Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
8C_346/2009
Urteil vom 3. Juli 2009
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Leuzinger, Niquille,
Gerichtsschreiber Jancar.
Parteien
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dominik Frey,
gegen
Zürich Versicherungsgesellschaft, Dienstleistungszentrum, Postfach, 8085 Zurich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 11. März 2009.
Sachverhalt:
A.
Der 1954 geborene B.________ war seit 1. April 1990 als Techniker bei der Firma X.________ angestellt, und damit bei der "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend Zürich) obligatorisch unfallversichert. Am 27. August 2007 verletzte er sich während der Arbeit am linken Knie. Gemäss Operationsbericht des Dr. med. A.________, Facharzt für Chirurgie, Medizinisches Zentrum Y.________, erlitt der Versicherte eine mediale Hinterhornläsion des Meniskus links. Mit Verfügung vom 26. November 2007 verneinte die Zürich ihre Leistungspflicht, da das Ereignis vom 27. August 2007 weder als Unfall noch als unfallähnliche Körperschädigung qualifiziert werden könne. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit gleicher Begründung ab (Entscheid vom 22. August 2008).
B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 11. März 2009 ab.
C.
Mit Beschwerde beantragt der Versicherte, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit diese nach Vornahme weiterer Abklärungen über die Beschwerde neu entscheide.
Die Zürich schliesst auf Abweisung der Beschwerde, während das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ; BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254; Urteil 8C_277/2009 vom 19. Juni 2009 E. 1).
Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG ).
2.
2.1 Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 98 E. 1 S. 99 mit Hinweisen). Die Beschwerde ans Bundesgericht ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Daher darf sich die Beschwerde führende Partei grundsätzlich nicht darauf beschränken, die Aufhebung des angefochtenen Entscheids zu beantragen, sondern muss einen Antrag in der Sache stellen. Sie muss demnach angeben, welche Punkte des Entscheides angefochten und welche Abänderungen beantragt werden. Grundsätzlich ist ein materieller Antrag erforderlich. Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Entscheidung oder blosse Aufhebungsanträge genügen nicht und machen die Beschwerde unzulässig, es sei denn, das Bundesgericht wäre im Fall der Beschwerdegutheissung nicht in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden, weil die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz fehlen (BGE 134 III 379 E. 1.3, 133 III 489 f. E. 3.1, je mit Hinweisen). Das Begehren kann sich auch aus der Begründung in der Rechtsschrift ergeben (vgl. BGE 123 V 335 E. 1a S. 336; Urteil 8C_3/2009 vom 8. Mai 2009 E. 1).
2.2 Materiellrechtlich ist einzig Streitgegenstand, ob das Ereignis vom 27. August 2007 einen Unfall oder eine unfallähnliche Körperschädigung darstellt; die Vorinstanz hat beides und damit eine Leistungspflicht der Zürich grundsätzlich verneint. Unter dem Titel "Anträge" stellt der Beschwerdeführer kein materielles Begehren. Der Beschwerdebegründung lässt sich jedoch entnehmen, dass er die Qualifikation des Ereignisses vom 27. August 2007 als Unfall oder unfallähnliche Körperschädigung verlangt. Im Übrigen schadet es dem Beschwerdeführer nicht, dass er kein Begehren auf Zusprechung von Versicherungsleistungen stellt, da weder die Zürich noch die Vorinstanz hierüber Feststellungen getroffen haben und das Bundesgericht nicht in der Lage wäre, diesbezüglich selbst zu entscheiden (vgl. auch Urteil 5A_440/2008 vom 19. März 2009 E. 1.3). Auf die Beschwerde ist demnach einzutreten.
3.
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen über den Anspruch auf Leistungen der Unfallversicherung im Allgemeinen (Art. 6 Abs. 1 UVG) und den Unfallbegriff (Art. 4 ATSG) sowie die Rechtsprechung zum Unfallbegriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors (BGE 134 V 72, 130 V 117) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt bezüglich des Begriffs der unfallähnlichen Körperschädigungen, die auch ohne ungewöhnliche äussere Einwirkung Unfällen gleichgestellt sind (Art. 6 Abs. 2 UVG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 UVV), wobei am Erfordernis des äusseren Faktors festzuhalten ist (BGE 129 V 466; Urteil 8C_532/2007 vom 9. Juni 2008 E. 5, angeführt in SZS 2009 S. 153 f.). Richtig wiedergegeben hat die Vorinstanz auch die Grundsätze über die Untersuchungsmaxime (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG ; BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.; RKUV 2004 Nr. U 515 S. 418 E. 2.2.3 [U 64/02]), den Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 134 V 109 E. 9.5 S. 125) sowie die Beweismaxime der "Aussage der ersten Stunde", die eine im Rahmen der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) zu berücksichtigende Entscheidungshilfe darstellt (BGE 121 V 45 E. 2a S. 47; RKUV 2004 Nr. U 524 S. 546 [U 236/03]). Darauf wird verwiesen.
