BGer 6B_856/2009
 
BGer 6B_856/2009 vom 09.11.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_856/2009
Urteil vom 9. November 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiber Boog.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Entschädigung der amtlichen Verteidigung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 19. Juni 2009.
Sachverhalt:
A.
Das Kreisgericht Werdenberg-Sargans sprach A.________ mit Urteil vom 18. Juni 2008 von der gegen ihn erhobenen Anklage der qualifizierten Vergewaltigung und anderer Delikte frei. Die Zivilklagen wies es ab. Seinem amtlichen Verteidiger, Rechtsanwalt X.________, erkannte es eine pauschale Entschädigung von Fr. 11'087.95 (Fr. 9'600.-- zuzüglich Spesen und MWST) zu. Eine hiegegen von Rechtsanwalt X.________ erhobene Kostenbeschwerde wies das Kantonsgericht St.Gallen am 19. Juni 2009 ab.
B.
Rechtsanwalt X.________ führt Beschwerde beim Bundesgericht. Er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und das Honorar der amtlichen Verteidigung sei auf Fr. 18'121.80 (inkl. MWST) festzusetzen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
C.
Auf die Einholung von Vernehmlassungen wurde verzichtet.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Höhe der ihm für die amtliche Verteidigung des Angeklagten zugesprochenen Entschädigung. Die Partei- und Verfahrenskosten sind untrennbar mit dem Strafverfahren verknüpft. Rügen gegen die Festsetzung der Entschädigung für die amtliche Verteidigung durch die kantonalen Instanzen unterliegen daher der Beschwerde in Strafsachen. Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids und ist damit zur Beschwerdeführung befugt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_226/2009 vom 16.7.2009 E. 1 mit weiteren Hinweisen).
2.
Die Vorinstanz führt aus, im st. gallischen Strafprozessgesetz würden die Entschädigungsansprüche für Honorarforderungen amtlicher und privat beigezogener Verteidiger unterschiedlich geregelt (vgl. GVP/SG 2004 Nr. 74). Nach Art. 31 Abs. 3 des Anwaltsgesetzes des Kantons St. Gallen (AnwG; sGS 963.70) werde das Honorar bei unentgeltlicher Prozessführung oder amtlicher Verteidigung um einen Fünftel herabgesetzt. Gemäss konstanter kantonaler Praxis erhalte der amtliche Verteidiger auch im Fall des Obsiegens des Angeklagten nicht ein volles, sondern ein um ein Fünftel gekürztes Honorar (angefochtenes Urteil S. 2 f.).
Nach einem neueren Entscheid des Bundesgerichts ist diese Praxis mit sachlichen Gründen haltbar und verletzt insbesondere den Gleichheitssatz nicht (Urteil der Strafrechtlichen Abteilung 6B_183/2007 vom 5.9.2007 E. 3). In Anbetracht dieser Rechtsprechung ficht der Beschwerdeführer das vorinstanzliche Urteil in diesem Punkt nicht an (Beschwerde S. 4).
3.
3.1 Die Vorinstanz nimmt an, aus der Systematik der Honorarordnung für Rechtsanwälte und Rechtsagenten des Kantons St. Gallen vom 22. April 1994 (HonO/SG; sGS 963.75) ergebe sich eine zweistufige Honorarbemessung des amtlichen Verteidigers. Im Regelfall sei das Honorar innerhalb der Pauschale festzusetzen. Nach konstanter kantonaler Praxis würden mit diesem vorgegebenen Rahmen nicht nur durchschnittlich aufwändige Fälle, sondern auch in rechtlicher und/ oder tatsächlicher Hinsicht schwierige Fälle abgegolten. Ein aufwändiger Fall, der zu einer Erhöhung der Pauschale führe, liege nur vor, wenn sich dieser von schwierigen und aufwändigen Prozessen, die innerhalb der ordentlichen Grundpauschale abgerechnet würden, etwa aufgrund der äusserst komplizierten Beweislage, einer besonders schwierigen Rechtslage oder des ausserordentlich grossen Aktenumfangs deutlich abhebe. Solche Verfahren könnten in ganz wenigen, ausserordentlich seltenen Fällen ein Ausmass annehmen, welches eine Abrechnung nach Zeitaufwand rechtfertige. Das vom Beschwerdeführer übernommene Mandat habe keine namhaften Schwierigkeiten geboten, welche den Fall als aussergewöhnlich aufwändig erscheinen liessen. Es sei daher von einem Mandat auszugehen, welches innerhalb der Pauschale gemäss Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 21 Abs. 1 lit. c HonO/SG abzurechnen sei (angefochtenes Urteil S. 4 f.).
