Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 1/2}
2C_679/2008
Urteil vom 27. Mai 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Karlen, Bundesrichterin Aubry Girardin, Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Merz.
Parteien
Sunrise Communications AG,
Beschwerdeführerin,
handelnd durch Olivier Buchs und
Claudia Steiger, Rechtsanwältin,
gegen
Bundesamt für Kommunikation.
Gegenstand
Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG
(Beschwerdeausschluss auf dem Gebiet des Fernmeldeverkehrs),
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 4. August 2008.
Sachverhalt:
A.
Das Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) setzte am 20. August 2007 die Konzessionsgebühren für die von der TDC Switzerland AG genutzte GSM-Mobilfunkkonzession Nr. 25100002 (GSM = Global System for Mobile Communications) für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 auf Fr. 459'000.-- und für jenen vom 1. April bis zum 31. Dezember 2007 auf Fr. 2'864'160.-- fest. Für die Berechnung der Gebühren in der letztgenannten Zeitspanne wurde unter Hinweis auf eine am 1. April 2007 in Kraft getretene Rechtsänderung der "Wert der Frequenzen" als zusätzliches Kriterium einbezogen. Die Sunrise Communications AG als Rechtsnachfolgerin der TDC Switzerland AG focht die für die Monate April bis Dezember 2007 erhobenen Gebühren beim Bundesverwaltungsgericht an und verlangte deren Reduktion auf Fr. 1'008'000.--. Sie stellte sich auf den Standpunkt, dass die per 1. April 2007 erfolgte Gebührenerhöhung aus verschiedenen Gründen unzulässig sei. Das Bundesverwaltungsgericht wies ihre Beschwerde am 4. August 2008 ab.
B.
Die Sunrise Communications AG beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 15. September 2008, das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und die Konzessionsgebühren für den Zeitraum vom 1. April bis zum 31. Dezember 2007 gemäss dem zum Zeitpunkt der Konzedierung geltenden Gebührentarif auf Fr. 1'008'000.-- festzusetzen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Bundesamt für Kommunikation (im Folgenden: Bundesamt) stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundesverwaltungsgericht ersucht um Abweisung des Rechtsmittels.
C.
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat das Gesuch der Beschwerdeführerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung am 23. Oktober 2008 abgewiesen.
Erwägungen:
1.
1.1 Gegenstand des angefochtenen Entscheids bilden von der Beschwerdeführerin für ihre GSM-Mobilfunkkonzession geschuldete Gebühren. Es fragt sich, ob eine solche Streitigkeit dem Bundesgericht unterbreitet werden kann. Denn Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG (in der Fassung vom 24. März 2006 und seit 1. April 2007 in Kraft, AS 2007 778 und 781) schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten aus gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf den Gebieten des Fernmeldeverkehrs und von Radio und Fernsehen betreffend Konzessionen, die Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung waren. Ebenso wenig ist gegen solche Entscheide die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zulässig, da dieses Rechtsmittel nur gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen offen steht (Art. 113 BGG). Da das angefochtene Urteil vom Bundesverwaltungsgericht stammt und die GSM-Mobilfunkkonzession, für welche die Gebühren erhoben werden, Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung bildete, hängt die Zulässigkeit des ergriffenen Rechtsmittels davon ab, ob sich die genannte Ausnahmebestimmung auch auf Streitigkeiten über Konzessionsgebühren erstreckt.
1.2 Die Beschwerdeführerin anerkennt, dass der Wortlaut von Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG für einen Ausschluss der vorliegenden Streitsache von der bundesgerichtlichen Zuständigkeit spricht. Sie macht jedoch geltend, die fragliche Ausnahmebestimmung erfasse bei einer Auslegung nach ihrem Sinn und Zweck allein Entscheide über die Konzessionserteilung oder -verweigerung, nicht hingegen solche, welche die Rechte und Pflichten aus der erteilten Konzession beträfen. Das Bundesamt vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auch Gebührenstreitigkeiten aus Mobilfunkkonzessionen vom erwähnten Beschwerdeausschluss erfasst würden.
2.
Die Entstehungsgeschichte von Art. 83 lit. p BGG ist lang und teilweise verworren. Sie weist zwei Hauptlinien auf:
2.1 Eine erste Fassung der genannten Gesetzesbestimmung wurde bei der Reform der Bundesrechtspflege erlassen. Sie war Teil des Bundesgerichtsgesetzes, das die Eidgenössischen Räte am 17. Juni 2005 verabschiedeten und das am 1. Januar 2007 in Kraft trat. Die damalige Norm sah einen Totalausschluss des Rechtswegs an das Bundesgericht gegen Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts auf dem Gebiet des Fernmeldewesens vor (vgl. AS 2006 1229). Sie erweiterte damit die Ausnahme, die früher Art. 99 Abs. 1 lit. d des Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG, in der Fassung vom 3. Februar 1995, AS 1995 4129 f.) für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufgestellt hatte. Nach dieser einstigen Norm war der Rechtsmittelausschluss beim Bundesgericht auf Entscheide über die Erteilung bzw. Verweigerung fernmelderechtlicher Konzessionen beschränkt (vgl. BGE 125 II 293; 131 II 735).