4.
4.1 Die Vorinstanz hat im Wesentlichen erwogen, in der Unfallmeldung der Arbeitgeberin vom 24. September 2007 sei geschildert worden, der Beschwerdeführer habe am 27. August 2007 beim Heben von schwerem Zubehör bei der Installation einer Maschine einen stechenden Schmerz im Knie gespürt. Die Schilderung des Beschwerdeführers vom 24. September 2007 sei identisch und enthalte keinen Hinweis auf das Hängenbleiben mit dem linken Fuss oder auch nur eine Drehbewegung. Es sei nicht auszuschliessen, dass er gegenüber dem operierenden Arzt und auch in der Einsprache vom 14. Januar 2008 bewusst oder unbewusst von nachträglichen Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art beeinflusst worden sei. Deshalb komme der Einsprache nur ein verminderter Beweiswert zu. Ebenso verhalte es sich mit den ins Recht gelegten Zeugen-Auskünften. Der Zürich ist beizupflichten, wenn sie Zweifel am Beweiswert der Aussagen habe. Die "Zeugen" bestätigten, wie der Versicherte den Hergang "damals" geschildert habe. Fragwürdig sei, wieso er den Vorfall vom 27. August 2007 mehreren Personen immer in der gleichen Art und Weise geschildert haben soll, der Zürich gegenüber jedoch keine genaueren Angaben gemacht habe. Auch die pauschale Bestätigung vermöge nicht zu überzeugen. Es sei unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer jedem der Zeugen genau den erwähnten Sachverhalt unter Einbezug der Masse des Zubehörs und Gewichts geschildert haben soll. Die genaue Wiedergabe von Masse und Gewicht lasse eher vermuten, dass Überlegungen versicherungsrechtlicher oder anderer Art Einfluss gehabt hätten. Demnach sei auf die Unfallmeldung vom 11. September 2007 und die Hergangsschilderung vom 24. September 2007 abzustellen und davon auszugehen, der Versicherte habe eine Last gehoben und dabei einen stechenden Schmerz verspürt, ohne dass sich dabei etwas Ungewöhnliches zugetragen hätte. Ungewöhnlich sei auch nicht das Heben des 35 kg schweren Zubehörs. Demnach habe beim Ereignis vom 27. August 2007 der für den Unfallbegriff vorausgesetzte ungewöhnliche äussere Faktor gefehlt. Mangels eines äusseren Faktors sei auch der Tatbestand der unfallähnlichen Körperschädigung nicht erfüllt; das Auftreten von Schmerzen im linken Knie genüge nicht für die Annahme eines äusseren Faktors.
4.2 Der Versicherte macht geltend, der korrekte Sachverhalt ergebe sich weder aus der Unfallmeldung vom 11. September 2007 noch aus der Hergangsschilderung vom 24. September 2007, sondern aus den Aussagen, die er unmittelbar nach dem Ereignis vom 27. August 2007 (d.h. vor der Unfallmeldung und der Hergangsschilderung vom 24. September 2007) gegenüber diversen Personen aus seinem direkten Arbeitsumfeld gemacht habe. Demgemäss habe die äussere Einwirkung in einem "Hängenbleiben" des linken Fusses an einem durch die aufgehobene Kiste verdeckten Elektronikwagen bestanden, was den natürlichen Ablauf der Körperbewegung programmwidrig beeinflusst habe. Die von ihm vorinstanzlich offerierten elf Zeugen bestätigten allesamt, dass er ihnen diesen Hergang des Ereignisses vom 27. August 2007 bereits unmittelbar danach geschildert habe. Indem die Vorinstanz darauf verzichtet habe, einen oder mehrere der offerierten Zeugen zu befragen, habe sie eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung (hiezu vgl. BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; SVR 2009 UV Nr. 3 S. 9 E. 8.3 [8C_354/2007]) vorgenommen, was den Untersuchungsgrundsatz, den Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 42 ATSG) und das aus der Garantie eines fairen Verfahrens gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK fliessende Recht auf Beweis verletze.
