BGer 1B_289/2009
 
BGer 1B_289/2009 vom 28.10.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_289/2009
Urteil vom 28. Oktober 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft See/Oberland, Weiherallee 15, Postfach, 8610 Uster.
Gegenstand
Untersuchungshaft,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. September 2009 des Bezirksgerichtes Uster, Einzelrichter in Haftsachen.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland führt eine Strafuntersuchung gegen X.________. Er wird verdächtigt, zulasten mehrerer geschädigter Personen Vermögensdelikte und weitere Straftaten verübt zu haben. Mit Verfügung vom 1. Juli 2009 ordnete die Einzelrichterin in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster Untersuchungshaft gegen den Angeschuldigten an. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 7. August 2009 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 1B_197/2009). Mit Verfügung vom 28. September 2009 verlängerte der Einzelrichter in Haftsachen des Bezirksgerichtes Uster die Untersuchungshaft (bis zum 31. Dezember 2009).
B.
Gegen den Haftverlängerungsentscheid vom 28. September 2009 gelangte X.________ mit Beschwerde vom 4. Oktober 2009 an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und (sinngemäss) seine Haftentlassung.
Das Bezirksgericht und die Staatsanwaltschaft haben am 12. bzw. 14. Oktober 2009 auf Vernehmlassungen je ausdrücklich verzichtet. Am 16. (Posteingang: 22.) Oktober 2009 stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Am 23. bzw. 26. Oktober 2009 (je Postaufgabe) reichte er unaufgefordert weitere Schreiben ein.
Erwägungen:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG geben zu keinen Vorbemerkungen Anlass.
2.
Der Beschwerdeführer bestreitet das Vorliegen des dringenden Tatverdachtes eines Vergehens oder Verbrechens (§ 58 Abs. 1 StPO/ ZH). Den allgemeinen Haftgrund hat das Bundesgericht bereits in seinem Urteil 1B_197/2009 vom 7. August 2009 mit ausführlicher Begründung (Erwägung 3.1-3.4, Seiten 3-4) bestätigt. Was der Beschwerdeführer vorbringt, lässt die Annahme des dringenden Tatverdachtes nicht als verfassungswidrig erscheinen. Unbegründet ist auch die Rüge, der Haftrichter habe die Anschuldigungen nicht genügend konkretisiert. Er verweist diesbezüglich in zulässiger Weise auf die Haftanordnungsverfügung vom 1. Juli 2009, wo die einzelnen Vorwürfe ausreichend dargelegt werden (vgl. auch erwähntes Urteil 1B_197/ 2009 vom 7. August 2009 E. 3.3).
3.
Der Beschwerdeführer bestreitet sodann das Vorliegen eines besonderen Haftgrundes, namentlich von Flucht- oder Kollusionsgefahr (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 und Ziff. 2 StPO/ZH).
3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70; je mit Hinweisen). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das den Angeschuldigten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.). Strafprozessuale Haft darf nur als "ultima ratio" angeordnet oder aufrechterhalten werden. Wo sie durch mildere Massnahmen ersetzt werden kann, muss von ihrer Anordnung oder Fortdauer abgesehen und an ihrer Stelle eine solche Ersatzmassnahme angeordnet werden (BGE 135 I 71 E. 2.3 S. 73, E. 2.16 S. 78 f.; 133 I 270 E. 3.3.1 S. 279; je mit Hinweisen).
3.2 Bei Haftbeschwerden prüft das Bundesgericht (im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes in das Grundrecht der persönlichen Freiheit) die Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 135 I 71 E. 2.5 S. 73 f. mit Hinweis).
3.3 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass der Beschwerdeführer "entgegen seinen unbelegten Aussagen" über keinen festen Wohnsitz in der Schweiz mehr verfüge, seit er sich am 21. Februar 2008 im Wallis abgemeldet habe und seine dortigen Geschäftsräumlichkeiten offenbar geräumt worden seien. Ebenso wenig verfüge er über ein festes Beziehungsnetz in der Schweiz, zumal auch die Verbindung mit einer mutmasslich Geschädigten als gescheitert anzusehen sei. Selbst wenn der Beschwerdeführer, wie er behaupte, eine bisher unbekannt gebliebene Wohnung gemietet haben sollte, vermöge dies keine Verwurzelung in der Schweiz zu begründen. Eine angeblich von ihm gemietete Wohnung habe im Lebenslauf des Beschwerdeführers bzw. in den Untersuchungsakten keinen Niederschlag gefunden und könne ihm jedenfalls nicht als Lebensmittelpunkt gedient haben. Im Falle einer Verurteilung drohe ihm angesichts der grossen Anzahl an strafrechtlichen Vorwürfen eine empfindliche Freiheitsstrafe. Das Bestehen eines separaten Auslieferungshaftbefehls gegen den Beschwerdeführer lasse die Fluchtgefahr nicht dahinfallen. Diese könne beim jetzigen Verfahrensstand durch blosse Ersatzmassnahmen für Haft nicht ausreichend gebannt werden.
