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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_10/2009
Urteil vom 14. Mai 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.
Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manuel Brandenberg,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, An der Aa 4, Postfach 1356, 6301 Zug.
Gegenstand
Rechtsverweigerung,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. November 2008 des Obergerichts des Kantons Zug, Justizkommission.
Sachverhalt:
A.
Am 19. Dezember 2007 erstattete X.________ beim damaligen Untersuchungsrichteramt (heute: Staatsanwaltschaft) des Kantons Zug Strafanzeige gegen A.________ wegen einfacher Körperverletzung gemäss Art. 123 Ziff. 1 StGB, eventuell Tätlichkeiten gemäss Art. 126 Abs. 1 StGB. Sie warf ihm vor, er habe sie anlässlich der unangemeldeten Kontrolle vom 19. November 2007 bei ihrer Arbeitgeberin im Auftrag der Eidgenössischen Bankenkommission brutal am rechten Unterarm gepackt und auf die Seite gestossen, um sich so Zutritt zu den Büroräumlichkeiten zu verschaffen.
A.________ erhob seinerseits am 18. März 2008 Strafklage gegen X.________ wegen Verleumdung gemäss Art. 174 StGB, eventuell übler Nachrede gemäss Art. 173 StGB.
Mit Schreiben vom 12. August 2008 ersuchte X.________ die Staatsanwalschaft des Kantons Zug darum, unverzüglich beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) die Ermächtigung zur Strafverfolgung einzuholen.
Mit Eingabe vom 3. Oktober 2008 reichte X.________ beim Obergericht des Kantons Zug (Justizkommission) eine Rechtsverweigerungsbeschwerde ein. Sie beantragte, der zuständige Staatsanwalt sei anzuweisen, das Verfahren betreffend ihre Strafanzeige gegen A.________ umgehend an die Hand zu nehmen. Insbesondere sei der Staatsanwalt anzuweisen, beim EJPD unverzüglich die Ermächtigung zur Strafverfolgung einzuholen.
B.
Mit Beschluss vom 28. November 2008 schrieb das Obergericht die Beschwerde als gegenstandlos geworden ab (Ziff. 1). Es auferlegte die Kosten von insgesamt Fr. 325.-- X.________ (Ziff. 2). Eine Parteientschädigung sprach es nicht zu (Ziff. 3).
Das Obergericht erwog, der zuständige Staatsanwalt habe das von X.________ verlangte Gesuch um Ermächtigung zur Strafverfolgung am 8. Oktober 2008 beim EJPD eingereicht. Damit sei der mit der Beschwerde verfolgte praktische Verfahrenszweck erreicht worden, weshalb die Beschwerde als gegenstandslos geworden abzuschreiben sei (E. 3). Das Obergericht kam sodann (E. 4) zum Schluss, dass die Beschwerde mutmasslich hätte abgewiesen werden müssen. Deshalb seien die Kosten des Verfahrens X.________ aufzuerlegen und sei ihr keine Parteientschädigung zuzusprechen.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben; Ziffer 2 des obergerichtlichen Beschlusses sei aufzuheben und es seien die Kosten des obergerichtlichen Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen; Ziffer 3 des obergerichtlichen Beschlusses sei aufzuheben und es sei der Kanton Zug zu verpflichten, der Beschwerdeführerin für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'680.-- zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen.
D.
Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Der angefochtene Beschluss betrifft ein Strafverfahren und stützt sich auf kantonales Strafprozessrecht. Die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 Abs. 1 BGG ist damit gegeben.
1.2 Gegen den angefochtenen Beschluss steht kein kantonales Rechtsmittel zur Verfügung. Die Beschwerde ist gemäss Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig.
1.3 Die Beschwerdeführerin hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Sie ficht, wie sich aus der Begründung der Beschwerde ergibt, einzig den vorinstanzlichen Kostenentscheid an. Durch diesen ist sie beschwert und hat ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung und Änderung. Sie ist deshalb gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
1.4 Der angefochtene Beschluss erging im Rahmen des auf Anzeige der Beschwerdeführerin hin eingeleiteten Strafverfahrens. Er schliesst dieses nicht ab. Es handelt sich somit um einen Zwischenentscheid (vgl. Urteile 1B_69/2008 vom 26. März 2008 E. 2; 6B_309/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 1.1; 1P.216/1998 vom 9. Juli 1998 E. 2a).
1.5
Der angefochtene Beschluss ist kein Zwischenentscheid über die Zuständigkeit oder den Ausstand gemäss Art. 92 BGG, sondern ein "anderer" Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG. Nach Absatz 1 dieser Bestimmung ist gegen einen solchen Zwischenentscheid die Beschwerde zulässig: a) wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann oder b) wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
Der Zulässigkeitsgrund nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht, da die Gutheissung der Beschwerde zu keinem Endentscheid im Strafverfahren führen und zudem keinen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde.
Es fragt sich einzig, ob der angefochtene Beschluss der Beschwerdeführerin einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann.
Insoweit bedarf es eines Nachteils rechtlicher Natur. Eine bloss tatsächliche Beeinträchtigung wie beispielsweise die Verlängerung oder Verteuerung des Verfahrens genügt nicht. Der Nachteil ist nur dann rechtlicher Natur, wenn er auch durch einen für die Beschwerdeführerin günstigen Endentscheid nicht mehr behoben werden könnte. Dabei ist es nicht nötig, dass sich der Nachteil schon im kantonalen Verfahren durch einen günstigen Endentscheid beheben lässt. Es genügt, wenn er in einem anschliessenden bundesgerichtlichen Verfahren beseitigt werden kann (BGE 134 III 188 E. 2.1 f. S. 190 f.; 133 IV 139 E. 4 S. 141 und 335 E. 4 S. 338).
