BGer 6B_913/2008
 
BGer 6B_913/2008 vom 21.08.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_913/2008
Urteil vom 21. August 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiber Stohner.
Parteien
U.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Roberto Rulli,
gegen
Schweizerische Bundesanwaltschaft, Taubenstrasse 16, 3003 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Kosten, Entschädigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Strafkammer, vom 30. Januar 2008.
Sachverhalt:
A.
Mit Entscheid vom 30. Januar 2008 sprach die Strafkammer des Bundesstrafgerichts U.________ in allen Anklagepunkten frei. Gleichzeitig auferlegte es ihm Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 19'773.90 und sah von der Ausrichtung einer Entschädigung ab.
B.
U.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, er sei von der Verpflichtung zur Bezahlung von Verfahrenskosten zu befreien, und der Staat habe ihm eine Entschädigung von insgesamt Fr. 138'183.80 zuzüglich Zins zu 5% seit dem 30. Januar 2008 zu bezahlen. Des Weiteren sei seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
C.
Die Vorinstanz beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Bundesanwaltschaft hat auf Bemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Vorinstanz geht zusammenfassend von folgendem Sachverhalt aus:
Die SUVA verfügte über ein Immobilien-Portefeuille im Wert von rund 3 Milliarden Franken. Ab dem Jahre 2000 setzte sie sich zum Ziel, die internen Verfahrensabläufe und Zuständigkeiten im Immobilienwesen neu zu definieren, das Immobilien-Anlage-Portefeuille aktiver zu bewirtschaften und suboptimale Immobilien zu verkaufen. Sie engagierte im Jahre 2002 W.________ als Verantwortlichen für die Erarbeitung einer neuen Immobilienstrategie. Im Jahr 2003 wurde dieser zudem zum Bereichsleiter Immobilien innerhalb der Finanzabteilung ernannt. In dieser Funktion beantragte er im Immobilien-Anlageausschuss (nachfolgend: IAA) den Kauf oder Verkauf von Liegenschaften. Im Zuge des Devestitionsprozesses im Immobilienbereich kam es zum Verkauf von diversen SUVA-Liegenschaften. Ein Verdacht auf Unregelmässigkeiten beim Verkauf von acht Immobilien, die im Zeitraum von Frühling 2004 bis Sommer 2005 veräussert wurden und mehrheitlich im Kanton Tessin liegen, führte zur Eröffnung einer Strafuntersuchung gegen mehrere SUVA-Angestellte und weitere Beteiligte.
W.________ war als Bereichsleiter Immobilien bei der SUVA am Verkauf aller inkriminierten Liegenschaften direkt oder indirekt beteiligt. Er bezeichnete innerhalb der SUVA die zu verkaufenden Liegenschaften, setzte für den grössten Teil der betroffenen Liegenschaften unter Beizug externer Schätzer deren Verkehrswert fest und stellte Antrag an den für den Verkaufsentscheid zuständigen IAA. Den Verkehrswert von sechs der acht Liegenschaften liess W.________ vom Beschwerdeführer schätzen. Letztlich ist der IAA in all seinen Entscheiden bezüglich Verkauf und Verkaufspreis den von W.________ oder seinem Mitarbeiter V.________ gestellten Anträgen gefolgt. Letzterer war als zuständiger Portfoliomanager im Immobilienbereich bei der SUVA und späterer Nachfolger von W.________ an den Verkäufen von zwei der acht Liegenschaften beteiligt. Als Käufer aller Liegenschaften traten T.________ oder die von ihm ganz oder teilweise beherrschten Aktiengesellschaften P.________ SA, Q.________ SA und R.________ AG auf. An der R.________ AG waren T.________ und der Beschwerdeführer zu je 50% beteiligt.