3.4 Bei Würdigung sämtlicher Umstände bestehen im vorliegenden Fall ausreichend konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Fluchtgefahr. Daran vermögen auch die Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern, zwar sei seine Liebesbeziehung zu einer mutmasslichen Geschädigten als "problematisch" anzusehen, er gehe jedoch nicht vom Scheitern der Beziehung aus, ausserdem habe er vor seiner Verhaftung eine Wohnung angemietet und sei aktives Mitglied bei einem Sportverein. Im Übrigen räumt der Beschwerdeführer ein, dass er "erst seit dem 18. Januar 2009 in der Schweiz ordentlich angemeldet" sei. Er legt nicht dar, wo er seit Ende Februar 2008 über einen angeblichen "festen Wohnsitz" verfügt hätte und an welchen hiesigen Firmen er (angeblich seit Dezember 2003) beteiligt wäre, die von Geschäftspartnern "weiterbetrieben" würden. Die Ansicht des Haftrichters, der dargelegten Fluchtgefahr könne im gegenwärtigen Verfahrensstadium mit blossen Ersatzmassnahmen für Haft nicht ausreichend begegnet werden, hält ebenfalls vor der Verfassung stand.
3.5 Es kann offen bleiben, ob neben Fluchtgefahr zusätzlich noch der separate besondere Haftgrund der Kollusionsgefahr erfüllt wäre (vgl. dazu auch Urteil 1B_197/2009 vom 7. August 2009 E. 4.1-4.3).
4.
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer die Weiterdauer der Haft (angesichts der "Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe") als unverhältnismässig.
4.1 Gemäss Art. 31 Abs. 3 BV hat eine in strafprozessualer Haft gehaltene Person Anspruch darauf, innerhalb einer angemessenen Frist richterlich abgeurteilt oder während des Strafverfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Eine übermässige Haftdauer stellt eine unverhältnismässige Beschränkung dieses Grundrechtes dar. Sie liegt dann vor, wenn die Haftfrist die mutmassliche Dauer der zu erwartenden freiheitsentziehenden Sanktion übersteigt. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der (im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung) konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt (BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170, 270 E. 3.4.2 S. 281; je mit Hinweisen). Im Weiteren kann eine Haft die zulässige Dauer auch dann überschreiten, wenn das Strafverfahren nicht genügend vorangetrieben wird. Die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, ist aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 133 I 168 E. 4.1 S. 170 f., 270 E. 3.4.2 S. 281; 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f.; je mit Hinweisen).
4.2 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, die Fortsetzung der Untersuchungshaft erscheine angesichts der grossen Anzahl strafrechtlicher Vorwürfe und der dem Beschwerdeführer drohenden längeren Freiheitsstrafe verhältnismässig. Zwar stünden gewisse Untersuchungshandlungen noch aus; ein Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot liege jedoch nicht vor. Die Untersuchungsbehörde habe denn auch ausdrücklich ihr Interesse betont, das Verfahren möglichst rasch zum Abschluss zu bringen.
4.3 Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe zulasten mehrerer geschädigter Personen Vermögensdelikte und weitere Straftaten verübt. Die bisherige Untersuchungshaftdauer (von ca. 4 Monaten) ist noch nicht in grosse Nähe der Freiheitsstrafe gerückt, die ihm im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung droht. Schwerwiegende prozessuale Versäumnisse der Untersuchungsbehörde, welche eine sofortige Haftentlassung des Beschwerdeführers als verfassungsrechtlich geboten erscheinen liessen, sind hier nicht ersichtlich. Die Rüge, die Weiterdauer der Haft sei unverhältnismässig, erweist sich ebenfalls als unbegründet.
5.
Weder das hängige Auslieferungsverfahren, noch die Kontrolle des Postverkehrs des Beschwerdeführers sind Gegenstand des angefochtenen Haftprüfungsentscheides. Was die Postkontrolle im Untersuchungshaftregime betrifft, ist ein separates Beschwerdeverfahren (1B_299/2009) hängig. Im vorliegenden Verfahren ist auf die betreffenden Vorbringen nicht einzutreten. Ebenso wenig bilden die in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen des ordentlichen Gerichtsstandes Streitgegenstand des angefochtenen Haftprüfungsentscheides.
6.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt erscheinen (Art. 64 Abs. 1 BGG), ist das Begehren zu bewilligen.
Weiteren Verfahrensanträgen des Beschwerdeführers (etwa dem Begehren um "Verbindung" des Verfahrens mit dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahren 1B_197/2009 oder um Rückweisung gestützt auf Art. 112 Abs. 3 BGG) ist nicht stattzugeben, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Prozessführung gewährt, und es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/Oberland und dem Bezirksgericht Uster, Einzelrichter in Haftsachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. Oktober 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Forster