrecht (Art. 69 ff. i.V.m. Art. 146 StGB). Die angefochtenen Zwangsmassnahmen führten ausserdem zu unverhältnismässigen Eingriffen in die Eigentumsgarantie (Art. 26 i.V.m. Art. 36 Abs. 3 BV).
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4.
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Nach st.gallischem Strafprozessrecht werden Gegenstände und Vermögenswerte beschlagnahmt, die als Beweismittel dienen können (Art. 141 Abs. 1 lit. a StP/SG) oder deren Einziehung und Verfall an den Staat in Frage kommt (Art. 141 Abs. 1 lit. b StP/SG). Zur Sicherung der Verfahrens- und Vollzugskosten ist ferner die Deckungsbeschlagnahme von Vermögenswerten des Angeschuldigten möglich (Art. 142 StP/SG).
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4.1 Das Strafgericht verfügt die Einziehung von Vermögenswerten, die durch eine Straftat erlangt worden sind, sofern sie nicht dem Verletzten zur Wiederherstellung des rechtmässigen Zustandes ausgehändigt werden (Art. 70 Abs. 1 StGB). Die Einziehung ist ausgeschlossen, wenn ein tatunbeteiligter Dritter die Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde (Art. 70 Abs. 2 StGB). Sind die der Einziehung unterliegenden Vermögenswerte (oder deren Surrogate) nicht mehr vorhanden, so erkennt das Gericht auf eine Ersatzforderung des Staates in gleicher Höhe, gegenüber einem Dritten jedoch nur, soweit dies nicht nach Art. 70 Abs. 2 StGB ausgeschlossen ist (Art. 71 Abs. 1 StGB). Die Untersuchungsbehörde kann im Hinblick auf die Durchsetzung der Ersatzforderung Vermögenswerte des Betroffenen mit Beschlag belegen (Art. 71 Abs. 3 StGB). Unter den Voraussetzungen von Art. 73 StGB spricht das Gericht eingezogene Vermögenswerte bzw. Ersatzforderungen des Staates den Geschädigten zu (Art. 73 Abs. 1 lit. b-c StGB).
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4.2 Die strafprozessuale Einziehungsbeschlagnahme (Art. 141 Abs. 1 lit. b StP/SG, Art. 71 Abs. 3 StGB) kann der Sicherung der Ausgleichseinziehung oder von entsprechenden Ersatzforderungen des Staates dienen (vgl. BGE 126 I 97 E. 3c S. 106 f., E. 3e S. 110, mit Hinweisen). Sie stellt (im Gegensatz zur endgültigen materiellrechtlichen Einziehung) lediglich eine von Bundesrechts wegen vorgesehene provisorische (konservatorische) prozessuale Massnahme dar zur vorläufigen Sicherstellung von allenfalls der Einziehung unterliegenden Vermögenswerten oder zur Durchsetzung einer möglichen staatlichen Ersatzforderung. Die Beschlagnahme greift dem Einziehungsentscheid nicht vor; und auch die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse an den Vermögenswerten bleiben durch die strafprozessuale Beschlagnahme unberührt (vgl. oben, E. 1.5). Der strafrechtlichen Einziehung unterliegen grundsätzlich alle wirtschaftlichen Vorteile, die sich rechnerisch ermitteln lassen und die direkt oder indirekt durch die strafbare Handlung erlangt worden sind (BGE 120 IV 365 E. 1d S. 367 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 IV 4 E. 2a/bb S. 7).
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4.3 Über die Zulässigkeit und den Umfang einer allfälligen Vermögenseinziehung hat gegebenenfalls der dafür zuständige Sachrichter zu urteilen. Die hier streitigen vorläufigen Einziehungs- bzw. Beweismittelbeschlagnahmen setzen nach der Praxis des Bundesgerichtes voraus, dass ein hinreichender, objektiv begründeter konkreter Tatverdacht besteht. Die Zwangsmassnahmen müssen ausserdem vor dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz standhalten. Einziehungsbeschlagnahmen sind aufzuheben, falls eine strafrechtliche Einziehung (oder Ersatzforderung zulasten) des betroffenen Vermögens aus materiellrechtlichen Gründen bereits als offensichtlich unzulässig erschiene (BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316; vgl. auch BGE 128 I 129 E. 3.1.3 S. 133 f.; 126 I 97 E. 3d/aa S. 107; Niklaus Schmid, in: N. Schmid [Hrsg.], Kommentar Einziehung, Organisiertes Verbrechen, Geldwäscherei, Bd. I, 2. Aufl., Zürich 2007, Art. 70-72 StGB N. 171 ff.).