Die Ausdehnung der Ausnahme auf das gesamte Fernmeldewesen in Art. 83 lit. p BGG wurde mit dem raschen technischen und wirtschaftlichen Wandel in diesem Bereich gerechtfertigt. Bei einem Verfahren mit zwei Beschwerdeinstanzen würde dieses wegen inzwischen eingetretener Veränderungen faktisch oft schon vor seinem Abschluss gegenstandslos. Ausserdem erschwere eine lange Verfahrensdauer neuen Anbietern den Markteintritt, was wettbewerbspolitisch unerwünscht sei (Botschaft des Bundesrats zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom 28. Februar 2001, BBl 2001 S. 4324, zu Art. 78 Abs. 1 lit. n E-BGG). Schliesslich wurde hervorgehoben, dass der Ausschluss ganzer Sachgebiete ein wirksames Mittel zur angestrebten Entlastung des Bundesgerichts darstelle (BBl 2001 S. 4230, Ziff. 2.2.3). Art. 83 lit. p BGG in der ursprünglichen Fassung war nur drei Monate - vom 1. Januar bis am 31. März 2007 - in Kraft.
2.2 Die seit dem 1. April 2007 geltende Fassung geht auf die Reform der Fernmeldegesetzgebung zurück (Teilrevision des Fernmeldegesetzes [FMG; SR 784.10] und des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen [RTVG; SR 784.40]; vgl. Art. 106 Ziff. 3 RTVG, AS 2007 778 und 781). Es galt, der Rechtsweggarantie gemäss Art. 29a BV auch auf diesem Gebiet Nachachtung zu verschaffen und einen durchgehenden gerichtlichen Rechtsschutz einzuführen. Die Eidgenössischen Räte verfolgten dabei jedoch zunächst einen anderen Weg, als er mit der Justizreform eingeschlagen worden war. So wiesen sie die Aufgabe, gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren, nicht allein dem Bundesverwaltungsgericht, sondern teilweise dem Bundesgericht zu. Entscheide des Departements und der Kommunikationskommission (ComCom) sollten direkt beim Bundesgericht anfechtbar sein (vgl. Votum von Ständerat Hansruedi Stadler in AB 2005 S 942).
Auf Intervention der Redaktionskommission kam das Parlament auf die beschlossene Lösung zurück und passte sie dem Konzept der Bundesrechtspflege an. Art. 99 RTVG verweist für den Rechtsschutz auf deren allgemeine Bestimmungen und verwirklicht damit grundsätzlich einen zweistufigen Rechtsweg. In Übereinstimmung damit wurde der Totalausschluss der Beschwerde an das Bundesgericht, wie er nach der ersten Fassung von Art. 83 lit. p BGG bestand, wieder zurückgenommen und durch eine Revision dieser Bestimmung auf zwei Teilausschlüsse beschränkt, nämlich auf Entscheide des Bundesverwaltungsgerichts über Konzessionen, die Gegenstand einer öffentlichen Ausschreibung waren (lit. a) und solche über den Zugang gemäss Art. 11a FMG (lit. b). Bei der Beratung dieser neuen Regelung in den Kommissionen wurde darüber diskutiert, ob es sinnvoll sei, ausgerechnet die wohl wichtigsten Bereiche vom bundesgerichtlichen Rechtsschutz auszunehmen. Der Kommissionssprecher im Ständerat führte aus, die getroffene Lösung sei problematisch und es gäbe Alternativen dazu. Aber in diesem späten Zeitpunkt der Gesetzesberatung wäre es nicht seriös, diese Diskussion neu aufzurollen. Die vom Nationalrat neu beschlossene Regelung entspreche dem System der Bundesrechtspflege und sei vertretbar, auch wenn sie inhaltlich nicht vollständig zu befriedigen vermöge. Der Rat folgte dieser Argumentation diskussionslos (Votum von Ständerat Thomas Pfisterer und Ratsbeschluss in AB 2006 S 94; vgl. auch das Votum von Nationalrat Peter Vollmer in AB 2006 N 10).
3.
Aus der dargestellten Entstehungsgeschichte geht hervor, dass die Ausgestaltung des Rechtsschutzes im Bereich des Fernmeldeverkehrs einen Kompromiss zwischen unterschiedlichen Anliegen darstellt. Das Ziel, der Rechtsweggarantie (Art. 29a BV) zum Durchbruch zu verhelfen, wurde dadurch erreicht, dass grundsätzlich das Bundesverwaltungsgericht, gegen Entscheide der unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen hingegen direkt das Bundesgericht angerufen werden kann ( Art. 31 und 32 lit. g VGG sowie Art. 86 Abs. 1 lit. c BGG; zur Vereinbarkeit des direkten Instanzenzugs an das Bundesgericht mit Art. 6 EMRK vgl. das Votum von Ständerat Thomas Pfisterer, AB 2006 S 94).
