Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2F_2/2009
Urteil vom 23. September 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Wyssmann.
Parteien
1. X.________,
2. Y.________,
beide vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera Delnon,
Gesuchsteller,
gegen
Kantonales Steueramt Zürich.
Gegenstand
Direkte Bundessteuer 2000,
Gesuch um Revision des Entscheids des Schweizerischen Bundesgerichts 2C_72/2007 vom 23. August 2007.
Sachverhalt:
A.
X.________ war einziger Aktionär der A.________ AG. Die Gesellschaft befasste sich mit dem Handel von Pharmazeutika. Am 26. April 2000 überwies die A.________ AG ihrem Aktionär Fr. 250'000.--, womit sich dieser an der Kapitalerhöhung der B.________ AG beteiligte. Später wurde diese Beteiligung an die A.________ AG übertragen, und im Juli 2004 wurde die B.________ AG von Amtes wegen gelöscht.
Am 14. August 2000 gewährte die A.________ AG ihrem Aktionär überdies ein Darlehen in der Höhe von Fr. 500'000.--. Diese Mittel wurden für den Kauf der Aktien der C.________ AG verwendet. Über diese Gesellschaft wie auch die A.________ AG wurden am 17. Dezember 2003 Konkurse eröffnet, die inzwischen abgeschlossen sind. Im Konkursverfahren der A.________ AG wurden Gläubigern Ansprüche der Gesellschaft nach Art. 260 SchKG abgetreten, darunter eine Forderung von Fr. 500'000.--.
B.
Am 23. September 2004 veranlagte die Dienstabteilung Bundessteuern des Kantonalen Steueramtes Zürich X.________ und Y.________ für die direkte Bundessteuer 2000 auf ein steuerbares Einkommen von Fr. 959'200.--. Dabei wurde eine verdeckte Gewinnausschüttung von Fr. 700'000.-- (Fr. 500'000.-- für den Kauf der Aktien der C.________ AG und Fr. 250'000.-- für die Liberierung der Aktien der B.________ AG, abzüglich Einbringungswert der Beteiligung von Fr. 50'000.--) einschliesslich nicht anerkannte Schuldzinsen von Fr. 10'700.-- steuerlich miterfasst. Eine Einsprache gegen diese Veranlagung wies das kantonale Steueramt am 16. August 2006 ab.
Demgegenüber hiess die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich eine Beschwerde mit Entscheid vom 7. Februar 2007 gut, indem sie von der Aufrechnung der verdeckten Gewinnausschüttung (inkl. Schuldzinsen) absah und das bei der direkten Bundessteuer steuerbare Einkommen für die Steuerperiode 2000 auf Fr. 249'200.-- festsetzte.
Eine Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten der Dienstabteilung Recht des kantonalen Steueramtes Zürich hiergegen hiess das Bundesgericht mit Urteil 2C_72/2007 vom 23. August 2007 gut und setzte für die Steuerperiode 2000 das steuerbare Einkommen auf Fr. 999'200.-- fest.
C.
Mit Eingabe vom 15. Dezember 2005 erstattete die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich Strafanzeige gegen X.________ wegen des Verdachts auf Misswirtschaft gemäss Art. 165 StGB in Verbindung mit Art. 172 aStGB (entspricht Art 29 lit. a StGB) sowie wegen Verdachts auf Falschbeurkundung gemäss Art. 251 Ziff. 1 StGB und Steuerbetrug gemäss § 261 des Zürcher Steuergesetzes vom 8. Juni 1997 (StG/ZH) bzw. Art. 186 Abs. 1 DBG (SR 642.11). Die Anklageschrift datiert vom 23. Oktober 2007. Das Bezirksgericht R.________ sprach X.________ mit Urteil vom 21. November 2008 in sämtlichen Anklagepunkten frei. Dieses Urteil erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
D.
Mit Revisionsgesuch vom 26. Februar 2009 beantragen X.________ und Y.________, das Urteil 2C_72/2007 vom 23. August 2007 sei aufzuheben und das für die direkte Bundessteuer 2000 steuerbare Einkommen sei auf Fr. 93'945.-- festzusetzen; eventuell sei die Sache zur Durchführung eines neuen Veranlagungsverfahrens an den Steuerkommissär zurückzuweisen. Sie erachten es aufgrund des Strafgerichtsurteils vom 21. November 2008 als erwiesen, dass
der Übergabe der Fr. 250'000.-- zum Erwerb der B.________-Beteiligung ein Treuhandverhältnis zugrunde lag,
das Darlehen von Fr. 500'000.-- zum Erwerb der C.________ AG nicht simuliert war und der Beteiligungserwerb unternehmerisch Sinn machte bzw. im wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten lag,
keine Barbezüge über Fr. 154'035.-- für private Zwecke verwendet wurden (vgl. Revisionsgesuch S. 21 ff.).
