BGer 2C_69/2009
 
BGer 2C_69/2009 vom 13.07.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_69/2009
Urteil vom 13. Juli 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________ und Y.________,
vertreten durch Advokat Dr. Hubertus Ludwig,
Beschwerdeführer,
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft.
Gegenstand
Verrechnungssteuer 2002; Rückleistung.
Beschwerde gegen den Entscheid des Steuer- und Enteignungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft, Abteilung Steuergericht, vom 19. September 2008.
Sachverhalt:
A.
Die den Eheleuten X.________ und Y.________ für das Jahr 2002 zurückerstatteten Verrechnungssteuern beliefen sich auf Fr. 370'690.25. Mit Verfügung der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 8. Dezember 2006 und Rückleistungsentscheid der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft vom 14. Mai 2007 wurde dieser Betrag um Fr. 108'941.50 gekürzt, was auf folgenden Umständen beruhte: Die Pflichtigen hatten ihrem in den Vereinigten Staaten wohnhaften Sohn und ihrer in Österreich domizilierten Tochter bedeutende Vermögenswerte abgetreten, sich diese Werte aber von ihren beiden Kindern als zinspflichtige Darlehen zurückübertragen lassen. Die Behörden erwogen, in Bezug auf die Darlehenserträge seien entweder nicht die in der Schweiz ansässigen Eltern nutzungsberechtigt oder aber die Voraussetzungen einer Steuerumgehung erfüllt. In beiden Hypothesen sei die Rückerstattung der Verrechnungssteuer im genannten Umfang zu kürzen. Dagegen gelangte das Ehepaar X.________ - Y.________ erfolglos an das Steuergericht des Kantons Basel-Landschaft.
B.
Am 2. Februar 2009 haben X.________ und Y.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Sie stellen den Antrag, den steuergerichtlichen Entscheid aufzuheben; die Rückerstattung der vollen Verrechnungssteuer von Fr. 370'690.25 sei zuzulassen; eventuell sei die Rückleistung der Verrechnungssteuer auf Fr. 1'393.05 zu beschränken.
C.
Die Steuerverwaltung und das Steuergericht des Kantons Basel-Landschaft sowie die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen den Entscheid einer kantonalen Steuerrekursinstanz in einer Angelegenheit um Rückleistung der bereits erstatteten Verrechnungssteuer gemäss Art. 58 des Bundesgesetzes vom 13. Oktober 1965 über die Verrechnungssteuer (VstG; SR 642.21). Nach Art. 58 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 56 VStG kann dieser Entscheid durch Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht angefochten werden. Die Beschwerdeführer sind gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids legitimiert. Auf ihr frist- und formgerecht eingereichtes Rechtsmittel (vgl. Art. 100 BGG) ist einzutreten.
1.2 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist daher weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen oder mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen.
2.
2.1 Der Bund erhebt gestützt auf Art. 132 Abs. 2 BV eine Verrechnungssteuer u.a. auf dem Ertrag beweglichen Kapitalvermögens (Art. 1 Abs. 1 VStG). In Art. 4 f. VStG werden die beweglichen Kapitalvermögen, deren Erträge der Verrechnungssteuer unterliegen, näher umschrieben. Steuerpflichtig ist der Schuldner der steuerbaren Leistung (Art. 10 Abs. 1 VStG). Diese ist bei der Auszahlung, Überweisung, Gutschrift oder Verrechnung ohne Rücksicht auf die Person des Gläubigers um den Steuerbetrag zu kürzen (Art. 14 Abs. 1 VStG). Die Verrechnungssteuer wird dem Empfänger der um die Steuer gekürzten Leistung nach Massgabe des Gesetzes vom Bund oder vom Kanton zu Lasten des Bundes zurückerstattet (Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 21 ff. VStG). Die Verrechnungssteuer verfolgt im inländischen Verhältnis nur einen Sicherungszweck und wird dem steuerehrlichen Inländer zurückerstattet. Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer hat eine natürliche Person, wenn sie bei Fälligkeit der steuerbaren Leistung das Recht zur Nutzung des den steuerbaren Ertrag abwerfenden Ertrages besass und im Inland Wohnsitz hatte (Art. 21 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 VStG). Schliesslich ist die Rückerstattung der Verrechnungssteuer gemäss Art. 21 Abs. 2 VStG nur dann zulässig, wenn sie nicht zu einer Steuerumgehung führen würde (vgl. zum Ganzen insb. StR 63/2008 643 E. 3.1 u. 3.2).