Die mit der Reform der Bundesrechtspflege verfolgten Ziele der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Bundesgerichts wurden zwar nicht aufgegeben, aber im Interesse eines möglichst zweistufigen gerichtlichen Rechtsschutzes etwas zurückgenommen. So rückt die neue Fassung von Art. 83 lit. p BGG vom Totalausschluss des Fernmeldeverkehrs von der bundesgerichtlichen Zuständigkeit ab und beschränkt die Ausnahme auf zwei Teilbereiche; zugleich erstreckt sie sich nunmehr aber auch auf das Gebiet von Radio und Fernsehen. Die parlamentarische Beratung zeigt ebenfalls, dass der Gesetzgeber die revidierte Fassung von Art. 83 lit. p BGG im Bewusstsein verabschiedete, den Rechtsschutz nicht völlig befriedigend zu regeln. Er hielt den gefundenen Kompromiss aber für vertretbar und wollte die Reform der Fernmelde- sowie Radio- und Fernsehgesetzgebung nicht länger verzögern.
4.
Der Wortlaut von Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG stimmt in den drei Amtssprachen überein, und es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass er nicht den Willen des Gesetzgebers wiedergibt. Danach erstreckt sich der Ausschluss der bundesgerichtlichen Zuständigkeit auf alle Belange im Zusammenhang mit einer Konzession, die öffentlich ausgeschrieben worden war. Im Unterschied zum früheren Art. 99 Abs. 1 lit. d OG entfällt der Rechtsweg an das Bundesgericht deshalb nicht nur, wenn es um die Erteilung oder Verweigerung einer Konzession geht, sondern bei allen die Konzession berührenden Fragen. Davon werden auch Vorgänge erfasst, die sich erst nach Erteilung der Konzession verwirklichen.
Das Bundesamt weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass eine Rückkehr zur früheren Regelung gemäss Art. 99 Abs. 1 lit. d OG in den Parlamentskommissionen ausdrücklich abgelehnt wurde. Zu den von Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG erfassten Belangen zählen insbesondere auch die für die Konzession zu entrichtenden Abgaben. In der Literatur wird daher zu Recht bemerkt, dass Streitigkeiten über Konzessionsgebühren aufgrund von Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG - anders als nach dem früheren Recht (vgl. BGE 131 II 735 E. 1 S. 737) - nicht mehr dem Bundesgericht unterbreitet werden können (Hansjörg Seiler, in: Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 95 zu Art. 83 BGG; Thomas Häberli, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 248 zu Art. 83 BGG).
Die Beschwerdeführerin kritisiert diese Lösung und verweist auf die bedeutenden wirtschaftlichen Folgen, welche die verfügte Gebührenerhöhung für sie habe. Ihre Auffassung, Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG sei in Anlehnung an den früheren Art. 99 Abs. 1 lit. d OG allein auf Entscheide über die Erteilung oder Verweigerung der Konzession zu erstrecken, übersieht, dass der Gesetzgeber ausdrücklich von der vormaligen Regelung abrücken wollte. Das gilt wie erwähnt nicht nur für die erste Fassung von Art. 83 lit. p BGG, sondern auch für die heute geltende Version. Die Kritik der Beschwerdeführerin, die teilweise auch in der Literatur geäussert wird (vgl. Häberli, a.a.O., N. 245 und 249 zu Art. 83 BGG; Alain Wurzburger, in: Bernard Corboz et al., Commentaire de la LTF, 2009, N. 142 zu Art. 83 BGG; François Bellanger, Le recours en matière de droit public, in: Bellanger/Tanquerel, Les nouveaux recours fédéraux en droit public, 2006, S. 55 f.), ist vorab rechtspolitischer Natur. Wie bereits dargelegt wurde, entging dem Gesetzgeber nicht, dass der in Art. 83 lit. p BGG vorgesehene Beschwerdeausschluss mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsschutzbedürfnisse diskutabel erscheint. Er erachtete die getroffene Lösung jedoch für vertretbar und hielt daher an ihr fest (vgl. die erwähnten Voten von Ständerat Thomas Pfisterer in AB 2006 S 94 und von Nationalrat Peter Vollmer in AB 2006 N 10). Mit dem umfassenden Ausschluss bestimmter Bereiche sollte das Bundesgericht entlastet werden. Es wurde in Kauf genommen, dass das Bundesverwaltungsgericht insoweit allenfalls wichtige Entscheide letztinstanzlich fällt (vgl. erwähnte Botschaft in BBl 2001 S. 4230 Ziff. 2.2.3 und den Katalog von Art. 83 BGG). Unter diesen Umständen ist der von der Beschwerdeführerin ins Feld geführten Auslegung der Boden entzogen.
Die dem Bundesgericht unterbreitete Streitigkeit wird somit von Art. 83 lit. p Ziff. 1 BGG erfasst. Demzufolge ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nicht einzutreten.
5.
Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen ( Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG ). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die bundesgerichtlichen Kosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Mai 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Merz