Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_788/2009
Urteil vom 27. November 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Briw.
Parteien
X.________,
vertreten durch Advokat Bruno Muggli,
Beschwerdeführerin,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, 4001 Basel,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 19. Juni 2009.
Sachverhalt:
A.
Der Strafgerichtspräsident Basel-Stadt bestrafte am 30. September 2008 X.________ wegen grober Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 2 SVG) mit einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 680.-- (mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren) und einer Busse von Fr. 1'000.--. Von der Anklage des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall sprach er sie frei.
Auf ihre Appellation hin bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt am 19. Juni 2009 das erstinstanzliche Urteil.
B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts aufzuheben und sie gestützt auf Art. 90 Ziff. 1 SVG mit maximal 300 Franken zu büssen.
Erwägungen:
1.
Sachverhaltlich ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin am 20. April 2007 im Mittagsverkehr mit ihrem VW Touareg vor einem Tramgeleise anhielt und die vortrittsberechtigten Verkehrsteilnehmenden passieren liess. Beim langsamen Anfahren übersah sie einen Fussgänger und kollidierte mit ihm.
1.1 Die Beschwerdeführerin geht in der Beschwerde von diesem Sachverhalt aus, wendet jedoch ein, die Vorinstanz habe die zusätzliche Annahme erfunden, "dass sie mit ihrem Fahrzeug den Fussgänger anfuhr und ihn dadurch offensichtlich zu Boden warf". Weder sie noch der Fussgänger hätten eine solche Aussage gemacht.
1.2 Die Vorinstanz begründet ihre Annahme in der zitierten Stelle ("zu Boden warf") mit dem unmittelbar anschliessenden Satz: "[...] da er nach den Aussagen der Appellantin anschliessend 'sofort wieder rechts neben dem Fahrzeug' stand" (mit Verweisung auf Akten S. 15). Diese Aktenstelle enthält die Einvernahme der Beschwerdeführerin als Auskunftsperson. Diese erklärte, dass der Fussgänger "dann" vor der linken Front ihres Fahrzeugs war. "Ich stiess den Fussgänger. Ich meine, der Fussgänger konnte sich noch mit der rechten und der linken Hand auf der Motorhaube abstützen. Die rechte Hand war sicher weiter oben auf der Motorhaube. Der Fussgänger stand aber sofort wieder rechts neben dem Fahrzeug" (Akten S. 15).
1.3 Aus dieser Aussage ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin den Fussgänger mit der linken Front ihres Fahrzeugs "stiess", dass er aber sofort wieder rechts neben dem Fahrzeug "stand". Hieraus schliesst die Vorinstanz, dass die Beschwerdeführerin den Fussgänger "offensichtlich zu Boden warf" (angefochtenes Urteil S. 4). Diese Würdigung erscheint entgegen der Beschwerde nicht als "offensichtlich unrichtig" (Art. 97 Abs. 1 BGG), d.h. willkürlich (BGE133 II 249 E. 1.2.2).
2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine falsche Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG.
2.1 Sie geht mit der Vorinstanz zutreffend davon aus, dass objektiv eine grobe Verkehrsregelverletzung vorliegt. Sie wendet ein, daraus dürfe nicht auf subjektive Grobfahrlässigkeit geschlossen werden. Die "Touchierung" sei auf eine momentane kurze Unachtsamkeit zurückzuführen. Ihre Aussage vor der Vorinstanz, "dass möglicherweise die breite A-Säule den kurzen Blick auf den Fussgänger verstellt habe", sei kein Rechtfertigungsversuch, sondern eine simple Erklärung, weshalb es zu dem Unfall gekommen sein könnte. Auch aus der vorinstanzlichen Annahme, sie sei möglicherweise wegen eines Termins zu sehr in Eile gewesen, lasse sich keine grobe Sorgfaltspflichtverletzung konstruieren.
2.2 Vor Fussgängerstreifen hat der Fahrzeugführer besonders vorsichtig zu fahren und nötigenfalls anzuhalten, um den Fussgängern den Vortritt zu lassen, die sich schon auf dem Streifen befinden oder im Begriffe sind, ihn zu betreten (Art. 33 Abs. 2 SVG). Dies ist eine zentrale Verkehrsregel, deren Missachtung regelmässig zu schweren Unfällen führt (Urteil 6S.265/2005 vom 1. Dezember 2005 E. 2.3).
2.3 Den Tatbestand von Art. 90 Ziff. 2 SVG erfüllt, wer eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet (BGE 131 IV 133 E. 3.2). Subjektiv ist rücksichtsloses Verhalten erforderlich, bei fahrlässigem Handeln mindestens grobe Fahrlässigkeit. Diese ist bei unbewusst fahrlässigem Verhalten zu bejahen, wenn das Nichtbedenken der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf Rücksichtslosigkeit beruht. Diese kann auch in einem blossen (momentanen) Nichtbedenken der Gefährdung fremder Interessen bestehen (BGE 131 IV 133 E. 3.2). Dabei darf nicht einfach aus dem objektiven Tatbestand auf die Erfüllung des subjektiven geschlossen werden. Dies ist aufgrund der gesamten Umständen zu ermitteln. Je schwerer die Verkehrsregelverletzung objektiv wiegt, desto eher ist Rücksichtslosigkeit anzunehmen (Urteil 6S.11/2002 vom 20. März 2002 E. 3a; Urteil 6S.228/1994 vom 6. Juni 1994 E. 2). Das rücksichtslose Verhalten liegt in diesem Fall nicht in einem "Sich-Hinwegsetzen" über fremde Interessen, sondern im blossen Nichtbedenken fremder Interessen (Urteil 6S.56/1994 vom 11. April 1994 E. 2b).
2.4 Auch die Beschwerdeführerin geht von einer "momentanen kurzen Unachtsamkeit" aus. Sie weist zudem darauf hin, dass die verdeckte Sicht die "simple Erklärung" für den Unfall sein könnte. Dieser Bau des Fahrzeugs ("breite A-Säule") musste ihr bewusst sein. Sie hatte sich so zu verhalten, dass ihre Sicht dennoch gewährleistet war. Jedes andere Verhalten erschiene als grobfahrlässig, weil elementare Sorgfaltspflichten vernachlässigt würden. Genau dieser Sachverhalt liegt vor. Wegen Unachtsamkeit vergewisserte sie sich nicht, ob sich im verdeckten Blickwinkel ein Fussgänger näherte. Sie fuhr insoweit blind los, obwohl Fussgänger passierten. Sie übersah den sich korrekt verhaltenden Fussgänger (vgl. Urteil 6S.387/2005 vom 13. Januar 2006 E. 3.3). Diese elementare Vorsichtswidrigkeit ist als grobfahrlässig zu qualifizieren. Die Beschwerde ist unbegründet.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. November 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Briw