BGer 6B_321/2009 |
BGer 6B_321/2009 vom 14.08.2009 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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6B_321/2009
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Urteil vom 14. August 2009
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Strafrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Favre, Präsident,
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Bundesrichter Schneider, Mathys,
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Gerichtsschreiber Störi.
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Parteien
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X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Claude Hentz,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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1. Y.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli,
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2. Z.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Mario Bortoluzzi,
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Beschwerdegegner,
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Mehrfache einfache Körperverletzung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, vom 10. März 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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Das Bezirksgericht Zürich verurteilte X.________ am 8. April 2008 wegen mehrfacher einfacher Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 Abs. 1 StGB und mehrfacher Übertretung von Art. 19a Ziff. 1 BetmG zu 12 Monaten Freiheitsstrafe (unter Anrechnung von 47 Tagen Untersuchungshaft) und einer Busse von 500 Franken als Zusatzstrafe zum Urteil des Kriminalgerichts des Kantons Luzern vom 19. Oktober 2007. Es erklärte beide Strafen für vollziehbar. Es verpflichtete X.________ zudem, zusammen mit dem Mitangeklagten A.________, den Geschädigten Y.________ und Z.________ nebst Schadenersatz eine Genugtuung von je 2'000 Franken zu bezahlen.
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Am 15. April 2008 meldete X.________ Berufung an, die er am 9. September 2008 begründete. Darin beanstandete er die Strafzumessung und die Höhe der Genugtuung. Mit Anschlussberufung vom 13. Oktober 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft eine strengere Bestrafung von X.________.
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Am 10. März 2009 faxte die Verteidigerin des Mitangeklagten A.________ dem Obergericht des Kantons Zürich den Rückzug des Strafantrages des Geschädigten Y.________ vom 9. März 2009 zu und reichte ihn an der Berufungsverhandlung vom gleichen Tag im Original ein.
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Mit Urteil vom 10. März 2009 stellte das Obergericht fest, das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts sei in Bezug auf den Schuldpunkt, den Schadenersatz und die Kosten- und Entschädigungsfolgen in Rechtskraft erwachsen. Es bestrafte X.________ unter Anrechnung von 48 Tagen Untersuchungshaft mit 12 Monaten Freiheitsstrafe und 500 Franken Busse. Es schob den Vollzug der Freiheitsstrafe im Umfang von 6 Monaten auf und setzte die Probezeit auf vier Jahre an. Es bestätigte zudem die zugesprochenen Genugtuungen.
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B.
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Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache an dieses zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung.
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C.
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Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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Strittig ist einzig, ob das Obergericht den Rückzug des Strafantrags von Y.________ zu Unrecht als verspätet beurteilt und unter Verletzung von Art. 33 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt hat.
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1.1 Der zum Strafantrag berechtigte Geschädigte kann diesen nach Art. 33 Abs. 1 StGB bis zur Eröffnung des Urteils der zweiten kantonalen Instanz zurückziehen. Unbestritten ist, dass der Rückzug ein rechtskräftiges Urteil nicht mehr aufheben kann, er mithin nur Rechtswirkungen entfaltet, wenn gegen die kantonal erstinstanzliche Verurteilung wegen eines Antragsdeliktes ein Rechtsmittel hängig ist.
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1.2 Ob und wann ein erstinstanzliches kantonales Urteil in formelle Rechtskraft erwächst, entscheidet sich nach dem einschlägigen kantonalen Verfahrensrecht, dessen Anwendung das Bundesgericht nur auf Willkür überprüft (Art. 95 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.2.1).
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Nach § 412 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO; in der am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Fassung vom 27. Januar 2003) prüft das Berufungsgericht das angefochtene Urteil im Rahmen der Berufungsanträge frei. Die Berufung kann auf "einzelne Schuldsprüche, die Strafzumessung, die Anordnung von Massnahmen, den Entscheid über die Zivilforderungen sowie die besonderen Anordnungen" beschränkt werden (§ 413 Abs. 1 StPO). Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils wird im Umfang der Anfechtung gehemmt (§ 413 Abs. 3 StPO). Will der Verurteilte die Berufung einschränken, muss er angeben, welche Teile des Entscheids er anfechten will. Seine Beanstandungen hat er innert 20 Tagen nach Zustellung des begründeten Entscheids schriftlich zu benennen (§ 414 Abs. 3 und 4 StPO). Geht aus der Berufungserklärung nicht genügend deutlich hervor, welche Beanstandungen vorgebracht werden, setzt der Präsident des Berufungsgerichtes eine Frist zur Ergänzung an (§ 419 Abs. 3 StPO).
