Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_553/2009
Urteil vom 18. September 2009
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Seiler, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
Parteien
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,
gegen
1. A.________ AG,
2. B.________ AG,
Beschwerdegegnerinnen.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge,
Beschwerde gegen den Entscheid
des Bundesverwaltungsgerichts
vom 14. Mai 2009.
Sachverhalt:
A.
Im Mai 2007 stellte die A.________ AG der Abteilung "Aufsicht Berufliche Vorsorge" des Bundesamtes für Sozialversicherungen (im Folgenden: BSV ABV) eine Dokumentation zur vorgesehenen Gründung einer Sammelstiftung "Personalvorsorgestiftung C.________" zu. Das BSV ABV verlangte verschiedene Änderungen und Anpassungen der Unterlagen, welche jeweils eingereicht wurden. Am 23. Oktober 2007 teilte die "Personalvorsorgestiftung C.________" dem BSV ABV mit, sie sei am 13. September 2007 verurkundet worden und der Start der Tätigkeit sei auf den 1. Januar 2008 vorgesehen; sie bat um eine kurzfristig anberaumte Sitzung zur Besprechung des weiteren Vorgehens. Mit Schreiben vom 7. und 28. November 2007 warf das BSV ABV Fragen im Zusammenhang mit der Organisation der Stiftung (Zusammensetzung des Stiftungsrates; Vermeidung von Interessenkonflikten) auf und skizzierte die Bedingungen, unter denen die Aufsicht übernommen werden könne. Zudem bat es um Zustellung verschiedener Unterlagen.
B.
Am 28. Januar 2008 erhoben die A.________ AG und die B.________ AG beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde gegen das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) wegen Rechtsverzögerung mit dem Rechtsbegehren, das Amt sei anzuweisen, die Aufsicht über die Personalvorsorgestiftung C.________ mittels einer beschwerdefähigen, die Bedingungen und deren Rechtsgrundlagen explizit nennenden Verfügung zu übernehmen oder abzulehnen; zusätzlich sei der entstandene direkte wirtschaftliche Schaden, der aus der Verzögerung des Markteintritts um ein Jahr entstanden sei, zu ersetzen.
Das Bundesverwaltungsgericht nahm die Eingabe als Rechtsverweigerungs- bzw. Rechtsverzögerungsbeschwerde entgegen. Es erwog, die Verfügung zur Aufsichtsübernahme sei gemäss den bundesrätlichen Weisungen bei einer wie vorliegend noch nicht im Handelsregister eingetragenen Sammelstiftung erst nach einer Vorprüfung der notwendigen Unterlagen und Nachweise vorgesehen. Da das Vorprüfungsverfahren noch nicht habe abgeschlossen werden können, habe das BSV die Aufsichtsübernahme tatsächlich noch nicht verfügen können. Hingegen stelle sich offensichtlich die Frage einer Feststellungsverfügung. Es bestünden nachweislich Differenzen bezüglich der Anforderungen an die Organe und der Organisation der Sammelstiftung; da das Vorprüfungsverfahren deswegen blockiert sei, hätten die A.________ AG und die B.________ AG ein schutzwürdiges Interesse daran, die Rechtslage hinsichtlich der Anforderungen an die Stiftungsorgane und der Organisation im Hinblick auf mögliche Interessenkonflikte noch im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens zu klären, weil sie verhindern möchten, Auslagen zu tätigen auf die Gefahr hin, dass die Sammelstiftung in einem späteren Zeitpunkt wieder liquidiert werden müsse. Insoweit bestehe ein Feststellungsinteresse. Demgegenüber seien allfällige Schadenersatzansprüche nicht im vorliegenden Verfahren geltend zu machen, weshalb auf den entsprechenden Antrag nicht eingetreten werden könne. Demgemäss hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gut, soweit es darauf eintrat (Dispositiv-Ziffer 1), und wies die Sache an das BSV zum Erlass einer Feststellungsverfügung im Sinne der Erwägungen (Dispositiv-Ziffer 2; Entscheid vom 14. Mai 2009).
C.
Das BSV erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag auf Aufhebung von Ziffer 2 des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts.
Die Beschwerdegegnerinnen schliessen auf Abweisung des Rechtsmittels.
Erwägungen:
1.
