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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_570/2009
Urteil vom 11. September 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Ferrari,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Guido Hensch,
Beschwerdeführer,
gegen
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 8090 Zürich,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Bedingter Strafvollzug, teilbedingter Strafvollzug; Verteidigungsrechte,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 16. April 2009.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 22. Oktober 2008 wegen Verbrechens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 BetmG i.V.m. Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG und Vergehens im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 4 BetmG schuldig. Es widerrief die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 18. Dezember 2006 bedingt ausgefällte Gefängnisstrafe von 30 Tagen und verurteilte X.________, unter Einbezug der widerrufenen Strafe, zu einer Gesamtstrafe von 20 Monaten. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es nicht auf. Es hielt für erwiesen, dass X.________ am 11. April 2008 20 Fingerlinge Kokain mit einem Reingewicht von insgesamt 87 Gramm für 12'000 Franken verkaufen wollte. Der Handel kam nicht zustande, weil er in eine Polizeikontrolle geriet. Am 25. Mai 2008 verkaufte X.________ zudem einem Polizeibeamten in Zivil zwei Portionen Kokain für 100 Franken, die er zuvor für 50 Franken erworben hatte.
Auf Berufung von X.________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich das erstinstanzliche Urteil im Schuldpunkt. Es bestrafte ihn mit einer unbedingten Freiheitsstrafe von 19 Monaten und beschloss, die mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 18. Dezember 2006 ausgefällte Strafe von 30 Tagen Gefängnis nicht zu widerrufen, hingegen die Probezeit um 1½ Jahre zu verlängern.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, dieses obergerichtliche Urteil aufzuheben und das Verfahren ans Obergericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
C.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, sein verfassungsmässiger "Anspruch auf rechtsgenügende Verteidigung" sei verletzt worden und die Durchführung der bezirksgerichtlichen Hauptverhandlung ohne seine Teilnahme sei "rechtsstaatlich fragwürdig".
Für die Geltendmachung der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gilt nach Art. 106 Abs. 2 BGG das Rügeprinzip. Das Bundesgericht tritt danach auf Verfassungsrügen nur ein, wenn in der Beschwerdeschrift nachvollziehbar dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid welche konventions- oder verfassungsmässigen Rechte des Beschwerdeführers verletzen soll (BGE 133 III 638 E. 2; 133 II 396 E. 3.2; 133 IV 286 E. 1.4). Die Beschwerde enthält keine diesen Begründungsanforderungen auch nur annähernd entsprechende Verfassungsrügen, weshalb auf sie in diesem Punkt nicht einzutreten ist.
2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, Art. 42 und 43 StGB verletzt zu haben, indem es ihm den bedingten oder wenigstens teilbedingten Vollzug der Strafe verweigert habe, und Art. 50 StGB, weil es dies nicht angemessen begründet habe. Im Vergleich mit dem vom Bundesgericht im Entscheid 6B_520/2007 behandelten Fall hätte ihm keine Schlechtprognose gestellt werden dürfen.
2.1 Nach Art. 42 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten (Art. 42 Abs. 1 StGB). Eine bedingte Strafe kann mit einer unbedingten Geldstrafe oder mit einer Busse nach Artikel 106 StGB verbunden werden (Art. 42 Abs. 4 StGB).
Nach Art. 43 StGB kann das Gericht den Vollzug einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und höchstens drei Jahren nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB). Der unbedingt vollziehbare Teil darf die Hälfte der Strafe nicht übersteigen (Art. 43 Abs. 2 StGB); sowohl der aufgeschobene wie auch der zu vollziehende Teil der Freiheitsstrafe muss mindestens sechs Monate betragen (Art. 43 Abs. 3 StGB). Muss davon ausgegangen werden, der Täter werde sich in Freiheit nicht bewähren und erneut delinquieren, ist die Strafe unbedingt auszufällen, die schlechte Prognose schliesst die volle oder auch nur teilweise Gewährung des bedingten Strafvollzugs aus (grundlegend zum bedingten Strafvollzug nach neuem Recht: BGE 134 IV 1 E. 3-5).
