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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_456/2009
Urteil vom 8. Oktober 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Schneider, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.
Parteien
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Beat Rieder,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, 1950 Sitten 2,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Fahren in angetrunkenem Zustand; pflichtwidriges Verhalten bei einem Unfall,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, vom 24. April 2009.
Sachverhalt:
A.
X.________ wurde erstinstanzlich des vorsätzlichen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration, der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln und des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall schuldig gesprochen. Er wurde mit einer Geldstrafe von 12 Tagessätzen zu Fr. 125.-- sowie einer Busse von Fr. 500.-- bestraft. Die von X.________ dagegen erhobene Berufung wies das Kantonsgericht des Kantons Wallis mit Urteil vom 24. April 2009 ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben, und er sei von den Vorwürfen des Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand und des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall freizusprechen.
Erwägungen:
1.
Der Verurteilung liegt folgender unbestrittener Sachverhalt zugrunde:
X.________ begab sich am 28. November 2006 nach 17.00 Uhr in drei verschiedene Lokalitäten im Raum Glis-Gamsen, in welchen er jeweils Bier konsumierte. Zwischen 23.00 Uhr und 23.30 Uhr setzte er sich ans Steuer seines Personenwagens, um nach Hause zu fahren. Als er in Richtung Gamsen fuhr, bog er von der Kantonsstrasse ab und fuhr zum A.________-Depot, wo er Wasser löste. Anschliessend setzte er sich wiederum ans Steuer seines Wagens. Als er rückwärts in eine Querstrasse fuhr, um das Fahrzeug zu wenden, geriet er mit den Hinterrädern über den Brückenrand hinaus, worauf das Fahrzeug praktisch aufgebockt stehen blieb. Im nahe gelegenen Nachtclub B.________, wo er Hilfe suchen wollte, trank er abermals Bier. Um 01.00 Uhr erstattete ein Lieferant der A.________ bei der Polizei Meldung wegen des verlassenen Wagens. Zwei Polizeibeamte forderten X.________ telefonisch auf, unverzüglich zur Unfallstelle zu kommen. Nach der zweiten Aufforderung traf X.________ zwischen 01.30 Uhr und 01.45 Uhr dort ein. Ein Atemlufttest um 02.00 Uhr ergab einen Alkoholgehalt von 1.21? und die im Spital Brig um 02.20 Uhr durchgeführte Blutalkoholprobe einen Wert von 1.26? (als Minimalwert innerhalb des Vertrauensbereichs). X.________ teilte den Polizeibeamten mit, auch nach dem Unfall Bier konsumiert zu haben. Diese ordneten keine zweite Blutprobe an, sondern errechneten in Berücksichtigung des Zuschlags des Alkoholabbauwertes sowie des Abzugs von zwei Bieren zwischen dem Unfallzeitpunkt und der Blutentnahme für den rechtsrelevanten Zeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 1.05?.
Umstritten ist, wie viel Bier X.________ vor und nach dem Unfallereignis zu sich genommen hat.
2.
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es sei nicht zu beweisen, dass er im angetrunkenen Zustand ein Motorfahrzeug geführt habe.
2.1 Das Verfahren zur Feststellung der Fahrunfähigkeit wird teilweise in Art. 55 Abs. 1-4 SVG und zudem durch Ausführungsvorschriften des Bundesrates geregelt (vgl. Art. 55 Abs. 7 lit. b und c SVG). Die gestützt auf aArt. 55 Abs. 4 SVG erlassenen aArt. 130-142c VZV (Verkehrszulassungsverordnung vom 27. Oktober 1976; SR 741.51) regelten u.a. die Durchführung von Vortests, Atemalkoholproben sowie Blut- und Urinuntersuchungen.
2.2 Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe durchgehend ausgesagt, vor dem Unfall drei Lokale aufgesucht und jeweils Bier konsumiert zu haben. Die untersuchungsrichterliche Einvernahme sei knapp fünf Monate nach dem Vorfall und in Kenntnis der Bedeutung des Alkoholkonsums für den Ausgang des Verfahrens erfolgt. Der Beschwerdeführer habe dabei zu Protokoll gegeben, nicht mehr genau zu wissen, welche Menge Alkohol er in jener Zeit insgesamt getrunken habe. Erst anlässlich der Hauptverhandlung habe er auf exakt drei Bieren beharrt. Ein solches Aussageverhalten sei nicht glaubhaft, würde es doch bedeuten, dass sich der Beschwerdeführer mit zunehmendem Abstand zum Vorfall besser an die von ihm konsumierte Biermenge erinnern könnte. Er stelle nicht in Abrede, den beiden Polizisten in Bezug auf den Nachtrunk zuerst eine unwahre Geschichte erzählt zu haben. Wesentlich sei seine Aussage gegenüber dem Untersuchungsrichter, vor seiner Rückkehr zur Unfallstelle im Nachtclub zwei Stangen Bier getrunken zu haben. Darauf sei er zu behaften, weil er im Ergebnis die beiden Aussagen der Polizisten bestätigt habe. Unter diesen Umständen seien die späteren, nach Mandatierung des Verteidigers gemachten Aussagen nicht glaubhaft. Es bleibe kein vernünftiger Zweifel, dass er nach dem Unfall insgesamt zwei Biere konsumiert habe. Seien Art und Menge des Nachtrunks erstellt, so sei auch der Blutalkoholgehalt von mindestens 1.05? erwiesen (angefochtenes Urteil E. 4 S. 8 ff.).
