Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_80/2009
Urteil vom 5. Juni 2009
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiber Holzer.
Parteien
J.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
gegen
AXA Versicherungen AG, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Kathrin Hässig.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 3. Dezember 2008.
Sachverhalt:
A.
Die 1967 geborene J.________ war als Chauffeuse und Lageristin der Firma G.________ AG, bei den Winterthur Versicherungen (heute: AXA Versicherungen AG, nachstehend: AXA) gegen die Folgen von Unfällen versichert, als sie am 8. Juni 2001 in M.________ als Beifahrerin in einem Personenwagen eine Frontalkollision erlitt. Die Versicherung anerkannte ihre Leistungspflicht für die Folgen dieses Ereignisses und erbrachte die gesetzlichen Leistungen, stellte diese jedoch mit Verfügung vom 3. April 2007 und Einspracheentscheid vom 12. September 2007 per 31. März 2007 ein, da die über dieses Datum hinaus anhaltend geklagten Beschwerden nicht adäquat kausal durch das Unfallereignis verursacht worden seien.
B.
Die von J.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 3. Dezember 2008 ab.
C.
Mit Beschwerde beantragt J.________ sinngemäss, die Sache sei unter Aufhebung des Einsprache- und des kantonalen Gerichtsentscheides an die AXA zurückzuweisen, damit sie nach Gewährung des rechtlichen Gehörs einen neuen Entscheid fälle. Eventuell sei die AXA zu verpflichten, auch über den 31. März 2007 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. In formeller Hinsicht beantragt sie, die Gutachten des Zentrums X.________ AG vom 20. Februar 2007 und jenes von Dr. med. B.________ vom 18. Dezember 2006 seien aus dem Recht zu weisen.
Während die AXA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG ).
1.3 Gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG sind Noven im letztinstanzlichen Verfahren grundsätzlich unzulässig (vgl. zur Geltung dieses Grundsatzes im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung: BGE 8C_934/2008 E. 3.4). Die Voraussetzungen, unter denen die von der Beschwerdeführerin neu eingereichten Unterlagen ausnahmsweise zulässig wären, sind vorliegend nicht erfüllt, so dass diese unbeachtet bleiben müssen.
2.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Beschwerdegegnerin habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass die Versicherung sie vor Erlass der Verfügung vom 3. April 2007 nicht angehört habe. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, müssen die Parteien gemäss Art. 42 ATSG nicht angehört werden vor Verfügungen, die durch Einsprache anfechtbar sind. Dies traf auf die streitige Verfügung zu, so dass die Versicherung auf eine Anhörung verzichten durfte. Nicht geprüft zu werden braucht in diesem Zusammenhang, ob die Unfallversicherung den Fahrer des Unfallwagens vor Erlass der leistungseinstellenden Verfügung angehört hat, da die Versicherte daraus für sich selber nichts ableiten könnte.
3.
Im kantonalen Entscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG [SR 832.20]) geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 u. 3.2 S. 181), insbesondere bei Schleudertraumen der Halswirbelsäule und bei schleudertraumaähnlichen Verletzungen (BGE 134 V 109), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
4.
Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Unfallversicherung für die über den 31. März 2007 anhaltend geklagten Beschwerden der Versicherten.
5.
Es ist zu Recht unbestritten, dass die geklagten Beschwerden nicht durch einen im Sinne der Rechtsprechung organisch nachweisbaren Unfallschaden (vgl. Urteil 8C_806/2007 vom 7. August 2008 E. 8.2 mit zahlreichen Hinweisen) verursacht worden sind. Somit ist die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Ereignis vom 8. Juni 2001 und den geklagten Beschwerden speziell zu prüfen. Offenbleiben kann dabei, ob diese nach den Kriterien von BGE 115 V 133 oder nach denjenigen der sog. "Schleudertrauma-Praxis" (BGE 134 V 109 E. 10.3 S. 130) zu beurteilen ist, da - wie nachstehende Prüfung zeigt - die Adäquanz auch bei Anwendung der für die Versicherte günstigeren Kriterien zu verneinen ist. Aufgrund der fehlenden Adäquanz braucht zudem die Frage, ob die geklagten Beschwerden natürlich kausal durch das Unfallereignis verursacht sind, nicht näher geprüft zu werden (vgl. Urteil 8C_698/2008 vom 27. Januar 2009 E. 3). Damit entfällt auch das Interesse an der Beurteilung der Frage, ob das Gutachten des Zentrums X.________ AG vom 20. Februar 2007 bzw. das Teilgutachten des Dr. phil. B.________ vom 18. Dezember 2006, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, unter Missachtung ihrer Mitwirkungsrechte eingeholt wurden und ob sie somit allenfalls aus formellen Gründen nicht verwertbar wären.
6.
