Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_840/2009
Urteil vom 2. Dezember 2009
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Borella, Seiler,
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle.
Parteien
M.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Markus Zimmermann,
Beschwerdeführer,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau,
Kyburgerstrasse 15, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
vom 26. August 2009.
Sachverhalt:
A.
M.________, geboren 1958, verfügt über eine Ausbildung als Automechaniker und war zuletzt vom 1. April 1988 bis 30. November 2006 in der Firma W.________ AG als Schichtführer angestellt. Am 23. Januar 2007 meldete er sich unter Hinweis auf Rückenschmerzen, Bandscheibenvorfall, Schwindel und Depression seit Frühling/Sommer 2006 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an (Berufsberatung, Umschulung auf eine neue Tätigkeit, Arbeitsvermittlung, besondere medizinische Eingliederungsmassnahmen, Rente). Die IV-Stelle des Kantons Aargau führte erwerbliche Abklärungen durch und holte Berichte ein des Dr. med. K.________, Internist FMH, vom 26. Februar 2007, sowie des Dr. med. C.________, FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 5. April 2007. Die Taggeldversicherung X.________ gab bei den Dres. med. B.________ und H.________, beide FMH für Psychiatrie, Institut Y.________, ein fachpsychiatrisches Konsilium bzw. eine arbeitsprognostische Abklärung vom 28. Juli 2007 in Auftrag. Auf Anraten dieser Ärzte veranlasste der Taggeldversicherer in der Folge eine funktionsorientierte medizinische Abklärung (FOMA) im Zentrum A.________ vom 14./15. August 2007. Die IV-Stelle bat den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD; Dr. med. G.________) um eine Beurteilung vom 22. Januar 2008 sowie Dr. med. K.________ um einen Bericht vom 30. Januar 2008. Nachdem M.________ gegen den ablehnenden Vorbescheid vom 15. Juli 2008 Einwände hatte erheben lassen, holte die IV-Stelle eine weitere Beurteilung ein des RAD (Dr. med. G.________) vom 1. Oktober 2008 und verfügte am 11. März 2009 entsprechend ihrem Vorbescheid.
B.
Hiegegen liess M.________ Beschwerde erheben und eine Stellungnahme der Dres. med. C.________, U.________ (FMH für orhopädische Chirurgie) und I.________ (FMH für Chirurgie), Zentrum T.________, vom 19. April 2009, zu den Akten reichen. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau wies die Beschwerde mit Entscheid vom 26. August 2009 ab.
C.
M.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides die Zusprechung der "gesetzlich geschuldeten Leistungen", insbesondere einer ganzen Rente, beantragen. Eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Erwägungen:
1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder wenn sie auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG; Ausnahme: Beschwerden gemäss Art. 97 Abs. 2 BGG [Art. 105 Abs. 3 BGG]).
2.
Das kantonale Gericht legt die gesetzlichen Bestimmungen zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG) und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze betreffend IV-rechtlicher Relevanz psychischer Gesundheitsschädigungen (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50 mit Hinweisen) sowie zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3a S. 352 mit Hinweis) zutreffend dar. Darauf wird verwiesen.
3.