Das Kantonale Steueramt Zürich, Dienstabteilung Recht, und die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragen die Abweisung des Revisionsgesuchs. Die Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Mit unaufgefordert eingereichter Eingabe vom 24. Juni 2009 nahmen X.________ und Y.________ zu den diversen Vernehmlassungen Stellung.
Erwägungen:
1.
Beantragt ist die Revision eines bundesgerichtlichen Entscheids betreffend die direkte Bundessteuer 2000. Gemäss Art. 147 Abs. 3 DBG richtet sich die Revision bundesgerichtlicher Urteile in dieser Materie nach dem BGG.
Revisionsgesuche nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG wegen nachträglich erfahrener erheblicher Tatsachen oder aufgefundener entscheidender Beweismittel sind gemäss Art. 124 Abs. 1 lit. d BGG innert 90 Tagen nach der Entdeckung des Revisionsgrundes beim Bundesgericht einzureichen. Die Gesuchsteller berufen sich als Revisionsgrund auf das Strafurteil des Bezirksgerichts R.________ vom 21. November 2008. Mit Bezug auf dieses Urteil ist die Frist gewahrt.
2.
2.1 Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG kann die Revision in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten verlangt werden, "wenn die ersuchende Partei nachträglich erhebliche Tatsachen erfährt oder entscheidende Beweismittel auffindet, die sie im früheren Verfahren nicht beibringen konnte, unter Ausschluss der Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind". Diese Vorschrift übernimmt im Wesentlichen Art. 137 lit. b aOG, sodass die frühere Rechtsprechung weiterhin Geltung hat (BGE 134 III 45 E. 2.1 S. 47, 669 E. 2.1 S. 670).
2.2 Wenn das Bundesgericht in seiner früheren Rechtsprechung eine staatsrechtliche Beschwerde abwies oder als unzulässig erklärte oder auf eine Berufung nicht eintrat, ersetzte sein Urteil den angefochtenen Entscheid nicht. Der kantonale Entscheid blieb weiterhin in Rechtskraft und unterlag der Revision nach Massgabe des kantonalen Verfahrensrechts (BGE 134 III 45 E. 2.2 S. 47 f., 669 E. 2.2. S. 670 f., je mit Hinweis). Darin kommt der allgemeine Grundsatz zum Ausdruck, dass diejenige Instanz sich mit der Revision befassen soll, welche in der Sache entschieden hat (BGE 118 Ia 366 E. 2 S. 368; s. auch Jean-François Poudret, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, 1992, Art. 137 N. 2.1 S. 25 f.).
Wenn hingegen das Bundesgericht auf der Grundlage des im angefochtenen kantonalen Entscheid festgestellten Sachverhalts in der Sache selbst entschied und das Rechtsmittel guthiess oder abwies, so trat sein Urteil an die Stelle des angefochtenen (kantonalen) Entscheides und ersetzte diesen. Das bundesgerichtliche Urteil stellte damit den einzigen rechtskräftigen Entscheid dar (vgl. Art. 66 BGG), der aus den in Art. 137 lit. b aOG genannten Gründen revidiert werden konnte (BGE 118 II 477 E. 1 S. 478).
Diese Rechtsprechung ist auch für die Revision nach Art. 121 und 123 BGG zu beachten (BGE 134 III 45 E. 2.2 S. 47 f., 669 E. 2.2 S. 671).
2.3 Nach diesen Grundsätzen ist auf das vorliegende Revisionsgesuch nicht einzutreten, soweit Aspekte aufgegriffen werden, die vor Bundesgericht nicht (mehr) Streitgegenstand bildeten. Das betrifft die Barbezüge von Fr. 154'035.--, welche vor Bundesgericht nicht mehr streitig waren. Diesbezüglich müsste ein Revisionsverfahren vor der letzten mit der Sache befassten kantonalen Instanz durchgeführt werden. Streitig waren vor Bundesgericht nur die beiden Kreditvergaben der Gesellschaft von Fr. 250'000.-- und Fr. 500'000.-- an ihren Aktionär. Nur diese können Gegenstand des Revisionsgesuchs an das Bundesgericht bilden.
3.
3.1 Nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG können nur Tatsachen und Beweismittel, die bis zum Zeitpunkt, wo im Hauptverfahren Tatsachenvorbringen noch zulässig waren, die aber dem Gesuchsteller trotz aller Sorgfalt nicht bekannt waren und von ihm erst nach dem bundesgerichtlichen Urteil entdeckt wurden, eine Revision rechtfertigen. Eine entsprechende Praxis bestand bereits zu Art. 137 lit. b aOG. Der geltende Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG bekräftigt dies, indem er zusätzlich präzisiert, dass "Tatsachen und Beweismittel, die erst nach dem Entscheid entstanden sind", vom Revisionsverfahren ausgeschlossen sind. Die Tatsachen müssen zudem erheblich sein. Das heisst, sie müssen geeignet sein, den dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegenden Sachverhalt zu ändern und aufgrund einer richtigen rechtlichen Beurteilung zu einem anderen Urteil zu führen. Insofern führt die geltende Rechtsprechung die Praxis zum aOG weiter (BGE 134 III 669 E. 2.2 S. 671).