Gemäss Art. 61 Abs. 2 BVG und Art. 3 Abs. 1 lit. a BVV 1 beaufsichtigt das BSV die Vorsorgeeinrichtungen mit nationalem und internationalem Charakter. Es legt gemäss Art. 3 Abs. 6 BVV 1 in einer Verfügung fest, ob eine Vorsorgeeinrichtung einen solchen Charakter hat (sog. Aufsichtsübernahmeverfügung, vgl. Ziff. 3 Abs. 1 der Weisungen des Bundesrates über die Voraussetzungen für die Gründung von Sammel- und Gemeinschaftseinrichtungen vom 10. Juni 2005 [BBl 2005 4233]). Gegen solche Verfügungen ist die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (Art. 74 Abs. 1 BVG; Art. 31 und Art. 33 lit. d VGG ) und gegen dessen Entscheid die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht (Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG ) zulässig. Der gleiche Rechtsmittelweg gilt für Rechtsverzögerungsbeschwerden (Art. 46a und Art. 47 Abs. 1 lit. b VwVG ). Das BSV ist als aufsichtsführendes Amt zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG und Art. 4a Abs. 2 BVV 1).
2.
2.1 Das BSV verneint eine Rechtsverzögerung. Angesichts der Anzahl unternommener Verfahrensschritte könne nicht von einer unangemessenen Verfahrensdauer gesprochen werden. Sodann hätten die Beschwerdegegnerinnen nie eine Feststellungsverfügung beantragt, und es habe auch kein Anlass bestanden, eine solche von Amtes wegen zu erlassen. Zudem wäre fraglich, an wen eine solche Verfügung zu richten wäre, da die zu gründende Vorsorgeeinrichtung mangels Handelsregistereintrags noch nicht prozessfähig und das Amt gegenüber den Gründerinnen nicht verfügungsbefugt sei. Im Übrigen wäre ein Markteintritt ab Januar 2008 auch unrealistisch gewesen, wenn das BSV eine Feststellungsverfügung erlassen hätte.
2.2 Die Beschwerdegegnerinnen führen aus, das in der Beschwerde vom 28. Januar 2008 gestellte Rechtsbegehren sei insofern zu präzisieren, als vom BSV im Rahmen des Vorprüfungsverfahrens eine Feststellungsverfügung gemäss Art. 25 VwVG verlangt werde, in welcher die von ihm gestellten Anforderungen an die Organe und die Organisation der Sammelstiftung in beschwerdefähiger Form definiert werden. Es gehe einzig darum, dass sich das BSV geweigert habe, diese Voraussetzungen in beschwerdefähiger Form zu definieren. Es sei überspitzter Formalismus, wenn das BSV vorbringe, es sei nie um Erlass einer Feststellungsverfügung ersucht worden; sinngemäss sei um eine solche nachgesucht worden.
3.
3.1 Wie die Vorinstanz richtig festgestellt hat und die Beschwerdegegnerinnen bestätigen, geht es in der Sache um eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem BSV und den Beschwerdegegnerinnen in Bezug auf die Anforderungen an die Organe und die Organisation der Sammelstiftung. Es liegt auf der Hand und wird auch vom BSV nicht in Frage gestellt, dass die Möglichkeit bestehen muss, diese Meinungsverschiedenheiten auf gerichtlichem Wege auszutragen (Art. 29a BV, Art. 74 BVG). Nicht umstritten ist auch, dass die zu gründende Vorsorgeeinrichtung nationalen Charakter hat und in die Aufsichtszuständigkeit des Bundes gehört (Art. 61 Abs. 2 BVG; Art. 3 Abs. 1 lit. a BVV 1). Streitig ist, auf welche Weise und in welchem Verfahrensstadium das BSV über die umstrittene Frage eine anfechtbare Verfügung erlassen muss.
3.2 Nach Auffassung der Vorinstanz haben die Beschwerdegegnerinnen ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse daran, vor der Aufsichtsübernahmeverfügung (Art. 3 Abs. 6 BVV 1) mittels einer Feststellungsverfügung die umstrittene Frage klären zu lassen. Das BSV habe daher zu Unrecht den Erlass einer entsprechenden Feststellungsverfügung verweigert.
