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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
1B_279/2009
Urteil vom 12. Oktober 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Störi.
Parteien
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jann Six,
gegen
Bezirksamt Bremgarten, Rathausplatz 3,
5620 Bremgarten.
Gegenstand
Haftentlassungsgesuch,
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, vom 16. September 2009.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksamt Bremgarten führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen räuberischer Erpressung, einfacher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerhandlung gegen das Ausländergesetz. Es wirft ihr in der Hauptsache vor, am 7. Juli 2009 zusammen mit zwei Komplizen A.________ in seiner Wohnung in Wohlen aufgesucht zu haben. Dieser wurde in der Folge geschlagen und mit einer Pistole bedroht, um ihn zur Rückgabe des Geldes zu zwingen, das er X.________ drei Tage zuvor gestohlen hatte. X.________ befindet sich seit dem 10. Juli 2009 in Untersuchungshaft.
Am 11. September 2009 stellte X.________ ein Haftentlassungsgesuch, welches vom Obergericht des Kantons Aargau am 16. September 2009 wegen Fluchtgefahr abgewiesen wurde.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 28. September 2009 beantragt X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und sie aus der Haft zu entlassen oder eventuell die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Bezirksamt Bremgarten und das Obergericht verzichten auf Vernehmlassung und beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
X.________ verzichtet auf eine Stellungnahme zu den Anträgen des Bezirksamts Bremgarten und des Obergerichts.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in Strafsachen nach den Art. 78 ff. BGG ist gegeben. Der Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Haftentlassung ist zulässig (BGE 132 I 21 E. 1). Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde eingetreten werden kann. Nicht einzutreten ist allerdings auf die Willkürrüge, die nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet ist (BGE 134 II 244 E. 2; 133 IV 286 E. 1.4) und neben der Rüge der Verletzung von Art. 10 Abs. 2 BV ohnehin keine selbständige Bedeutung hat.
2.
2.1 Nach § 67 Abs. 1 und 2 der Aargauer Strafprozessordnung vom 11. November 1958 darf Untersuchungshaft u.a. angeordnet werden, wenn die Beschuldigte einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Tat dringend verdächtig ist und Flucht- oder Kollusionsgefahr besteht. Liegt ausser dem allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts einer dieser beiden besonderen Haftgründe vor, steht einer Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft auch unter dem Gesichtswinkel der persönlichen Freiheit von Art. 10 Abs. 2 BV grundsätzlich nichts entgegen.
Unbestritten ist, dass der allgemeine Haftgrund des dringenden Tatverdachts gegeben ist und keine Kollusionsgefahr vorliegt. Umstritten ist einzig, ob das Obergericht ohne Verfassungsverletzung Fluchtgefahr annehmen konnte.
2.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts genügt die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht für die Annahme von Fluchtgefahr. Eine solche darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lassen. Die Höhe der zu erwartenden Freiheitsstrafe kann immer nur neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a; 117 Ia 69 E. 4a; 108 Ia 64 E. 3; 107 Ia 3 E. 6). Die Möglichkeit, dass die drohende Strafe bedingt ausgesprochen werden könnte, ist bei der Beurteilung der Untersuchungshaft auf ihre Verhältnismässigkeit hin grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (BGE 133 I 270 E. 3.4.2; 125 I 60 E. 3d; 124 I 208 E. 6)
2.3 Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid erwogen, dass sich die Beschwerdeführerin als brasilianische Staatsbürgerin seit dem Ablauf der bewilligungsfreien dreimonatigen Aufenthaltsdauer illegal in der Schweiz aufhalte und hier ohne Bewilligung der Prostitution nachgehe. Eine Heirat mit dem schweizerischen Mitangeklagten B.________ sei ausgeschlossen, da die Trauungsermächtigung verweigert worden sei. Nach einer Haftentlassung bleibe ihr daher naheliegenderweise nur das Untertauchen, um einer Wegweisung und dem zu gewärtigenden Freiheitsentzug zu entgehen. Das Untertauchen falle ihr offensichtlich leicht, was sich daraus ergebe, dass sie sich nicht zum ersten Mal illegal in der Schweiz aufhalte. Mildere Ersatzmassnahmen könnten diese Fluchtgefahr nicht genügend bannen.