Die Vorinstanz erwägt im Weiteren, das Kreisgericht habe den Rahmen für die Festsetzung des Pauschalhonorars zu Recht voll ausgeschöpft, da aufgrund der Inhaftierung des Angeschuldigten die Instruktion mit einem erhöhten Aufwand verbunden, der Aktenumfang im Vergleich mit durchschnittlichen Fällen etwas grösser gewesen sei und der Beizug der Akten aus einem Parallelverfahren zusätzliche Bemühungen erfordert habe. Der durch Besuche beim Angeschuldigten sowie die Teilnahme an Einvernahmen und der Hauptverhandlung verursachte Aufwand sei auf rund 20 Stunden veranschlagt worden. Bei einem Honorar am oberen Rand der Pauschale verblieben somit rund 28 Stunden, welche für die weiteren anwaltlichen Leistungen, insbesondere Aktenstudium, Vorbereitung der Hauptverhandlung und die Korrespondenz mit dem Mandanten, ausreichten (angefochtenes Urteil S. 5 f.).
3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe einen bereinigten Zeitaufwand von 80,75 Stunden in Rechnung gestellt, der von den kantonalen Instanzen nicht in Frage gestellt worden sei (Beschwerde S. 3). Nach der neueren Rechtsprechung liege der entschädigungspflichtige Aufwand unter Berücksichtigung der seither aufgelaufenen Teuerung bei Fr. 200.-- pro Stunde. Die Behörde sei verpflichtet, bei Vorliegen einer Kostennote zumindest kurz zu begründen, aus welchen Gründen in Rechnung gestellten Aufwendungen als unnötig erachtet würden. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach insgesamt 48 Stunden für seinen Verteidigungsaufwand ausgereicht hätten, sei unhaltbar. Die beiden Besuche seines Mandanten in der Strafanstalt Ringwil, die beiden Einvernahmekomplexe in Schmerikon sowie die Teilnahme an der Hauptverhandlung hätten allein einen Aufwand von 24 Stunden, und nicht bloss von 20 Stunden, wie die Vorinstanz fälschlicherweise annehme, verursacht. Die verbleibende Restzeit von 24 Stunden erlaube keine wirksame Ausübung der Verteidigung. Soweit mit der Grundpauschale gemäss Art. 10 Abs. 1 HonO/SG der notwendige Aufwand für die Verteidigung nicht entschädigt werden könne, müsse das Honorar daher nach Zeitaufwand bemessen werden. Schliesslich erweise sich das ihm zugesprochene Honorar auch im Vergleich zu den Entschädigungen von Fr. 4'000.-- bzw. Fr. 4'500.--, welche den Vertreterinnen der Geschädigten ausgerichtet worden seien als unhaltbar. Ihr Instruktionsaufwand sei ungleich geringer gewesen. Ausserdem hätten sie weder an den Einvernahmen im Untersuchungsverfahren noch an der Hauptverhandlung teilgenommen (Beschwerde S. 4 ff.).
4.
4.1 Der amtliche Anwalt erfüllt eine staatliche Aufgabe, welche durch das kantonale öffentliche Recht geregelt wird. Mit seiner Einsetzung entsteht zwischen ihm und dem Staat ein besonderes Rechtsverhältnis. Gestützt darauf hat der Anwalt eine öffentlich-rechtliche Forderung gegen den Staat auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Bestimmungen (BGE 131 I 217 E. 2.4; 122 I 1 E. 3a, mit Hinweisen).