2.3 Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Verfahrensvorschriften. Gemäss Art. 139 Abs. 4 aVZV sei der Verdächtige frühestens nach einer Viertelstunde einer zweiten Blutentnahme zu unterziehen, wenn er behaupte, eine halbe bis dreiviertel Stunde vor der Blutentnahme noch Alkohol zu sich genommen zu haben. Durch die Anwendung dieser Verfahrensvorschrift hätte sich ein Nachtrunk exakt bestimmen lassen. Der vorliegend herangezogene Atemlufttest vermöge diesen Beweis nicht zu erbringen. Die Feststellung, wonach er nach dem Unfall exakt zwei Biere getrunken habe, sei offensichtlich unrichtig. Zudem sehe Art. 142 Abs. 2 aVZV vor, dass sich die ärztliche Untersuchung (Art. 140 VZV) auf die im Formular nach Anhang 9 genannten Befunde (u.a. Gewicht, Körpergrösse, usw.) erstrecke. Die behandelnde Ärztin habe kein solches Formular ausgefüllt, weshalb wichtige Angaben fehlen würden. Insgesamt sei mit dem gewählten Vorgehen nicht bewiesen, dass er im angetrunkenen Zustand ein Motorfahrzeug geführt habe.
2.4 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als Beweislastregel bedeutet der Grundsatz, dass es Sache der Anklagebehörde ist, die Schuld des Angeklagten zu beweisen, und nicht dieser seine Unschuld beweisen muss. Dies prüft das Bundesgericht mit freier Kognition. Als Beweiswürdigungsregel besagt der Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Bei der Frage, ob angesichts des willkürfreien Beweisergebnisses erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel hätten bejaht werden müssen und sich der Sachrichter von dem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt nicht hätte überzeugt erklären dürfen, steht der Vorinstanz ein weiter Ermessensspielraum zu. Willkür liegt einzig vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dabei genügt es nicht, wenn sich der angefochtene Entscheid lediglich in der Begründung als unhaltbar erweist. Eine Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 129 I 173 E. 3.1 S. 178 mit Hinweisen).
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde zu begründen. Die Begründung hat in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG, BGE 133 Il 249 E. 1.4.2 S. 254).
2.5 Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung vorbringt, erschöpft sich grösstenteils in appellatorischer Kritik. Die Vorinstanz hat sich bereits anlässlich des Berufungsverfahrens mit den von ihm gerügten Fehlern bei der Blutabnahme - namentlich der Nichtanordnung einer zweiten Blutprobe und der Nichtausfüllung des Formulars durch die Ärztin - auseinandergesetzt. Sie führt aus, die Blutentnahme sei um 02.20 Uhr erfolgt. Zähle man den Weg vom Nachtclub zur Unfallstelle hinzu, sei erstellt, dass die Zeitlimite von Art. 139 Abs. 4 aVZV zum Zeitpunkt der Blutentnahme verstrichen und somit eine zweite Blutentnahme nicht erforderlich gewesen sei. Ohnehin seien die angeführten Verordnungsbestimmungen nicht zwingender Natur (s. angefochtenes Urteil E. 4c S. 10).
Die Vorinstanz hat die Fahrunfähigkeit des Beschwerdeführers willkürfrei gestützt auf die Aussagen der Beteiligten sowie auf den Atemlufttest und die Blutprobe festgestellt. Die in Art. 139 Abs. 4 aVZV festgesetzte Pflicht der Behörden, den Verdächtigen nach frühestens einer Viertelstunde einer zweiten Blutentnahme zu unterziehen, ist keine Beweisregel zu Gunsten des Verdächtigen. Vielmehr soll die Bestimmung sicherstellen, dass die Angetrunkenheit auch von Fahrzeuglenkern rechtsgenüglich nachgewiesen werden kann, die sich noch in der Resorptionsphase befinden und bei denen die erste Blutprobe nur deshalb einen Wert von weniger als 0.8? ergibt. In diesem Sinn behält Art. 55 Abs. 4 SVG andere Beweismittel als eine Blutprobe ausdrücklich vor. Dies ergibt sich bereits aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäss Art. 249 BStP. Der Beweis der Fahrunfähigkeit ist somit auch mit anderen Mitteln als der Blutprobe zulässig. Daher kann das Ergebnis eines Atemlufttests ein Indiz bzw. Beweismittel für Angetrunkenheit bilden (vgl. BGE 127 IV 172 E. 3d S. 175 f.).
Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet.
3.
Der Beschwerdeführer rügt weiter die Verletzung von Art. 51 SVG i.V.m. Art. 92 SVG.
3.1 Wer bei einem Unfall die Pflichten verletzt, die ihm dieses Gesetz auferlegt, wird gemäss Art. 92 Abs. 1 SVG wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall mit Busse bestraft. Die Verhaltenspflichten bei Unfällen sind unter anderem in Art. 51 SVG festgelegt. Entstehen durch Unfälle, Fahrzeugpannen, herabgefallene Ladungen, ausgeflossenes Öl usw. Verkehrshindernisse oder andere Gefahren, so müssen die Beteiligten, namentlich auch Mitfahrende, sofort Sicherheitsmassnahmen treffen (Art. 54 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962; VRV; SR 741.11). Die Polizei ist sofort zu benachrichtigen, wenn eine Gefahr nicht unverzüglich beseitigt werden kann, namentlich auch, wenn ausfliessende Flüssigkeiten offene Gewässer oder Grundwasser verunreinigen könnten (Art. 54 Abs. 2 Satz 1 VRV).
3.2 Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe die Unfallstelle verlassen, ohne diese oder sein Fahrzeug mit einem Pannendreieck zu sichern und ohne eine Unfallmeldung bei der Polizei zu erstatten. Das Auto habe ein Verkehrshindernis gebildet. Da der Beschwerdeführer sein Mobiltelefon bei sich gehabt habe, wäre es ein leichtes gewesen, seiner Meldepflicht an Ort und Stelle nachzukommen und den Unfallort nicht zu verlassen. Er habe zu diesem Zeitpunkt nicht wissen können, ob das Fahrzeug nicht rückwärts in den Kanal rutsche oder ob aus dem Fahrzeug irgendwelche Flüssigkeiten ins Gewässer auslaufen würden. Mit seinem Ansinnen, im Nachtclub Hilfe zu holen, habe er seine Meldepflicht nicht erfüllt (angefochtenes Urteil E. 6b S. 11).
3.3 Der Beschwerdeführer macht geltend, es sei kein Fremdschaden entstanden, weshalb der Vorfall nicht als meldepflichtiger Unfall zu betrachten sei. Da die entsprechenden Fahrzeugteile nicht beschädigt gewesen seien, habe keine Flüssigkeit auslaufen können. Seitens der Polizei sei jegliche Feststellung des Fehlverhaltens bezüglich der Sicherung der Unfallstelle unterlassen worden. Zudem habe er im nahe gelegenen Etablissement Hilfe holen und seiner Meldepflicht nachkommen wollen. Mit entsprechender Hilfe von Drittpersonen hätte er feststellen können, ob überhaupt ein Unfall entstanden sei. Erschwerend komme hinzu, dass er mehrmals erfolglos weitergehende Beweismittel, u.a. die Einvernahme von Zeugen, beantragt habe.
3.4 Die Vorinstanz hat den Sachverhalt und somit insbesondere das Fehlverhalten des Beschwerdeführers verbindlich festgestellt (Art. 106 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwieweit die Vorinstanz durch die Abweisung seiner Beweisanträge Recht verletzt. Auf die diesbezüglichen Vorbringen ist von vornherein nicht einzutreten (BGE 133 Il 249 E. 1.4.2 S. 254).
Art. 92 SVG setzt das Vorliegen eines Strassenverkehrsunfalls voraus. Nach der Rechtsprechung gilt als Unfall jedes Ereignis, das geeignet ist, einen Personen- oder Sachschaden herbeizuführen (BGE 122 IV 356 E. 3a S. 357 mit Hinweis). Das aufgebockte Fahrzeug bildete ein Verkehrshindernis. Die Vorinstanz hat dargelegt, dass das Fahrzeug in den Kanal hätte rutschen oder das Gewässer verunreinigen können. Somit lag ein Unfall vor, welcher eine Gefahr ausgelöst hat, die vom Beschwerdeführer nicht unverzüglich beseitigt werden konnte. Gemäss Art. 54 Abs. 2 Satz 1 VRV hätte er deshalb sofort die Polizei benachrichtigen müssen. Weil der Beschwerdeführer dieser Meldepflicht nicht nachgekommen ist, hat er sich des pflichtwidrigen Verhaltens bei einem Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 51 Abs. 1 und 3 SVG und Art. 54 VRV schuldig gemacht. Der vorinstanzliche Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht.
4.
Somit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, I. Strafrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Oktober 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
Schneider Binz