1.2 Die Vorinstanz erklärte W.________ des mehrfachen Sich-bestechen-Lassens (Art. 322quater StGB), der mehrfachen ungetreuen Amtsführung (Art. 314 StGB) und der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 StGB) schuldig. V.________ wurde des Sich-bestechen-Lassens (Art. 322quater StGB), der Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB), der ungetreuen Amtsführung (Art. 314 StGB) und der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 StGB) schuldig gesprochen. T.________ wurde wegen mehrfacher Anstiftung zu qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung (Art. 158 Ziff. 1 Abs. 1 und 3 StGB i.V.m. Art. 24 und 26 StGB) verurteilt. Der Beschwerdeführer hingegen wurde, wie dargelegt, gleich wie zwei weitere angeklagte Personen vollumfänglich freigesprochen.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, ihm trotz Freispruchs Verfahrenskosten von Fr. 19'773.90 aufzuerlegen und keine Entschädigung auszurichten, verstosse gegen die Art. 172 Abs. 1, Art. 173 Abs. 2, Art. 176 und Art. 122 BStP. Einem Freigesprochenen Kosten zu überbinden, falle ausser Betracht, wenn andere beschuldigte Personen verurteilt würden. Die Vorinstanz hätte daher richtigerweise T.________, W.________ und V.________ anteilsmässig zur Bezahlung der gesamten Verfahrenskosten verpflichten müssen. Ihm gleich dem verurteilten V.________ 10% der Verfahrenskosten aufzuerlegen, sei willkürlich. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil habe er sich nicht zivilrechtlich vorwerfbar verhalten, weshalb er die gegen ihn eingeleitete Strafuntersuchung auch nicht durch schuldhaftes Benehmen verursacht habe. Folgerichtig sei ihm daher gestützt auf Art. 176 i.V.m. Art. 122 BStP eine Entschädigung in der Höhe von insgesamt Fr. 138'183.80 auszurichten (Fr. 81'394.80 Anwaltskosten, Fr. 50'000.-- Genugtuung für die ungerechtfertigte Untersuchungshaft von 18 Tagen und die Vorverurteilung in den Medien sowie Fr. 6'789.-- als Einkommenseinbusse).
2.2 Die Vorinstanz hat erwogen, bei der Festlegung des Gebührenanteils gelte es, den Tatbeitrag der Beschuldigten im Kontext der Gesamtuntersuchung in Sachen Liegenschaftsverkäufe der SUVA zu würdigen. W.________ und T.________ seien in sämtliche Liegenschaftstransaktionen involviert gewesen. Ein Anteil in der Höhe von je 35% der Gesamtgebühren erscheine daher deren Tatbeitrag angemessen. V.________ sei ein strafbares Verhalten hinsichtlich zweier Liegenschaftstransaktionen nachgewiesen worden. Seinem Tatbeitrag entsprechend seien ihm 10% der Gesamtgebühren zuzuordnen. Gleiches gelte für den Beschwerdeführer, welcher für sechs der acht Liegenschaften Verkehrswertschätzungen erstellt habe. Den beiden weiteren beteiligten Personen seien schliesslich ihren Tatbeiträgen entsprechend je 5% der Gesamtgebühren zuzuweisen (angefochtenes Urteil S. 86).
Anders als W.________, T.________ und V.________ sei der Beschwerdeführer (wie auch die beiden weiteren angeklagten Personen) zwar freigesprochen worden. Der freigesprochene Beschuldigte könne jedoch zur Tragung der Kosten verurteilt werden, wenn er in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm klar verstossen habe. Der Beschwerdeführer sei Mitglied des Schweizerischen Verbands der Immobilienwirtschaft (SVIT). In Art. 2 der Standesregeln verpflichteten sich die SVIT-Mitglieder, die Rechtsordnung einzuhalten und von sittenwidrigen und unlauteren Verhaltensweisen Abstand zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe gegen Entgelt und in Missachtung seiner zivilrechtlichen Berufspflichten worst-case-Schätzungen als Verkehrswertgutachten deklariert. Dieses Verhalten sei kausal gewesen für die Eröffnung des gegen ihn geführten Strafverfahrens, weshalb eine Auflage von 10% der gesamten Kosten trotz Freispruchs gerechtfertigt erscheine (angefochtenes Urteil S. 88 f.).