3.3 Die Feststellungsverfügung (Art. 25 VwVG) ist subsidiär zu einer rechtsgestaltenden Verfügung; sie ist unzulässig, wenn das schutzwürdige Interesse ebenso gut mit einer rechtsgestaltenden Verfügung erreicht werden kann (BGE 135 II 60 E. 3.3.2 S. 75, 132 V 257 E. 1 S. 259, 129 V 289 E. 2.1 S. 290, 126 II 300 E. 2c S. 303 f.; Ulrich Meyer, Über die Zulässigkeit von Feststellungsverfügungen in der Sozialversicherungspraxis, Sozialversicherungsrechtstagung 2007, S. 35 ff., 47 f.; Isabelle Häner, in: Praxiskommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, 2009, N. 20 zu Art. 25 VwVG; Beatrice Weber-Dürler, in: Kommentar zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren [VwVG], 2008, N. 16 zu Art. 25 VwVG).
3.4 Die Parteien haben nach ihrer übereinstimmenden Darstellung an einer Besprechung vom 15. November 2007 über die streitige Frage diskutiert. Im Anschluss daran teilte das BSV mit Schreiben vom 28. November 2007 mit, es habe ein (in diesem Schreiben skizziertes) Vorgehen beschlossen, "das wir dann in unserer Verfügung betreffend Aufsichtsübernahme und Registrierung festhalten werden". Zugleich wies das BSV auf weitere noch offene Punkte hin, bezeichnete einige noch einzureichende Dokumente und schloss: "Um die Aufsichtsübernahme verfügen zu können, wollen Sie uns bitte die mit * gekennzeichneten Dokumente zustellen." Dabei handelte es sich um folgende vier Dokumente: Gutachten des Experten für berufliche Vorsorge betreffend das finanzielle Gleichgewicht; Bankbeleg betreffend genügendes Anfangsvermögen; Garantieerklärung; Vertrag betreffend Rückdeckung. In der Folge reichten die Beschwerdegegnerinnen nach Lage der Akten diese Dokumente nicht ein, sondern erhoben am 28. Januar 2008 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht mit dem Rechtsbegehren, das BSV sei anzuweisen, die Aufsicht mittels einer beschwerdefähigen, die Bedingungen und deren Rechtsgrundlagen explizit nennenden Verfügung zu übernehmen oder abzulehnen, und den entstandenen Schaden zu ersetzen. In der Replik führten die Beschwerdegegnerinnen aus, nachdem mit dem Schreiben vom 28. November 2007 weitere umfangreiche Dokumente und Unterlagen einverlangt worden seien, hätten sie beschlossen, das Projekt vorläufig einzustellen und Beschwerde zu ergreifen.
3.5 Aus diesem Ablauf ergibt sich, dass das BSV sich nicht geweigert hat, über die umstrittenen Fragen zu verfügen; es hat im Gegenteil im Schreiben vom 28. November 2007 ausdrücklich in Aussicht gestellt, über die streitigen Punkte zu verfügen, sobald ihm die noch ausstehenden Dokumente vorlägen. Diese Dokumente, die mit der hier einzig streitigen Organisationsfrage keinen Zusammenhang haben, wurden mit Recht einverlangt (vgl. Ziff. 3 Abs. 3 sowie Ziff. 41, 42 und 43 der zit. Weisungen), was die Beschwerdegegnerinnen auch nicht ernsthaft bestreiten. Wären sie eingereicht worden, hätte das BSV eine anfechtbare Aufsichtsverfügung erlassen und darin über die streitigen Punkte verfügt, so dass die Beschwerdegegnerinnen ihre Auffassung auf dem Rechtsmittelweg hätten überprüfen lassen können. Dass das nicht geschah, ist nicht auf das Verhalten des BSV zurückzuführen, sondern darauf, dass die Beschwerdegegnerinnen die verlangten Dokumente nicht eingereicht haben. Das Verfahren war entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht wegen der streitigen Differenzen bezüglich den Anforderungen an die Organe und die Organisation der Stiftung blockiert. Unter diesen Umständen bestand kein Anlass, das BSV zu einer entsprechenden Feststellungsverfügung zu verpflichten. Die Beschwerde ist begründet.
4.
Die unterliegenden Beschwerdegegnerinnen tragen die Kosten des Verfahrens (Art. 65 Abs. 3 lit. a und Art. 66 Abs. 1 BGG ).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und Dispositiv-Ziffer 2 des Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Mai 2009 aufgehoben.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2000.- werden den Beschwerdegegnerinnen auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 18. September 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Meyer Keel Baumann