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Nach dem klaren Wortlaut dieser mit der Revision vom 27. Januar 2003 eingeführten Regelung des Berufungsverfahrens hemmt die Berufung den Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Strafurteils nur im Rahmen der vorgebrachten Beanstandungen, womit - e contrario - die unangefochten bleibenden Teile der erstinstanzlichen Verurteilung nach Ablauf der 20-tägigen Frist von § 414 Abs. 4 StPO formell in Rechtskraft erwachsen. Dies entspricht dem Wortlaut von § 413 Abs. 3 StPO und dem Willen des Gesetzgebers, welcher mit der Revision vom 27. Januar 2003 für das Berufungsverfahren die Dispositionsmaxime einführte und bewusst anordnete, dass die unangefochtenen Teile eines erstinstanzlichen Strafurteils in Teilrechtskraft erwachsen (Andreas Donatsch/Ulrich Weder/Cornelia Hürlimann, Die Revision des Zürcher Strafverfahrensrechts vom 27. Januar 2003, Zürich 2005, S. 57 ff.; insbesondere S. 60). Es wird nicht dargetan und ist auch nicht ersichtlich, dass und inwiefern diese Regelung die Anwendung von Art. 33 Abs. 1 StGB verunmöglichen oder unnötig erschweren und sich damit als bundesrechtswidrig erweisen würde.
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1.3 Der bereits vor erster Instanz vollumfänglich geständige Beschwerdeführer hat in der Berufungsschrift vom 9. September 2008 ausdrücklich erklärt, der Sachverhalt und dessen rechtliche Würdigung durch die Vorinstanz seien unbestritten geblieben und von ihm anerkannt worden (Ziff. 1). Die Berufung richte sich gegen die Strafzumessung und die Genugtuung (Ziff. 2). In Ziff. 5 der Berufungsschrift bringt er vor, an seinem vor Bezirksgericht vorgebrachten Antrag festzuhalten, ihn nicht zu einer Freiheitsstrafe zu verurteilen, sondern zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten, "sofern die Berufungsinstanz nicht aufgrund zwischenzeitlich eintretender Umstände von einer Bestrafung ganz absehen muss". Dieser Satzteil könnte zwar darauf hindeuten, dass der Beschwerdeführer auf einen Rückzug der Strafanträge während des Berufungsverfahrens hoffte (in der irrigen Meinung, mit der Einreichung der Berufung sei der erstinstanzliche Entscheid insgesamt nicht rechtskräftig geworden). Auch er enthält indessen keinerlei Kritik an seiner Verurteilung im Schuldpunkt.
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Die Auffassung des Obergerichts (S. 12 f.), das bezirksgerichtliche Urteil sei im Schuldpunkt mangels Beanstandung unangefochten geblieben und insoweit in Rechtskraft erwachsen (§ 413 Abs. 3 StPO e contrario), ist ohne weiteres haltbar. Da in der vom rechtskundigen Vertreter des Beschwerdeführers verfassten Berufungsschrift die beiden beanstandeten Punkte, die Strafzumessung und die Höhe der Genugtuung, in Ziff. 2 ausdrücklich benannt und diese Rügen in der Folge begründet werden, konnte es zudem ohne Willkür davon ausgehen, die Berufung sei im Sinne von § 413 Abs. 1 StPO darauf beschränkt. Unter diesen Umständen hatte es keinen Anlass, dem Beschwerdeführer Nachfrist anzusetzen, um seine Rechtsmitteleingabe zu verbessern oder zu ergänzen.
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1.4 Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Obergericht weder gegen Art. 33 Abs. 1 StGB verstiess noch das kantonale Prozessrecht in unhaltbarer Weise anwandte, und es hat auch die verfassungsmässigen Verfahrensgarantien von Art. 29 und Art. 32 BV nicht verletzt. Letzteres wird vom Beschwerdeführer ohnehin nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG entsprechende Weise (BGE 133 IV 286 E. 1.4) dargelegt. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass es den nach dem Eintritt der formellen (Teil-)rechtskraft des verurteilenden erstinstanzlichen Erkenntnisses eingetroffenen Rückzug des Strafantrages unbeachtet liess. Die Rüge ist unbegründet.
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2.
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Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Damit wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
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2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 14. August 2009
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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Favre Störi
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