3.2 Das Strafurteil des Bezirksgerichts R.________ vom 21. November 2008, auf das sich die Gesuchsteller berufen, ist keine solche nachträglich entdeckte Tatsache. Das Urteil erging nach dem hier zu revidierenden Entscheid des Bundesgerichts vom 23. August 2007. Es handelt sich nicht um eine Tatsache, die bereits im früheren Verfahren bestand und welche die Gesuchsteller erst nachträglich erfahren haben.
Das Strafgericht hat vorbestandenes Tatsachen- und Beweismaterial aus strafrechtlicher Optik, mithin unter anderen rechtlichen Voraussetzungen, vom Bundesgericht abweichend gewürdigt. Eine rechtliche Würdigung oder eine falsche Würdigung von Tatsachen ist selbst indessen keine Tatsache. Tatsachen im Sinne von Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG sind diejenigen Elemente, welche den konkret zu beurteilenden Sachverhalt ausmachen. Beweismittel nach dieser Bestimmung müssen dem Beweis solcher Tatsachen dienen. Eine neue rechtliche Würdigung eines Sachverhalts, eine neue Rechtsprechung oder auch Änderung der bestehenden Rechtsprechung sind daher keine Revisionsgründe (BGE 102 Ib 45 E. 1b S. 48; 98 Ia 568 E. 5b S. 573; s. auch Poudret, a.a.O., N. 5.2 zu Art. 136 und N. 2.2 zu Art. 137). Das strafrichterliche Urteil des Bezirksgerichts R.________ vom 21. November 2008 kann daher nicht als Revisionsgrund berücksichtigt werden.
3.3 Nur Tatsachen oder Beweismittel, von denen die Gesuchsteller erst im strafrechtlichen Verfahren Kenntnis erhielten und die sie nach dem massgebenden Verfahrensrecht nicht rechtzeitig geltend machen konnten, können Anlass für eine Revision geben. Hierfür müssten aber die Gesuchsteller darlegen, um welche Tatsachen bzw. Beweismittel es sich handelt, und aufzeigen, weshalb sie diese Tatsachen oder Beweismittel nicht früher geltend machen konnten. Das Gesuch um Revision muss wie jede andere Rechtsschrift an das Bundesgericht begründet werden ( Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG ).
Eine solche Begründung ist hier nicht zu erkennen. Die Gesuchsteller behaupten mit Berufung auf das Strafurteil vom 21. November 2008 nur, dieses habe die "Wahrheit ans Licht gebracht". Es erbringt nach ihrer Ansicht Beweis für ihre bisherige Sachdarstellung. Die Gesuchsteller zeigen aber nicht konkret auf, welche Tatsachen oder welche Beweismittel neu entdeckt wurden und wann dies der Fall gewesen sein soll, noch begründen sie, weshalb sie diese im früheren Verfahren nicht geltend machen konnten. Auf das Revisionsgesuch kann daher auch unter diesem Gesichtswinkel nicht eingetreten werden.
4.
Nach Auffassung der Gesuchsteller sind ausser dem Revisionsgrund nach Art. 123 Abs. 2 lit. a BGG noch weitere Revisionsgründe zu beachten, weil die Aufzählung der gesetzlichen Revisionsgründe in Art. 121 ff. BGG "nicht abschliessend", sondern "lediglich beispielhaft" sei. Diese Auffassung wird in der Lehre in der Tat vertreten, allerdings zu Art. 147 DBG. Danach bestehe aufgrund von Art. 8 BV noch eine Generalklausel, wonach eine Revision zugunsten der steuerpflichtigen Person auch zuzulassen sei, wenn unter dem Aspekt der Gerechtigkeit es zu schockierenden Ergebnissen käme (vgl. Hugo Casanova, in: Commentaire romand, 2008, N. 11 ff. zu Art. 147 DBG). Das Bundesgericht brauchte sich freilich bisher zu dieser verbreiteten Lehrmeinung nicht zu äussern. Der vorliegende Fall gibt ebenso wenig Anlass, sich damit auseinander zu setzen, zumal das Gesuch um Revision auch diesbezüglich keine konkreten Tatsachen oder Beweismittel nennt.
5.
Auf das Revisionsgesuch ist nach dem Gesagten nicht einzutreten. Die Gerichtskosten (Art. 65 BGG) sind den Gesuchstellern aufzuerlegen, da sie unterliegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie haften hierfür solidarisch (Art. 66 Abs. 5 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf das Revisionsgesuch wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden den Gesuchstellern unter solidarischer Haftung auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Gesuchstellern, dem Kantonalen Steueramt Zürich, der Steuerrekurskommission II des Kantons Zürich sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. September 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Wyssmann