6.1 Die Schwere des Unfalles ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu bestimmen (SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1). Dem Polizeirapport der Kantonspolizei Y.________ vom 4. Juli 2001 ist zu entnehmen, dass die Versicherte am 8. Juni 2001 als Beifahrerin in einem Personenwagen Renault 5 eine Frontalkollision mit einem Opel Omega Caravan erlitt. Gemäss den Angaben der Beschwerdeführerin im "Fragebogen zum Unfallmechanismus" vom 28. April 2002 schätzte sie die eigene Geschwindigkeit auf etwa 70 bis 80 km/h, während der Unfallverursacher mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h unterwegs war. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, ist diese Kollision als mittelschwerer Unfall zu qualifizieren. Mit Blick auf die durch die Rechtsprechung entwickelten Massstäbe scheidet eine Einordnung im Grenzbereich zu den schweren Unfällen, entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, aus. Autounfälle, die mit vergleichbaren oder jedenfalls nicht mit geringeren Krafteinwirkungen verbunden sind, werden regelmässig dem mittleren Bereich zugeordnet. Zu erwähnen sind etwa Unfälle, bei welchen das Fahrzeug mit der versicherten Person bei einem Überholmanöver mit ca. 100 km/h abrupt abgebremst wurde, dabei ins Schleudern geriet, gegen einen Strassenwall prallte, sich überschlug und auf der Fahrerseite zu liegen kam (Urteil 8C_169/2007 vom 5. Februar 2008 E. 4.2), einen Lastwagen beim Überholen touchierte und sich überschlug (Urteil 8C_743/2007 vom 14. Januar 2008 E. 3), von der Strasse abkam und sich überschlug (Urteil U 213/06 vom 29. Oktober 2007 E. 7.2), auf der Autobahn in einer Kurve ins Schleudern geriet, sich überschlug und auf dem Dach liegend zum Stillstand kam (Urteil U 258/06 vom 15. März 2007 E. 5.2) oder sich bei einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h auf einer Autobahn über eine Mittelleitplanke hinweg überschlug - wobei die versicherte Person hinausgeschleudert wurde - und mit Totalschaden auf der Gegenfahrbahn auf dem Dach zu liegen kam (Urteil U 492/06 vom 16. Mai 2007 E. 4.2). Die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges wäre somit nur dann zu bejahen, wenn eines der relevanten Adäquanzkriterien in besonders ausgeprägter oder mehrere dieser Kriterien in gehäufter Weise erfüllt wären.
6.2 Die Beschwerdeführerin macht zu Recht nicht geltend, das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalles oder jenes der ärztlichen Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hätte, seien erfüllt.
6.3 Die Diagnose einer HWS-Distorsion oder einer anderen, adäquanzrechtlich gleich zu behandelnden Verletzung genügt für sich allein nicht zur Bejahung des Kriteriums der Schwere und besonderen Art der erlittenen Verletzung (BGE 134 V 109 E. 10.2.2 S. 127 f.). Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin führt eine diagnostizierte milde traumatische Hirnverletzung (MTBI) noch nicht automatisch zur Bejahung dieses Kriteriums (Urteil 8C_970/2008 vom 30. April 2009 E. 5.3); das Kriterium ist vorliegend zu verneinen.
6.4 Neu gefasst wurde in BGE 134 V 109 E. 10.2.3 S. 128 das Kriterium der ärztlichen Behandlung. Nunmehr ist zu seiner Bejahung erforderlich, dass nach dem Unfall fortgesetzt eine spezifische, die versicherte Person belastende ärztliche Behandlung bis zum Fallabschluss notwendig war. Das Kriterium ist objektiv zu beurteilen und nicht aufgrund des subjektiven Empfindens der versicherten Person (Urteil 8C_970/2008 vom 30. April 2009 E. 5.4). Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, fehlen in den Akten Hinweise darauf, dass spezifische, für die Versicherte belastende, Therapiemassnahmen durchgeführt worden wären. Das Kriterium ist somit nicht gegeben.
6.5 Unverändert beibehalten wurde das Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufs und der erheblichen Komplikationen (BGE 134 V 109 E. 10.2.6 S. 129). Diese beiden Teilaspekte müssen nicht kumulativ erfüllt sein (BGE 117 V 359 E. 7b S. 369). Aus der ärztlichen Behandlung und den erheblichen Beschwerden darf nicht auf einen schwierigen Heilungsverlauf und/oder erhebliche Komplikationen geschlossen werden. Es bedarf hiezu besonderer Gründe, welche die Heilung beeinträchtigt haben. Die Durchführung verschiedener Therapien genügt nicht zur Bejahung dieses Kriteriums. Gleiches gilt für den Umstand, dass trotz regelmässiger Therapien weder eine Beschwerdefreiheit noch eine (vollständige) Arbeitsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit erreicht werden konnte (Urteile 8C_252/2007 vom 16. Mai 2008 E. 7.6 und 8C_57/2008 vom 16. Mai 2008 E. 9.6.1, je mit Hinweisen). Das Kriterium ist vorliegend somit ebenfalls zu verneinen.
6.6 Was schliesslich die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen betrifft, gilt festzustellen, dass selbst wenn diese bejaht werden könnten, sie jedenfalls nicht in ausgeprägter Weise gegeben sind.
6.7 Da mithin keines der massgeblichen Kriterien besonders ausgeprägt vorliegt und selbst dann, wenn man zu Gunsten der Versicherten die beiden Kriterien der erheblichen Beschwerden und der erheblichen Arbeitsunfähigkeit trotz ausgewiesener Anstrengungen als erfüllt erachten würde, die Kriterien nicht in gehäufter Weise gegeben sind, ist die Adäquanz eines allfälligen Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis vom 8. Juni 2001 und den über den 31. März 2007 hinaus anhaltend geklagten Beschwerden zu verneinen. Die Leistungseinstellung auf dieses Datum hin ist somit nicht zu beanstanden. Einsprache- und kantonaler Gerichtsentscheid waren daher rechtens.
7.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 5. Juni 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Holzer