2.4 Räuberische Erpressung unter Einsatz einer Pistole ist ein schwerwiegendes Verbrechen, das mit Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren bedroht ist (Art. 156 Ziff. 3 i.V.m. Art. 140 Ziff. 1 und 2 StGB). Auch wenn die übrigen der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Delikte weniger gravierend sind, so hat sie je nach den Umständen im Falle einer Verurteilung mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Es steht entgegen ihrer Auffassung keineswegs von vornherein fest, dass deren unbedingte Ausfällung ausser Betracht fällt.
Die Beschwerdeführerin ist nach ihren eigenen Angaben gegenüber der Kantonspolizei vom 11. September 2009 vermutlich im Januar 2008 in die Schweiz eingereist und hat seither in verschiedenen Bars bzw. Bordellen als Prostituierte gearbeitet. Über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt sie nicht. In der Schweiz hat sie, soweit bekannt, eine nähere Beziehung ausschliesslich zum schweizerischen Mittäter B.________, den sie heiraten wollte. Die Trauung konnte nicht vollzogen werden, weil die Beiden kurz vor der Hochzeit verhaftet wurden. Das Bezirksamt Bremgarten verdächtigt die Beschwerdeführerin indessen, eine Scheinehe zur Erschleichung einer Aufenthaltsberechtigung eingehen zu wollen. Indizien dafür sind einerseits der von ihr stammende, bei B.________ gefundene Bargeldbetrag von 24'000 Franken, was nach der Einschätzung der Untersuchungsbehörden etwa dem "Tarif" für die Eingehung einer Scheinehe entspricht. Anderseits hat die Beschwerdeführerin neben ihrer Beziehung zu B.________ auch eine solche zu ihrem deutschen Liebhaber C._______; B.________ müsse das akzeptieren, da sie diesen schon länger kenne (s. Rapport der Kantonspolizei Aargau, Dienststelle Baden, betr. Widerhandlung gegen das Ausländergesetz vom 11. September 2009). Die Beschwerdeführerin bestreitet zwar, B.________ nur zum Schein heiraten zu wollen; sie plane vielmehr eine echte Ehegemeinschaft und verweist darauf, dass sie und B.________ mit Erfolg das Ehevorbereitungsverfahren nach Art. 98 ff. ZGB absolviert hätten. Zum Eheschluss sei es nur deshalb nicht gekommen, weil ihr der dafür erforderliche Hafturlaub nicht gewährt worden sei.
Es ist hier nicht der Ort, um abschliessend zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin eine echte oder eine Scheinehe anstrebt. Fest steht indessen, dass diese Frage bereits aufgrund der gegen B.________ erfolgten Verzeigung wegen Widerhandlung im Sinn von Art. 118 des Bundesgesetzes über die Ausländerinnen und Ausländer vom 16. Dezember 2005 (SR 142.20) vor einer allfälligen Eheschliessung zu klären sein wird. Das Zivilstandsamt Melligen hat Kenntnis davon und hat in seiner Verfügung vom 25. August 2009 die Ausstellung einer Trauungsermächtigung verweigert. Da die Gültigkeit des erfolgreich absolvierten Ehevorbereitungsverfahrens zwischenzeitlich abgelaufen ist, werden B.________ und die Beschwerdeführerin vor einer Eheschliessung ein neues Vorbereitungsverfahren durchlaufen müssen, in welchem der Verdacht auf eine Scheinehe zu prüfen sein wird. Insofern erscheint die Aussicht auf eine Ehe mit B.________ und dem damit verbundenen Aufenthaltsrecht in der Schweiz als unsicher. Sie wird die Beschwerdeführerin daher kaum davon abhalten, sich der für den Fall einer Verurteilung möglicherweise empfindlichen Strafe durch Flucht zu entziehen. Weitere Bindungen an die Schweiz sind nicht ersichtlich. Die Einschätzung des Obergerichts, die Beschwerdeführerin könnte in Freiheit versuchen, sich der drohenden Verurteilung und Strafe durch Flucht zu entziehen, ist ohne Weiteres haltbar.
3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verteidigung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war und die Bedürftigkeit der Beschwerdeführerin nicht belegt ist (Art. 64 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
2.2 Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Bezirksamt Bremgarten und dem Obergericht des Kantons Aargau, Präsidium der Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Oktober 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Störi