2.2 Das Obergericht erwog im angefochtenen Entscheid (S. 16 ff.), der seit 2002 in der Schweiz lebende Beschwerdeführer sei bereits dreimal rechtskräftig zu bedingten Strafen verurteilt worden (Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Winterthur vom 23. September 2004, 500 Franken Busse wegen Hinderung einer Amtshandlung; Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat vom 27. Juli 2005, 30 Tage Gefängnis und 100 Franken Busse wegen ANAG-Delikten; Strafbefehl der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl vom 18. Dezember 2006, 30 Tage Gefängnis wegen Fälschung von Ausweisen). Er habe 7 Tage in Untersuchungshaft verbracht. Die mit Strafbefehl vom 25. Juli 2005 bedingt ausgesprochene Strafe von 30 Tagen Gefängnis habe widerrufen werden müssen und sei in 120 Stunden gemeinnützige Arbeit umgewandelt worden, welche der Beschwerdeführer bis zum 23. April 2007 abgeleistet habe. Im Laufe des vorliegenden Strafverfahrens sei er erneut zwei Tage in Untersuchungshaft genommen worden.
All dies habe den Beschwerdeführer nicht vor weiteren Straftaten abhalten können. 16 Monate nach seiner Verurteilung vom 16. Dezember 2006 sei er bereits wieder straffällig geworden, wobei der Schweregrad der Verfehlung markant zugenommen habe. Besonders schwer wiege, dass er nach der Verhaftung vom 11. April 2008 am 25. Mai 2008, während der Probezeit der früheren Verurteilung und laufender Strafuntersuchung, wiederum als Kokainhändler aufgetreten sei. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und lebe mit seiner Frau zusammen, die mit ihrem Einkommen den gemeinsamen Lebensunterhalt bestreite. Er habe somit in finanziell gesicherten, geordneten Verhältnissen gelebt und sei trotzdem immer wieder straffällig geworden. Diese Gesamtbetrachtung zeige die Uneinsichtigkeit sowie die allgemeine Geringschätzung und Gleichgültigkeit des Beschwerdeführers gegenüber unserer Rechtsordnung. Es könne nicht angenommen werden, dass er aus dem vorliegenden Strafverfahren oder einem bloss teilweisen Vollzug die notwendigen Lehren ziehen werde. Es müsse ihm eine eigentliche Schlechtprognose gestellt und die auszufällende Strafe dementsprechend vollzogen werden.
2.3 Mit diesen Ausführungen begründet das Obergericht einleuchtend und unter dem Gesichtspunkt der Begründungspflicht ausreichend, weshalb es dem Beschwerdeführer eine schlechte Legalprognose stellt. Die von ihm zutreffend angeführten Umstände - der Beschwerdeführer delinquierte, obwohl er in geordneten und (durch seine Ehefrau) finanziell gesicherten Verhältnissen lebte, er liess sich weder durch die verschiedenen Strafverfahren, noch die erlittene Untersuchungshaft, noch die bedingten Strafen, noch den Vollzug einer von ihnen in der Form der gemeinnützigen Arbeit in irgendeiner Weise beeindrucken, sondern verstiess dessen ungeachtet in schwerer Weise gegen das Betäubungsmittelgesetz - sprechen für eine schlechte Prognose. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der Umstand, dass er nach seinen Angaben glücklich verheiratet ist, nicht geeignet, die Prognose zu verbessern, da ihn dies bisher nicht davon abhalten konnte, straffällig zu werden. Die Vorstrafen sind zwar nicht einschlägig, was sich normalerweise günstig auf die Prognose auswirkt. Dieser Effekt wird indessen dadurch aufgehoben, dass die hier zur Diskussion stehende Verurteilung wegen Drogenhandels weit schwerer wiegt als die Vorstrafen. Die schlechte Prognose ist damit jedenfalls vertretbar. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer aus dem Vergleich mit dem vom Bundesgericht im Urteil 6B_520/2007 vom 16. Mai 2008 behandelten Fall. Abgesehen davon, dass derartige Vergleiche ohnehin nur beschränkt aussagekräftig sind, übersieht er, dass das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid die Legalprognose teilweise nach falschen Kriterien vornahm (E. 3.6.1), versehentlich von unzutreffenden tatsächlichen Annahmen ausging (E. 3.6.3) und insbesondere massgebende, für eine günstige Prognose sprechende Umstände - der Beschwerdeführer hatte sich nach der Verurteilung bereits drei Jahre lang nichts mehr zu Schulden kommen lassen - nicht in seine Beurteilung einfliessen liess (E. 3.6.3).
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen bescheidenen finanziellen Verhältnissen ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. September 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Störi