3.1 Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdegegnerin habe gestützt auf das Gutachten des Zentrums A.________ vom 29. Oktober 2007 zu Recht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in einer adaptierten Tätigkeit uneingeschränkt arbeitsfähig sei. Diesem Gutachten komme volle Beweiskraft zu. Dass die Gutachter die Arbeitsfähigkeit lediglich aus medizinisch-theoretischer Sicht hätten festsetzen können, gehe allein auf das Verhalten des Beschwerdeführers während der Tests zurück. In psychischer Hinsicht komme weder der Diagnose des Dr. med. C.________ (Bericht vom 5. April 2007) noch derjenigen der Dres. med. B.________ und H.________ (Stellungnahme vom 28. Juli 2007) invalidisierender Charakter zu und auch die Behandlungsintensität (der Beschwerdeführer konsultiere einmal monatlich seinen Psychiater) spreche gegen eine schwere psychische Erkrankung. Bei der Prüfung der Anspruchsberechtigung seien daher ausschliesslich die somatischen Limitierungen zu berücksichtigen, wobei die anlässlich einer Kernspintomografie vom 5. Februar 2008 festgestellten degenerativen Veränderungen an der HWS zu keiner höheren Arbeitsunfähigkeit führten als die im Gutachten des Zentrums A.________ ausgewiesene. Auf weitere Abklärungen könne in antizipierter Beweiswürdigung verzichtet werden. Bei einem unbestritten gebliebenem Valideneinkommen von Fr. 68'310.- und einem ausgehend von der vom Bundesamt für Statistik herausgegebenen Lohnstrukturerhebung (LSE) 2006 festgesetzten Invalideneinkommen in Höhe von Fr. 60'552.- (Tabelle TA1, Anforderungsniveau 4, Total Männer, angepasst an die Verhältnisse im Jahre 2007), ergebe sich bei Gewährung eines leidensbedingten Abzuges von 10 % ein Invaliditätsgrad von 20 %.
3.2 Der Versicherte rügt, nebst den bekannten somatischen Beeinträchtigungen leide er auch an psychischen Beschwerden, derentwegen er seit dem Jahre 2004 in psychiatrischer Behandlung bei Dr. med. C.________ sei. Der behandelnde Psychiater habe am 5. April 2007 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit wegen einer psychogenen Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle sowie einer Störung der Impulskontrolle (ICD-10 F51.0, F43.23, F63) attestiert. Die Einschätzungen im Gutachten des Zentrums A.________ beruhten ausschliesslich auf einer Untersuchung der organischen Beschwerden und die Beurteilung der Dres. med. B.________ und H.________ sei nicht beweistauglich. Indem die Vorinstanz von einer psychiatrischen Exploration abgesehen habe und keine weiteren Abklärungen zu den anlässlich der Kernspintomographie vom 5. Februar 2008 erhobenen Befunden an der HWS in die Wege leitete, habe sie den Sachverhalt unvollständig festgestellt und damit gegen Bundesrecht verstossen.
4.
4.1 Hinsichtlich des psychischen Gesundheitszustandes ergeben die Akten folgendes Bild: Dr. med. C.________ diagnostizierte am 5. April 2007 eine nichtorganische Insomnie bei psychogener Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung anderer Gefühle. Bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe vor allem eine Störung der Impulskontrolle (ICD-10 F51.0, F43.23, F63) bestanden. Aufgrund dieser Limitierungen sei der Versicherte seit 17. Februar 2006 und bis auf Weiteres vollständig arbeitsunfähig. Diese Einschätzung wiederholte er im Wesentlichen in seiner - zusammen mit den Dres. med. U.________ und I.________ verfassten - Stellungnahme vom 19. April 2009, wobei die Ärzte zusätzlich den ICD-10-Code F32.9 anführten, welcher einer nicht näher bezeichneten depressiven Episode entspricht (Dilling/Mombour/ Schmidt [Hrsg.], Internationale Klassifikation psychischer Störungen, 6. Auflage, Bern 2008, S. 155). Im Rahmen der FOMA fanden keine psychiatrischen Abklärungen statt; vielmehr bezogen sich die Gutachter auf das fachpsychiatrische Konsilium der Dres. med. B.________ und H.________ vom 28. Juli 2007, demgemäss der Beschwerdeführer an einem dysthym-dysphorischen Zustandsbild mit höchstens leichtgradiger affektiver Zeichnung leidet.