Bei ausländischen Empfängern schweizerischer Kapitalerträge ist die Verrechnungssteuer demgegenüber grundsätzlich eine echte Belastung (an der Quelle). Im Ausland ansässige Empfänger der steuerbaren Leistung können die Rückerstattung der Verrechnungssteuer nur insoweit verlangen, als ihnen ein Staatsvertrag (Doppelbesteuerungsabkommen) einen entsprechenden Anspruch einräumt (vgl. dazu u.a. ASA 62 705 E. 8a).
2.2 Steuerumgehung im Sinne von Art. 21 Abs. 2 VStG (vgl. zu diesem Begriff StR 63/2008 463 E. 5.1 mit Hinweisen) ist von der Praxis namentlich dort angenommen worden, wo ein Vater Aktien auf seine im Ausland lebenden Kinder und Enkel übertragen, sie dann aber zum Tageskurs zurückgenommen und in gleicher Höhe eine Darlehensschuld gegenüber den Kindern und Enkeln begründet hat, womit die Rückerstattung der Verrechnungssteuer erwirkt worden ist, auf welche seine Kinder und Grosskinder mangels eines Doppelbesteuerungsabkommens ansonsten keinen Anspruch gehabt hätten (vgl. Bundesgerichtsurteil 2A.57/2001 vom 14. Juni 2001 E. 3; im gleichen Sinne schon: ASA 48 267 E. 3; ähnlich: ASA 50 145 E. 3; siehe auch Conrad Stockar/Hans Peter Hochreutener, Die Praxis der Bundessteuern, II. Teil: Stempelabgaben und Verrechnungssteuer, Band 2, Nr. 21 zu Art. 21 Abs. 2 VStG).
3.
Hier ist streitig, ob die den Beschwerdeführern für das Jahr 2002 zurückerstatteten Verrechnungssteuern zu Recht um Fr. 108'491.50 gekürzt worden sind.
3.1 Die kantonale und die Eidgenössische Steuerverwaltung vertreten in ihren Vernehmlassungen die Meinung, die Rückerstattung im genannten Umfang hätte schon deshalb verweigert werden müssen, weil die Beschwerdeführer in Bezug auf die massgeblichen Darlehenserträge nicht über die Nutzungsberechtigung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 lit. a VStG verfügt hätten. Eine solche Argumentation ist zwar zulässig, können die verfahrensbeteiligten Behörden doch beim Bundesgericht den Antrag stellen, den angefochtenen Entscheid mit einer anderen Begründung zu schützen (vgl. dazu oben E. 1.2). Die Frage kann hier indessen mit Blick auf den Verfahrensausgang offen bleiben.
3.2 In Anwendung der von Gesetz und Praxis festgelegten Grundsätze (vgl. oben E. 2) hat das Steuergericht hier zu Recht eine Steuerumgehung angenommen. Zutreffend hat es hervorgehoben, dass zwar mit Österreich und den Vereinigten Staaten Doppelbesteuerungsabkommen bestehen, die aber die vollumfängliche Rückerstattung der Verrechnungssteuer nicht erlauben, sondern für nutzungsberechtigte Personen mit Wohnsitz im Ausland eine endgültige sog. Sockelbelastung von 15% vorsehen. Diese Restbelastung wurde dadurch umgangen, dass die von den Beschwerdeführern an die Kinder abgetretenen Vermögenswerte in Darlehensform zinspflichtig auf die Eltern zurückübertragen und als Nutzungsberechtigte die Beschwerdeführer, d.h. im Inland ansässige Personen, angegeben wurden. Darin hat die Vorinstanz im Einklang mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. oben insb. E. 2.2) eine ungewöhnliche Rechtsgestaltung gesehen, die soweit ersichtlich nur eine Steuerersparnis bezwecken und eine solche auch erzielen kann. Die Anerkennung einer derartigen Konstruktion würde der Zielsetzung der Verrechnungssteuer, neben dem blossen Sicherungszweck bei Inländern eine grundsätzlich endgültige Belastung von Personen mit Wohnsitz im Ausland festzulegen, zuwiderlaufen.