Der amtliche Anwalt kann aus Art. 29 Abs. 3 BV einen Anspruch auf Rückerstattung seiner Auslagen herleiten (Niklaus Oberholzer, Grundzüge des Strafprozessrechts, 2. Aufl., 2005, N 547). Dieser umfasst aber nicht alles, was für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten von Bedeutung ist. Ein verfassungsrechtlicher Anspruch besteht nach Art. 29 Abs. 3 BV nur, "soweit es zur Wahrung der Rechte notwendig ist". Nach diesem Massstab bestimmt sich der Anspruch sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht, d.h. in Bezug auf den Umfang der Aufwendungen. Entschädigungspflichtig sind danach nur jene Bemühungen, die in einem kausalen Zusammenhang mit der Wahrung der Rechte im Strafverfahren stehen, und die notwendig und verhältnismässig sind. Das Honorar muss allerdings so festgesetzt werden, dass der unentgeltlichen Rechtsvertretung ein Handlungsspielraum verbleibt und sie das Mandat wirksam ausüben kann (Urteile des Bundesgerichts 6B_130/2007 vom 11.10.2007 E. 3.2.5 und 6B_695/2007 vom 8.1.2008 E. 3.5 je mit Hinweis).
4.2 Nach der Rechtsprechung steht den Kantonen bei der Bemessung des Honorars des amtlichen Anwalts ein weiter Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Festsetzung des Honorars ausserhalb jeden vernünftigen Verhältnisses zu den vom Anwalt geleisteten Diensten steht und in krasser Weise gegen das Gerechtigkeitsgefühl verstösst. Ausserdem übt es grosse Zurückhaltung, wenn das kantonale Sachgericht den Aufwand als übersetzt bezeichnet und entsprechend kürzt. Es ist Sache der kantonalen Instanzen, die Angemessenheit anwaltlicher Bemühungen zu beurteilen (BGE 122 I 1 E. 3a; 118 Ia 133 E. 2b und d; ferner Urteil des Bundesgerichts 6B_416/2009 vom 9.9.2009 E. 2, je mit Hinweisen). Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung wird es deshalb auch als zulässig erachtet, das Honorar für amtliche Mandate im Vergleich zu demjenigen für freie Mandate tiefer anzusetzen (BGE 132 I 201 E. 7.3.4 und 8.6).
4.3 Gemäss Art. 10 Abs. 1 der HonO/SG wird das Honorar des amtlichen Verteidigers grundsätzlich als Pauschale festgelegt. In aussergewöhnlich aufwändigen Fällen kann das Honorar um höchstens die Hälfte erhöht oder ausnahmsweise nach Zeitaufwand bemessen werden. Die kantonale Praxis orientiert sich für den Aufwand einer zweckmässigen Vertretung am Massstab eines erfahrenen Rechtsanwaltes, der aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse und Erfahrung von Anfang an zielgerichtet sein Mandat führt und sich auf die zur Wahrung der Interessen seines Mandanten notwendigen Massnahmen beschränkt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 5P.298/2006 vom 16.1.2007 E. 5.2.1; OBERHOLZER, a.a.O., N 549 mit Hinweis).
Nach Art. 21 Abs. 1 lit. c HonO/SG beträgt im Strafprozess das Honorar für die Verteidigung des Angeschuldigten bei Zuständigkeit des Kreisgerichts pauschal Fr. 1'500.-- bis Fr. 12'000.--. Innerhalb des für die Pauschale gesetzten Rahmens wird das Grundhonorar nach den besonderen Umständen, namentlich etwa nach Art und Umfang der Bemühungen und der Schwierigkeit des Falles bemessen (Art. 19 HonO/SG). Bei amtlicher Verteidigung wird das Honorar gemäss Art. 31 Abs. 3 AnwG um einen Fünftel gekürzt (vgl. oben E. 2).