2.3 Der freigesprochene Angeklagte kann zur Tragung von Kosten verurteilt werden, wenn er die Einleitung der Untersuchung durch schuldhaftes Benehmen verursacht oder das Verfahren durch trölerisches Verhalten wesentlich erschwert hat (Art. 173 Abs. 2 BStP). Im Falle der Freisprechung hat das Gericht über die Entschädigung an den freigesprochenen Angeklagten gemäss den Grundsätzen des Art. 122 Abs. 1 zu entscheiden (Art. 176 BStP). Die Entschädigung kann verweigert werden, wenn der Beschuldigte die Untersuchungshandlungen durch ein verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verschuldet oder erschwert hat (Art. 122 Abs. 1 Satz 2 BStP). Diese Bestimmungen finden auch im Verfahren vor dem Bundesstrafgericht Anwendung, was sich aus Art. 30 des Bundesgesetzes vom 4. Oktober 2002 über das Bundesstrafgericht (SGG; SR 173.71) ergibt.
2.4
2.4.1 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich aus Art. 173 BStP nicht der Schluss ziehen, dass einer freigesprochenen Person einzig Verfahrenskosten überbunden werden können, wenn nicht gleichzeitig andere beschuldigte Personen verurteilt werden. Entscheidend ist vielmehr einzig, ob die freigesprochene Person die Einleitung der Untersuchung durch schuldhaftes Benehmen verursacht hat.
2.4.2 Der Beschwerdeführer bestreitet, sich zivilrechtlich vorwerfbar verhalten zu haben. Die Ausführungen der Vorinstanz verletzen jedoch auch insoweit kein Bundesrecht. Der Verstoss gegen Standesrecht kann zur Annahme eines verwerflichen Handelns führen (Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl., 2004, § 66 N. 1207). Die Vorinstanz hat zutreffend erwogen, der Beschwerdeführer habe gegen Entgelt und in Missachtung seiner zivilrechtlichen Berufspflichten worst-case-Schätzungen von Liegenschaften als Verkehrswertgutachten deklariert, was kausal für die Eröffnung der gegen ihn eröffneten Strafuntersuchung gewesen sei.
2.4.3 Allerdings setzt die Kostenauflage zulasten der beschuldigten Person aufgrund verwerflich bewirkter Untersuchungseinleitung adäquate Kausalität zwischen deren Verhalten, der eingeleiteten Untersuchung und den erwachsenen und aufzuerlegenden Kosten voraus (vgl. [zum zürcherischen Prozessrecht] Niklaus Schmid, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid [Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Januar 1999, § 42 N. 22).
Der Beschwerdeführer wendet sich ausdrücklich auch gegen die Höhe der ihm auferlegten Kosten. Diese Rüge ist berechtigt. Die Vorinstanz hat vorliegend mit ihrer pauschalen Aufteilung der Verfahrenskosten (insbesondere je 35% auf T.________ und W.________ und je 10% auf V.________ und den Beschwerdeführer) nicht hinreichend begründet, dass das zivilrechtlich vorwerfbare Verhalten des Beschwerdeführers Kosten von nahezu Fr. 20'000.-- generiert hat. Wie der Beschwerdeführer zu Recht anführt, erscheint es zudem stossend, ihn trotz Freispruchs im Kostenpunkt gleichzustellen mit V.________, welchen die Vorinstanz des Sich-bestechen-Lassens (Art. 322quater StGB), der Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB), der ungetreuen Amtsführung (Art. 314 StGB) und der Urkundenfälschung im Amt (Art. 317 Ziff. 1 StGB) schuldig gesprochen und zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 10 Monaten und einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 150.-- verurteilt hat. Unter diesen konkreten Umständen bedürfte die Auferlegung von 10% der gesamten Verfahrenskosten an den Beschwerdeführer trotz Freispruchs zumindest einer eingehenderen Begründung.
3.
Zusammenfassend lässt sich daher mangels hinreichender Begründung nicht abschliessend überprüfen, ob die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu Recht Verfahrenskosten von Fr. 19'773.90 auferlegt hat. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen, das angefochtene Urteil, soweit die Kosten- und Entschädigungsregelung den Beschwerdeführer betreffend, aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) hat den Beschwerdeführer angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Bundesstrafgerichts vom 30. Januar 2008, soweit die Kosten- und Entschädigungsregelung den Beschwerdeführer betreffend, aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft (Bundesanwaltschaft) hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- auszurichten.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesstrafgericht, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 21. August 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Stohner