Nach der Rechtsprechung stellt ein Rückweisungsentscheid einen Zwischenentscheid dar. Der Entscheid über die Kosten- und Entschädigungsfolgen in einem Rückweisungsentscheid ist seinerseits ein Zwischenentscheid. Dieser hat keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zur Folge. Entscheidet die kantonale Behörde, an welche die Sache zurückgewiesen worden ist, zum Nachteil des Betroffenen, kann dieser den Kosten- und Entschädigungsentscheid nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges beim Bundesgericht mit dem Endentscheid anfechten. Hat der Betroffene kein rechtlich geschütztes Interesse an der Erhebung der Beschwerde in der Sache selber - so insbesondere, wenn die kantonale Behörde vollständig zu seinen Gunsten entschieden hat -, kann er den Kosten- und Entschädigungsentscheid allein mit Beschwerde beim Bundesgericht anfechten; dies gegebenenfalls unmittelbar nach einem unterinstanzlichen Entscheid (BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647; 131 III 404 E. 3.3 S. 407; 122 I 39 E. 1 S. 41 ff.; 117 Ia 251 E. 1b S. 253 ff.; Urteile 9C_567/2008 vom 30. Oktober 2008 E. 4; 1C_324/2007 vom 18. Dezember 2007 E. 2.3; 6B_309/2007 vom 11. Oktober 2007 E. 1.2).
Der Kostenentscheid stellt in einem Fall wie hier keinen definitiven Rechtsöffnungstitel im Sinne von Art. 80 Abs. 1 SchKG dar (BGE 131 III 404 E. 3).
Beim angefochtenen Beschluss handelt es sich um keinen Rückweisungsentscheid. Die prozessuale Situation ist aber vergleichbar. Der Staatsanwalt wird die Strafuntersuchung - wie wenn die Vorinstanz die Sache mit entsprechender Anordnung an ihn zurückgewiesen hätte - weiterzuführen haben. Entscheidet die zuständige kantonale Behörde zu Ungunsten der Beschwerdeführerin, spricht sie insbesondere den Angeschuldigten frei, kann die Beschwerdeführerin - welche geltend macht, Opfer im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG; SR 312.5) zu sein - nach Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges den vorinstanzlichen Entscheid im Kosten- und Entschädigungspunkt mit Beschwerde gegen den Endentscheid beim Bundesgericht anfechten. Entscheidet die kantonale Behörde zu Gunsten der Beschwerdeführerin und verurteilt sie den Angeschuldigten, kann die Beschwerdeführerin trotz Wegfall des Rechtsschutzinteresses in der Sache selber den Kosten- und Entschädigungsentscheid beim Bundesgericht anfechten.
Der nicht wieder gutzumachende Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist hier deshalb zu verneinen (ebenso in einem mit dem vorliegenden im Wesentlichen übereinstimmenden Fall Urteil 1B_69/2008 vom 26. März 2008 E. 2).
Auf die Beschwerde kann danach nicht eingetreten werden.
2.
Der angefochtene Beschluss enthält (Dispositiv Ziff. 4) die unzutreffende Rechtsmittelbelehrung, dagegen könne Beschwerde in Strafsachen erhoben werden. Dies führt nicht zur Zulässigkeit der Beschwerde. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung kann keine Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, die es nach dem Gesetz nicht gibt (BGE 119 IV 330 E. 1 c S. 334 mit Hinweis).
Gemäss Art. 49 BGG dürfen den Parteien aus unrichtiger Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile erwachsen. Nach der Rechtsprechung kann sich nicht auf Art. 49 BGG berufen, wer die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung erkannte oder bei gebührender Aufmerksamkeit hätte erkennen können. Nur eine grobe prozessuale Unsorgfalt der betroffenen Partei oder ihres Anwalts vermag allerdings eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung aufzuwiegen. Der Vertrauensschutz versagt, wenn der Mangel der Rechtsmittebelehrung für den Anwalt allein schon durch Konsultierung der massgebenden Verfahrensbestimmung auf den ersten Blick ersichtlich gewesen wäre. Der Vertrauensschutz greift dagegen, wenn neben dem Gesetzestext auch noch die Rechtsprechung oder Literatur nachgeschlagen werden müsste, um den Fehler mit Sicherheit feststellen zu können (BGE 5A_814/2008 vom 12. März 2009 E. 1.2.2.1; 134 I 199 E. 1.3.1 S. 203; 106 Ia 13 E. 3b und 4 S. 18 f., mit Hinweisen).
Es kann nicht gesagt werden, dass der Anwalt der Beschwerdeführerin allein aufgrund von Art. 93 BGG auf den ersten Blick die Unzulässigkeit der Beschwerde hätte erkennen müssen. Um dies mit Sicherheit feststellen zu können, hätte er die oben (E. 1.4) angeführte Rechtsprechung konsultieren müssen. Der Beschwerdeführerin steht deshalb der Vertrauensschutz zu.
Es werden ihr daher in Anwendung von Art. 49 BGG keine Kosten auferlegt (ebenso Urteil 9C_721/2007 vom 12. Dezember 2007 E. 2, nicht publ. in: BGE 134 V 45). Die Zusprechung einer Parteientschädigung an die Beschwerdeführerin rechtfertigt sich dagegen nicht, da der von ihrem Anwalt für das vorliegende bundesgerichtliche Verfahren erbrachte Aufwand später - wenn die Beschwerde an das Bundesgericht zulässig sein wird - wird genutzt werden können, was die Kosten für die Beschwerdeführerin entsprechend verringern wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft sowie dem Obergericht des Kantons Zug, Justizkommission, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Mai 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Härri