4.4 Das angefochtene Urteil verletzt kein Bundesrecht. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es zulässig, für das Anwaltshonorar Pauschalen vorzusehen. Bei einer Honorarbemessung nach Pauschalbeträgen werden alle prozessualen Bemühungen zusammen als einheitliches Ganzes aufgefasst und der effektive Zeitaufwand lediglich im Rahmen des Tarifansatzes berücksichtigt. Pauschalen nach Rahmentarifen erweisen sich aber dann als verfassungswidrig, wenn sie auf die konkreten Verhältnisse in keiner Weise Rücksicht nehmen und im Einzelfall ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Rechtsanwalt geleisteten Diensten stehen (Urteile des Bundesgerichts 1P.624/2003 vom 1.4.2004 E. 1.5.2 und 5P.298/2006 vom 16.1.2007 E. 5.5.2 je mit Hinweis).
Im zu beurteilenden Fall ist nicht schlechterdings unhaltbar, dass die Vorinstanz die Entschädigung des Beschwerdeführers als Pauschale bemisst. Nach der Honorarordnung des Kantons St. Gallen kann das Honorar nur in aussergewöhnlichen Fällen und bei diesen nur ausnahmsweise nach Zeitaufwand bemessen werden. Ein aussergewöhnlich aufwändiger Fall wird von der kantonalen Praxis bejaht, wenn er ausserordentlich kompliziert oder umfangreich ist (OBERHOLZER, a.a.O., N 549). Dass diese Rechtsprechung willkürlich wäre, macht der Beschwerdeführer nicht geltend. Gestützt auf diese Praxis nimmt die Vorinstanz zu Recht an, der vom Beschwerdeführer geführte Fall sei nicht aussergewöhnlich aufwändig gewesen. Ein ausserordentlich komplizierter oder umfangreicher Fall liegt nicht schon dann vor, wenn das Pauschalhonorar den vom amtlichen Anwalt betriebenen Zeitaufwand nicht vollumfänglich deckt. Dass das zugesprochene Honorar ausserhalb jedes vernünftigen Verhältnisses zu den vom Beschwerdeführer erbrachten Bemühungen steht, ist jedenfalls nicht ersichtlich. Die Vorinstanz überschreitet mithin den ihr zustehenden weiten Spielraum des Ermessens nicht.
Da die Ausrichtung eines Pauschalbetrages als Anwaltshonorar nicht zu beanstanden ist, sieht die Vorinstanz auch zutreffend von einer Beurteilung der einzelnen Positionen der eingereichten Honorarrechnung ab. Die Vorinstanz verletzt daher ihre Begründungspflicht nicht, wenn sie sich nicht im Einzelnen mit der Kostennote des Beschwerdeführers auseinandersetzt und ausdrücklich begründet, weshalb sie allenfalls einzelne der in Rechnung gestellten Positionen für übersetzt hält.
Soweit die Vorinstanz annimmt, das dem Beschwerdeführer zugesprochene Pauschalhonorar entspreche einem Zeitaufwand von 48 Stunden und ein solcher sei für die Führung der Verteidigung im konkreten Strafverfahren insgesamt ausreichend gewesen, nimmt sie lediglich im Sinne einer Eventualbegründung an, dass die ausgerichtete Entschädigung auch unter dem Gesichtspunkt einer Berechnung nach Zeitaufwand als angemessen erscheint. Da die Bemessung als Pauschale nicht zu beanstanden ist und sich der Betrag innerhalb des Rahmens von Art. 20 Abs. 1 lit. c HonO/SG hält, ist hierauf nicht weiter einzugehen.
Nichts ableiten kann der Beschwerdeführer schliesslich aus dem den Vertreterinnen der Geschädigten zugesprochenen Honorar. Da die Geschädigten Zivilforderungen geltend gemacht haben, richtet sich das Honorar ihrer Vertreterinnen nach dem Streitwert (vgl. Art. 13 ff. HonO/SG).
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet.
5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. November 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Boog