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4.4 Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter nimmt das Bundesgericht bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachtes im strafprozessualen Zwangsmassnahmenverfahren keine erschöpfende Abwägung aller strafrechtlich in Betracht fallenden Tat- und Rechtsfragen vor (vgl. BGE 124 IV 313 E. 4 S. 316). In Fällen wie dem vorliegenden beschränkt sich die Tatsachenüberprüfung und die Kontrolle der Anwendung des kantonalen Prozessrechts praktisch auf Willkürkognition (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; s. auch BGE 133 III 393 E. 6-7.1 S. 397 f.).
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5.
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Laut angefochtenem Entscheid gründet der Tatverdacht im Wesentlichen auf folgenden bisherigen Untersuchungsergebnissen:
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Im Jahre 2004 sei die Fa X.________ AG in Konkurs gefallen. Das Unternehmen sei für die Produktion hochwertiger Schweizer Qualitätsmöbel bekannt gewesen. Der Beschwerdeführer 2 habe aus der Konkursmasse den Firmennamen und die Internet-Domain der Gesellschaft erstanden. An wechselnden Standorten, an denen zuvor die konkursite Möbelfirma hochwertige Produkte verkauft habe, zuletzt seit September 2006 in St. Gallen, hätten die Beschwerdeführer Möbel- und Teppichhandel betrieben. In der Werbung sei der falsche Eindruck erweckt worden, es würden aus der Liquidationsmasse der konkursiten Gesellschaft die letzten Möbel aus Schweizer Produktion mit grossen Preisabschlägen angeboten. In Wirklichkeit seien die Möbel vorwiegend aus ausländischer Produktion auf dem normalen Markt eingekauft worden. Von der konkursiten Gesellschaft seien keine Möbel übernommen worden; der Warenanteil von anderen liquidierten Möbelfirmen habe nur ca. 10 % betragen. In mehr als der Hälfte der Fälle sei die Ware im Zeitpunkt des Verkaufsabschlusses mit den Kunden gar noch nicht im Besitz der Beschwerdeführer gewesen. Erst nach Unterzeichnung des Kaufvertrages sei eine Bestellung bei den Lieferanten erfolgt.
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Die Werbeunterlagen und Preisangaben der Beschwerdeführer hätten den Eindruck erweckt, es würden Liquidationsrabatte von 30-70 % gewährt. Dementsprechend seien auf den Preisanschriften höhere (angebliche) "empfohlene" Handelspreise angegeben und durchgestrichen worden (sogenannte "Mondpreise"). In Wirklichkeit seien die Möbel nie zu solchen (weit überhöhten) angeblichen Handelspreisen im Verkehr gewesen. Hunderten von Kunden sei dadurch vorgetäuscht worden, sie kauften hochwertige Schweizer Möbel zu massiv verbilligten Preisen. Tatsächlich hätten die Kunden Möbel aus ausländischer Produktion aus dem mittleren Preissegment erhalten. Die angeblichen Liquidationspreise hätten deutlich über dem jeweiligen Verkehrswert der Waren gelegen. Der damit erzielte Gewinn sei mehr als doppelt so hoch gewesen als branchenüblich.
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Analog hätten die Beschwerdeführer auch massiv überteuerte Teppiche verkauft. Zwar habe die konkursite Möbelfirma, deren Namen die Beschwerdeführer übernommen hätten, zuvor keinen Teppichhandel betrieben. Die Beschwerdeführer hätten ihren Kunden jedoch wahrheitswidrig vorgespiegelt, es handle sich um hochwertige Teppiche aus (anderen) Liquidationsbeständen. Ihr Vorgehen werde durch Gutachten, Beweisaussagen und Geschäftsunterlagen belegt. Sie hätten Bruttogewinne von Fr. 4,4 Mio. bei den Möbeln sowie Fr. 4 Mio. bei den Teppichen erzielt. Die Vorkehren der Beschwerdeführer seien insgesamt als arglistig einzustufen. Ausserdem sei es den getäuschten Kunden nicht zumutbar gewesen, die falschen Angaben zu überprüfen.
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5.1 Die Beschwerdeführer stellen sich auf den Standpunkt, sie hätten mit legalen Mitteln ein "äusserst erfolgreiches Geschäft" betrieben. Weder ihre "aggressive Werbung", noch der Kauf einer Marke aus einer Konkursmasse und deren wirtschaftliche Nutzung seien strafbar. Die Anpreisung von Liquidationsware sei in der Möbel- und Teppichbranche üblich. Ihre Kunden hätten auch keinen Vermögensschaden erlitten. Die von der Untersuchungsbehörde eingeholten anderslautenden Gutachten seien tendenziös und falsch.
