Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_563/2009
Urteil vom 20. November 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Mathys,
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
Gerichtsschreiberin Binz.
Parteien
X.________, vertreten durch Fürsprecher Adrian Glatthard,
Beschwerdeführer,
gegen
Generalprokuratur des Kantons Bern, 3001 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Grobe Verkehrsregelverletzung,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 15. Januar 2009.
Sachverhalt:
A.
X.________ fuhr am 3. Februar 2007 um 14.51 Uhr auf der Autostrasse A8 zwischen Bönigen und Brienz mit seinem Auto bei einer signalisierten Geschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 110 km/h. In der Folge wurde er erstinstanzlich der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln durch Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 900.-- verurteilt. Dagegen erhob die Generalprokuratur des Kantons Bern Appellation. Das Obergericht des Kantons Bern sprach X.________ mit Urteil vom 15. Januar 2009 der groben Verkehrsregelverletzung schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 120.-- sowie zu einer Busse von Fr. 600.--.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, er sei der einfachen Verletzung von Verkehrsregeln schuldig zu sprechen und mit einer Busse von Fr. 900.-- zu verurteilen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Art. 90 Ziff. 2 SVG. Auf der objektiven Seite habe er keine ernstliche Gefährdung der Verkehrssicherheit geschaffen. Der subjektive Tatbestand scheitere am fehlenden rücksichtslosen Verhalten.
1.1 Die einfache Verkehrsregelverletzung wird gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG als Übertretung mit Busse bestraft. Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt.
Der qualifizierte Tatbestand der groben Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Subjektiv erfordert der Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG ein rücksichtsloses Verhalten. Ein solches ist unter anderem zu bejahen, wenn der Täter ein bedenkenloses Verhalten gegenüber fremden Rechtsgütern offenbart. Dieses kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen (BGE 131 IV 133 E. 3.2 S. 136 mit Hinweisen).
1.2 Die Vorinstanz führt in objektiver Hinsicht aus, gemäss BGE 122 IV 173 sei bei einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 30 km/h und mehr auf einer nicht richtungsgetrennten Autostrasse ungeachtet der konkreten Umstände eine schwere Verkehrsregelverletzung gegeben. Im vorliegenden Fall seien die Fahrbahnen für beide Fahrtrichtungen nicht durch einen Mittelstreifen getrennt gewesen, was das Risiko einer Frontalkollision massiv erhöhe. Günstige Verhältnisse könnten deshalb nur bei einer richtungsgetrennten Autostrasse beachtet werden. Es ändere nichts an der erhöhten abstrakten Gefahr einer Frontalkollision, dass vorliegend die Höchstgeschwindigkeit nicht 100 km/h, sondern gemäss Signalisation "nur" 80 km/h betrug. So habe das Bundesgericht in BGE 124 II 259 explizit den nicht richtungsgetrennten Autostrassen die Ausserortsstrassen gleichgesetzt. Nach der Rechtsprechung sei bei Erfüllung des objektiven Tatbestandes von Art. 90 Ziff. 2 SVG in der Regel auch der subjektive Tatbestand erfüllt. Der Beschwerdeführer sei während einer gewissen Zeitspanne unaufmerksam gewesen, was aber den Vorwurf grober Fahrlässigkeit nicht von vornherein ausschliesse. Er sei ein erfahrener Fahrzeuglenker und die Geschwindigkeitsüberschreitung habe auf einer Autostrasse mit wechselnden Verhältnissen (mehrere Tunnel, ein- und zweispurige Abschnitte) stattgefunden (angefochtenes Urteil E. 4 S. 8 ff.).
1.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe weder eine konkrete noch eine erhöhte abstrakte Gefahr verursacht. Zum Tatzeitpunkt hätten günstige Verhältnisse geherrscht. Wäre er mit der Geschwindigkeit von 110 km/h auf einem Abschnitt mit Höchstgeschwindigkeit 100 km/h gefahren, wäre er bei gleicher Gefahrenlage zu einer einfachen Verkehrsregelverletzung verurteilt worden. Die Vorinstanz schliesse vom BGE 122 IV 173, welcher eine zweispurige Autostrasse mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h betreffe, auf eine einspurige Autostrasse mit einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h. Diese Gefahrenlage sei deutlich vermindert, weil die Möglichkeit eines plötzlichen Wechsels auf die Überholspur eines anderen Automobilisten nicht bestehe und die Gefahr einer Frontalkollision bei einer Geschwindigkeit von 110 km/h klar tiefer als bei 130 km/h sei. Auch das Zusammenfassen von Autostrassen und Ausserortsstrassen in derselben Kategorie sei nicht sachgerecht. Die Gefahr, durch ein Ausweichmanöver auf die Gegenfahrbahn zu geraten, sei auf einer Ausserortsstrasse ungleich höher als beim autobahnähnlichen Tatort. Zudem sei es willkürlich, ungeachtet der konkreten Umstände bei einer Geschwindigkeitsübertretung von 30 km/h eine erhöhte Gefahr anzunehmen, wenn diese bei einer Übertretung von 29 km/h verneint werde. In subjektiver Hinsicht bringt der Beschwerdeführer vor, er habe pflichtwidrig unachtsam die örtlich begrenzte Geschwindigkeitsreduktion übersehen, was kein rücksichtsloses bedenkenloses Verhalten gegenüber anderen Rechtsgütern sei. Die Vorinstanz führe nicht aus, welche konkreten Umstände ausnahmsweise die Qualifikation als einfache Verkehrsregelverletzung erlauben würden.