5.
5.1 Für die Vorinstanz war vorerst von Bedeutung, dass der Beschwerdeführer in seiner Hergangsschilderung vom 24. September 2007, mithin rund einen Monat nach dem Ereignis vom 27. August 2007, auf nichts Ungewöhnliches hingewiesen hatte und erst später das "Hängenbleiben" mit dem linken Fuss am Elektronikwagen erwähnte. Dies kann indessen nicht ohne Weiteres als widersprüchliche Aussage des Beschwerdeführers qualifiziert werden, sondern stellte vielmehr eine spätere Präzisierung dar. Dass ein durchschnittlicher Versicherter bei der Frage des Versicherers im Rahmen der Hergangsschilderung, ob sich "im Bewegungsablauf ... etwas Ungewöhnliches zugetragen" habe, nicht merkt, dass es auf solche Einzelheiten ankommt, macht seine Angaben nicht per se unglaubwürdig.
5.2 Die Vorinstanz wies weiter darauf hin, auch in der von seiner Arbeitgeberin am 11. September 2007 ausgefüllten Unfallmeldung werde lediglich ausgeführt, der Versicherte habe beim Heben von schwerem Zubehör einen stechenden Schmerz im Knie gespürt. Diese vorinstanzliche Feststellung ist jedoch ungenau. Denn in dieser Unfallmeldung ist unter Ziff. 9. "Verletzung" in der Rubrik "Art der Schädigung" ausserdem von einer "Verdrehung" des linken Knies die Rede. Dies stimmt also überein mit der späteren detaillierten Schilderung des Versicherten in der Einsprache vom 14. Januar 2008, wonach er sich zufolge des Hängenbleibens mit dem linken Fuss am Elektronikwagen das Knie "verdrehte".
5.3 Schliesslich ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass auch ein Zeuge vom Hörensagen, dem er nach dem Ereignis das Geschehene im Sinne einer "Aussage der ersten Stunde" schilderte, relevant sein kann (vgl. Urteil U 6/02 vom 18. Dezember 2002 E. 3.3). Die vom Beschwerdeführer einspracheweise und vorinstanzlich beantragten Zeugen sollen die Ereignisschilderung zum Teil noch am Tag selber oder wenig später gehört haben. Grundsätzlich können das somit relevante Zeugen sein. Sie sind daher in Nachachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 61 lit. c ATSG) einzuvernehmen (allenfalls nicht alle), wobei ihre Glaubwürdigkeit und die Beweiskraft ihres Zeugnisses aufgrund der Einvernahmen zu beurteilen ist (vgl. auch Urteil 5P.161/2005 vom 6. Februar 2006 E. 6.3 mit Hinweisen). Es kann nicht im Sinne antizipierter Beweiswürdigung gesagt werden, dass von zusätzlichen Abklärungen keine verwertbaren entscheidrelevanten Erkenntnisse zu erwarten sind (vgl. auch SVR 2009 UV Nr. 3 S. 9 E. 8.3 mit Hinweis).
Die Sache ist deshalb an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die notwendigen Zeugeneinvernahmen durchführe. Je nach Ergebnis dieser Befragung wird das Gericht allenfalls weitere sich aufdrängende Abklärungen zu treffen und danach unter umfassender Würdigung des gesamten Beweismaterials neu über die Sache zu befinden haben.
6.
Die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu erneuter Abklärung (mit noch offenem Ausgang) gilt praxisgemäss für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten wie auch der Parteientschädigung als volles Obsiegen des Beschwerdeführers im Sinne von Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (vgl. BGE 132 V 215 E. 6.1 S. 235 mit Hinweisen; Urteil 8C_671/2007 vom 13. Juni 2008 E. 4.1). Demnach hat die Zürich die Gerichtskosten zu tragen (BGE 133 V 642) und dem Versicherten eine Parteientschädigung zu bezahlen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 11. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2800.- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 3. Juli 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Ursprung Jancar