Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_806/2008
Urteil vom 1. Juli 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Errass.
Parteien
X.________ GmbH,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Felix Barmettler,
gegen
Eidgenössische Steuerverwaltung, 3003 Bern.
Gegenstand
Mehrwertsteuer (4. Quartal 1996 bis 1. Quartal 2000),
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 26. September 2008.
Erwägungen:
1.
1.1 Die X.________ GmbH ist seit dem 16. November 1996 im Register für Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen. Sie betreibt eine Sauna, in welcher auch Prostituierte ihre Dienste anbieten. Am 15. März 2001 forderte die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) für den Zeitraum vom 16. November 1996 bis 31. März 2000 von ihr Mehrwertsteuern im Umfang von Fr. 43'891.-- nach. Am 12. Juli 2005 stellte sie in Aussicht, dass eine Neubeurteilung notwendig sein werde. Die Prostituierten seien nicht selbständig tätig; die X.________ GmbH habe daher als Erbringerin von deren Dienstleistungen zu gelten und sei deshalb für diese mehrwertsteuerpflichtig. Mit Einspracheentscheid vom 31. Januar 2006 setzte die ESTV die Steuernachforderung neu auf Fr. 258'580.50 (zuzüglich Verzugszins) fest; sie bestätigte gleichzeitig, dass die entsprechenden Umsätze der X.________ GmbH zuzuordnen seien. Das Bundesverwaltungsgericht hiess die hiergegen gerichtete Beschwerde am 26. September 2008 im Umfang von Fr. 5'755.-- gut; im Übrigen wies es sie ab.
1.2 Die X.________ GmbH beantragt vor Bundesgericht, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben; es sei festzustellen, dass die Forderung von Fr. 217'044.05 verjährt bzw. sie für den Dirnenlohn nicht mehrwertsteuerpflichtig sei. Allenfalls sei die Sache zur Neufestsetzung der Abgabe an die ESTV zurückzuweisen. Subeventuell sei der am 15. März 2001 ermittelte Steuerbetrag auf Fr. 10'754.55 zu reduzieren. Der Abteilungspräsident hat der Beschwerde am 3. Dezember 2008 aufschiebende Wirkung beigelegt. Die ESTV beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesverwaltungsgericht hat darauf verzichtet, sich vernehmen zu lassen.
2.
2.1 Das Bundesgericht hat am 18. Februar 2009 praktisch identische Sachverhalte wie hier als mehrwertsteuerpflichtig erklärt (Urteil 2C_426/2008 bzw. 2C_432/2008 und 2C_430/2008). Der damalige Beschwerdeführer ist Gesellschafter der X.________ GmbH. In den bereits beurteilten Fällen ist der gleiche Anwalt wie hier aufgetreten. Aufgrund der damaligen Ausführungen, auf die hier verwiesen werden kann (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG), ist die vorliegende Beschwerde offensichtlich unbegründet (Art. 109 Abs. 2 Bst. a BGG), weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG erledigt wird.
2.2
2.2.1 Nicht einzutreten ist auf die Feststellungsbegehren der Beschwerdeführerin: Da über die von ihr aufgeworfenen Fragen ein Leistungsentscheid ergeht, besteht kein schutzwürdiges Interesse an deren Beurteilung (vgl. BGE 126 II 300 E. 2c S. 303 f.). Soweit sie die Feststellung des Sachverhalts rein appellatorisch beanstandet und die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts ohne detaillierte Auseinandersetzung mit den Ausführungen im angefochtenen Entscheid in Frage stellt, ist auf ihre Vorbringen nicht weiter einzugehen (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.2 und 1.4.3 S. 254 f.).