3.3 Was die Beschwerdeführer gegen die Kürzung der Rückerstattung einwenden, vermag kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen:
Unzutreffend ist namentlich die Argumentation, die von der Praxis geforderte ausschliessliche Absicht, eine Steuerersparnis zu erzielen, sei schon deshalb nicht gegeben, weil die strittige Rechtsform bereits in einem Zeitpunkt gewählt worden sei, als die beiden Kinder noch nicht im Ausland wohnhaft gewesen seien und sich die Frage von Ersparnissen bei der Rückerstattung der Verrechnungssteuer noch gar nicht gestellt habe. Diese Sichtweise lässt ausser Acht, dass hier nur die Verhältnisse massgebend sind, die im Jahr 2002 galten. Somit muss auch nicht geprüft werden, ob die Konstruktion gegebenenfalls im Hinblick auf einen späteren bzw. möglichen Auslandsaufenthalt gewählt worden sein könnte.
Weiter machen die Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe sich fälschlicherweise von der Rechtslage leiten lassen, die bei der Einkommenssteuer gelte, statt von derjenigen auszugehen, die spezifisch bei der Verrechnungssteuer zu beurteilen sei. Daran ist zwar richtig, dass die Frage der Steuerumgehung im ersten Falle den Abzug der Schuldzinsen, d.h. die Passivseite, und im zweiten die Rückerstattung der Darlehenserträge, also die Aktivseite, betrifft, weshalb die beiden Sachverhalte einander nicht vollumfänglich gleichgestellt werden können. Die Ausführungen des Steuergerichts beziehen sich jedoch auf einen Punkt, der sich in beiden Bereichen als gleichermassen problematisch erweist: die ungewöhnliche Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen den Beschwerdeführern und ihren Kindern. Die übliche Rechtsform wäre eine Schenkung der massgeblichen Vermögenswerte gewesen. Da diese Werte wohl an die Kinder abgetreten, von diesen aber wieder in Darlehensform zinspflichtig an die Eltern zurückübertragen wurden, hat die Vorinstanz zu Recht eine absonderliche Rechtsgestaltung angenommen, die soweit ersichtlich nur Steuerersparnisse bezwecken und solche auch erzielen kann (vgl. zur Verweigerung des Abzugs der Schuldzinsen im Rahmen der Einkommenssteuer: StR 64/2009 110 E. 2.4; zu einer leicht unterschiedlichen Fallgestaltung siehe auch StR 64/2009 484 E. 4.4).
Im Übrigen muss die Annahme einer Steuerumgehung hier zu einer Kürzung der Rückerstattung im vollen Umfang der Verrechnungssteuer, d.h. 35% der massgeblichen Darlehenserträge, führen (vgl. ASA 50, 583 E. 3). Unbegründet ist somit auch der Eventualantrag der Beschwerdeführer, die Kürzung dürfe nur die auf den Ehegatten entfallende Verrechnungssteuer von Fr. 1'393.05 umfassen. Dessen bewegliches Vermögen allein hätte gar nicht ausgereicht, um die Darlehensforderungen zu decken. Auch ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Verträge in beidseitigem Einvernehmen der Ehegatten eingegangen worden sind. Nach Art. 57 der Verrechnungssteuerverordnung vom 19. Dezember 1966 (VstV; SR 642.211) vertritt schliesslich der Ehemann immer noch die Ehefrau bei der Verrechnungssteuer, so dass sich eine Ausscheidung der Verrechnungssteueransprüche bei gemeinsam steuerpflichtigen Ehegatten erübrigt.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer solidarisch kostenpflichtig (vgl. Art. 65 f. BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung des Kantons Basel-Landschaft, dem Steuer- und Enteignungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Abteilung Steuergericht, sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Juli 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Matter