1.4
1.4.1 Wie die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), fuhr der Beschwerdeführer auf einer nicht richtungsgetrennten, einspurigen Autostrasse. Die Fahrbahn war zum Tatzeitpunkt feucht, das Wetter schön und es herrschte kein Verkehr (angefochtenes Urteil E. II S. 3). Auf einer Autostrasse, bei welcher die Fahrspuren lediglich durch eine aufgemalte Sicherheitslinie getrennt sind, ist das Risiko einer Frontalkollision mit schweren Folgen wesentlich höher als auf der Autobahn. Deshalb begeht gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung ungeachtet der konkreten Umstände objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung, wer auf einer nicht richtungsgetrennten Autostrasse die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 30 km/h oder mehr überschreitet (s. BGE 122 IV 173 E. 2d S. 177 mit Hinweis). Dies gilt auch für Ausserortsstrassen bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h (BGE 124 II 259 E. 2c S. 263 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer hat in diesem Sinne durch die Überschreitung der Geschwindigkeit um 30 km/h eine erhöhte Gefahr einer Frontalkollision geschaffen und dadurch die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Dabei sind die zum Tatzeitpunkt günstigen Verhältnisse unbeachtlich. Dies gilt auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von genau 30 km/h (vgl. Urteil 6B_193/2008 vom 7. August 2008 E. 2.3). Der objektive Tatbestand der schweren Verkehrsregelverletzung ist demnach erfüllt.
1.4.2 In subjektiver Hinsicht hat der Beschwerdeführer das Geschwindigkeitssignal - pflichtwidrig unachtsam - übersehen und damit unbewusst fahrlässig gehandelt. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher wird die Rücksichtslosigkeit zu bejahen sein, soweit nicht besondere Indizien dagegen sprechen (Urteil 6B_331/2008 vom 10. Oktober 2008 E. 3.2). Das Bundesgericht führte in einem jüngeren Entscheid aus, für die Beurteilung, ob das Verhalten rücksichtlos sei, gelte ein strenger Massstab. Wolle man das Schuldprinzip auch im Strassenverkehrsstrafrecht ernst nehmen, dürfe insbesondere nicht unbesehen von der objektiven auf die subjektive schwere Verkehrsregelverletzung geschlossen werden. Das Bundesgericht verneinte das rücksichtslose Verhalten, weil der Fahrzeugführer die bloss während einer Woche geltende und örtlich begrenzte Geschwindigkeitsreduktion auf der Autobahn übersehen hatte (Urteil 6B_109/2008 vom 13. Juni 2008 E. 3.1). Im gleichen Sinne entschied das Bundesgericht im Falle einer Geschwindigkeitsbeschränkung innerorts, die Teil von Massnahmen eines Verkehrsberuhigungskonzepts bildete (Urteil 6B_622/2009 vom 23. Oktober 2009 E. 3.5). Im Gegensatz zu den zitierten Urteilen sind vorliegend keine in der Person des Beschwerdeführers besonderen Umstände gegeben, die den Grund des momentanen Versagens erkennen und in einem milderen Licht erscheinen lassen. Dass die Autostrasse nur teilweise mit Tempo 80 km/h signalisiert war, entspricht nicht einer zeitlich limitierten Geschwindigkeitsbeschränkung. Wie die Vorinstanz ausführt, handelt grob fahrlässig, wer auf einer Autostrasse mit wechselnden Verhältnissen unaufmerksam ist. Durch die Bejahung des subjektiven Tatbestands der schweren Verkehrsregelverletzung verletzt die Vorinstanz kein Bundesrecht. Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich als unbegründet.
2.
Somit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. November 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Favre Binz