2.2.2 Die Beschwerdeführerin hat in Zeitschriften und auf ihrer Homepage für ihr Etablissement und auf das in dessen Mauern bestehende Sexangebot hingewiesen. Die einzelnen Damen waren dabei weitgehend organisatorisch in ihre Geschäftsabläufe integriert (Zimmerauslastung, Öffnungszeiten usw.). Die Beschwerdeführerin bestreitet dies (Aushandeln der Preise durch die Prostituierten usw.); sie legt indessen nur ihre eigene, nicht näher belegte Sicht der Dinge dar, was nicht genügt, um die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz als offensichtlich unhaltbar erscheinen zu lassen. Nachdem das von der Beschwerdeführerin gewählte Betriebskonzept nicht in erkennbarer und wesentlicher Weise von jenen in den bereits beurteilten Fällen und dem allgemein üblichen und notorischen Geschäftsgebaren von Erotiketablissements abweicht, konnte das Bundesverwaltungsgericht in antizipierter Beweiswürdigung und damit ohne Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV auch hier von weiteren Beweismassnahmen absehen.
2.2.3 Die Vorinstanz durfte auf Grund ihrer Feststellungen davon ausgehen, dass die in den Räumlichkeiten der Beschwerdeführerin angebotenen sexuellen Dienstleistungen wegen des nach aussen sichtbaren Erscheinungsbilds einen integrierten Zweig ihres Clubbetriebs bildeten und ihr deshalb mehrwertsteuerrechtlich die Umsätze der einzelnen Prostituierten zuzurechnen waren (vgl. das Urteil 2C_426/432/ 2008 vom 18. Februar 2009 E. 4.4 und 4.5, je mit Hinweisen). Hieran ändert auch nichts, dass die Beschwerdeführerin die Steuer nicht mehr auf die Verbraucher überwälzen kann (vgl. das Urteil 2C_518/ 519/2007 vom 11. März 2008 E. 3.4).
2.2.4 Die Beschwerdeführerin rügt, dass die ESTV während des Einspracheverfahrens eine unzulässige Praxisänderung vorgenommen habe. Will sie damit das Verbot der reformatio in peius zum Ausdruck bringen, so kann sie daraus nichts zu ihren Gunsten ableiten: Dieses gilt nur für gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel mit Devolutiveffekt (vgl. das Urteil 2A.227/2003 vom 22. Oktober 2003 E. 3.3). Die Einsprache ist zwar ein Rechtsmittel, aber eines ohne Devolutiveffekt (vgl. das Urteil 2A.227/2003 vom 22. Oktober 2003 E. 3.4). Das Verbot gilt deshalb nicht. Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin sind die gegen sie geltend gemachten Nachforderungen auch nicht verjährt: Nach Art. 40 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 MWSTV (AS 1994 1464) unterbricht jede Einforderungshandlung durch die ESTV die Verjährungsfrist. Dabei ist der Begriff der Einforderungshandlung weit zu verstehen. Es fallen alle Amtshandlungen darunter, welche darauf ausgerichtet sind, den Steueranspruch festzustellen (BGE 126 II 1 E. 2c S. 3). Verjährungsunterbrechende Wirkung kommt bereits einer blossen Mitteilung zu; dabei ist es nicht notwendig, dass bereits zu diesem Zeitpunkt der Sachverhalt nach allen Richtungen hin abgeklärt erscheint (Urteil 2C_426/432/ 2008 vom 18. Februar 2009 E. 6.3; BGE 126 II 1 E. 2c S. 3). Die Vorinstanz hat für das Bundesgericht in tatsächlicher Hinsicht verbindlich ( Art. 105 und 97 BGG ) festgestellt, dass das Schreiben vom 12. Juli 2005 die von den Prostituierten erbrachten erotischen Leistungen als Gegenstand der Mehrwertsteuer mitumfasste. Damit stellt dieses eine geeignete Einforderungshandlung zur Unterbrechung der Verjährungsfrist dar.
3.
Dem Verfahrensausgang entsprechend wird die unterliegende Beschwerdeführerin kostenpflichtig ( Art. 65 und 66 Abs. 1 und 4 BGG ). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen Steuerverwaltung und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. Juli 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Errass