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5.2 Die Auffassung der Vorinstanz, diese Einwände liessen den dargelegten Tatverdacht nicht dahinfallen, hält vor der Verfassung stand.
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5.3 Die Beschwerdeführer machen geltend, die beschlagnahmten Geschäfts- und Buchhaltungsunterlagen würden als Beweismittel nicht mehr benötigt, da die Untersuchung abgeschlossen und die Dokumente auf Datenträger gespeichert seien. Ohne ihre Unterlagen könne die Beschwerdeführerin 1 weder Aufträge ordnungsgemäss abwickeln, noch Steuererklärungen einreichen. Die Untersuchungsbehörde legt in ihrer Stellungnahme dar, dass die Kantonspolizei aufgrund der (umfangreichen und unübersichtlichen) Geschäftsunterlagen die einzelnen Verkaufstransaktionen mit ca. 150 mutmasslichen Geschädigten zu überprüfen habe. Die Dokumente müssten mit den schriftlichen Unterlagen der Strafkläger verglichen werden. Zu untersuchen seien insbesondere die deklarierten Herkunftsangaben der Ware, die angebotenen Vergleichspreise, die Kundenverträge sowie die Lieferanten und Lieferpreise. Zu diesem Zweck müsse die Untersuchungsbehörde Zugriff auf die Originaldokumente haben. Diese stünden den Beschwerdeführern jedoch jederzeit zur Einsicht offen. Bereits die Vorinstanz hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Untersuchungsbehörde den Angeschuldigten angeboten habe, Einsicht in die benötigten Unterlagen zu nehmen und Kopien davon zu erstellen.
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5.4 Eine strafrechtliche Einziehung der Kontenguthaben und Teppiche (oder die Anerkennung einer Ersatzforderung) erscheint im jetzigen Verfahrensstadium noch nicht ausgeschlossen. Wie die kantonalen Instanzen darlegen, sei deliktisch erzielter Profit auf die Geschäftskonten geflossen. Gestützt auf die Gutachten beziffert die Untersuchungsbehörde die Deliktssumme auf ca. Fr. 4 Mio. Die Beschwerdeführerin 1 macht geltend, dass auf ihren Konten noch ca. Fr. 1,4 Mio. gesperrt seien. Ihr Vorbringen, dass sie bei Gläubigern Schulden in der Höhe von Fr. 942'304.95 habe, rechtfertigt keine Aufhebung der Kontensperren in dieser Höhe. Auch eine mögliche strafrechtliche Einziehung der Teppiche fällt nicht zum Vornherein ausser Betracht. Die Behauptung der Beschwerdeführer, es handle sich dabei um "Kommissionsware" im Eigentum von Dritten und ohne Zusammenhang mit den untersuchten Delikten, wird (im Falle einer Anklageerhebung oder separaten Beurteilung) vom Einziehungsrichter näher zu prüfen sein (vgl. Art. 70 Abs. 2 StGB). Zudem werden die beschlagnahmten Teppiche weiterhin als Beweismittel benötigt. Die Beschwerdeführer bestreiten die Schlussfolgerungen der Teppichgutachten. Nach Ansicht der Experten kann aber aufgrund blosser Photodokumentationen weder eine fachmännische Begutachtung erfolgen, noch eine Überprüfung der bestrittenen Befunde zum Wert der Ware (etwa hinsichtlich Qualität der Schurwolle, Knüpftechnik, Maschenweite, Schadstellen usw.). Auf die Vorbringen der Beschwerdeführer, die Aufrechterhaltung der Zwangsmassnahmen führe zu Nachteilen für Dritte, ist nicht einzutreten.
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5.5 In diesem Zusammenhang ist weder eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz ersichtlich, noch eine verfassungswidrige Anwendung von Bundesstrafrecht. Der mit den Zwangsmassnahmen verbundene Eingriff in die Eigentumsgarantie ist gesetzlich vorgesehen, liegt im öffentlichen Interesse der Verbrechensaufklärung und erweist sich nach dem oben Dargelegten als verhältnismässig.
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6.
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Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Dem Verfahrensausgang entsprechend, sind die Gerichtskosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und Abs. 5 BGG) und ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie der Staatsanwaltschaft und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 16. April 2009
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Féraud Forster
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