4.2 Zunächst ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Einschätzungen des behandelnden Psychiaters Dr. med. C.________ mit Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen Behandlungs- und Beurteilungsauftrag besonders sorgfältig zu würdigen sind (hiezu Urteil I 29/04 vom 17. August 2004 E. 2.2). Bezüglich der von den Dres. med. C.________, U.________ und I.________ in ihrer Stellungnahme vom 19. April 2009 (soweit diese, da nach dem Verfügungserlass vom 11. März 2009 ergangen, überhaupt berücksichtigt werden kann) als Hauptdiagnose angeführten Insomnie lassen die Ausführungen des Dr. med. C.________ eine nachvollziehbare Begründung vermissen, weshalb und inwiefern die - vom Versicherten im Rahmen der Begutachtung des Zentrums A.________ als schmerzunabhängige Durchschlafstörungen geschilderten - Schlafstörungen nach einer objektivierten Betrachtungsweise eine Einschränkung der körperlichen oder geistigen Funktionen und damit der Arbeitsfähigkeit bewirken (hiezu Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, namentlich für den Einkommensvergleich in der Invaliditätsbemessung, in: Schaffhauser/ Schlauri [Hrsg.], Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 48). Nach der Rechtsprechung können Schlafstörungen nur unter bestimmten Voraussetzungen invalidisierend sein und müssen jedenfalls auf ein fachärztlich schlüssig festgestelltes organisches oder psychisches Leiden zurückgehen (Urteil U 127/06 vom 18. April 2007 E. 8.1 mit weiteren Hinweisen, in: SVR 2007 UV Nr. 31 S. 105). Weil eine Schlafstörung invalidenversicherungsrechtlich darüber hinaus nur relevant ist, wenn der betroffenen Person - nach möglicher Therapie und Aneignung geeigneter Schlafstrategien - die Willensanstrengung, trotz ihrer Schlafprobleme einer Arbeitstätigkeit nachzugehen, nicht zugemutet werden kann (hiezu das bereits zitierte Urteil U 127/06 E. 8.2), ist bei einer nichtorganischen Insomnie vorauszusetzen, dass diese durch eine psychische Störung von erheblicher Schwere, Intensität, Ausprägung und Dauer verursacht wird oder andere qualifizierte, mit gewisser Intensität und Konstanz erfüllte Kriterien vorliegen, welche eine Überwindung der subjektiven Arbeitsunfähigkeitsüberzeugung als unzumutbar erscheinen lassen.
In Würdigung, dass Dr. med. C.________ die angeführte depressive Störung nicht genauer zu spezifizieren vermochte (sondern wie dargelegt als nicht näher bezeichnete depressive Episode einordnete) und unter Berücksichtigung der geringen Behandlungsintensität von einer Stunde monatlich, hält die Beweiswürdigung der Vorinstanz vor Bundesrecht Stand, welche ohne weitere Abklärungen auf die Beurteilung der Dres. med. B.________ und H.________ abgestellt hat, wonach höchstens eine leichtgradige psychisch-affektive Komobidität vorliegt. Dies gilt umso mehr, als eine Beweiswürdigung erst dann willkürlich ist, wenn der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Fehler beruht, (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; vgl. auch BGE 135 V 2 E. 1.3 S. 4 f.). Davon kann hier nach der gesamten Aktenlage und dem insgesamt gut dokumentierten Verlauf nicht die Rede sein.
5.
5.1 Bezüglich der physischen Situation ist unbestritten, dass der Versicherte aufgrund seiner Beschwerden nurmehr in adaptierten leichten Tätigkeiten arbeitsfähig ist, hingegen schwere körperliche Arbeiten nicht mehr möglich sind. Soweit der Beschwerdeführer die Beurteilung der verbleibenden Arbeitsfähigkeit im Gutachten des Zentrums A.________ rügt, weil sie (lediglich) auf einer medizinisch-theoretischen Beurteilung beruht, vermag er damit keine Bundesrechtswidrigkeit des auf dieses abstellenden angefochtenen Entscheides darzutun. Nach den zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz sind die Testergebnisse einer EFL bezüglich zumutbarer Belastbarkeit nur bei guter Leistungsbereitschaft zuverlässig. Wo eine solch, wie hier, fehlt, kann die Zumutbarkeit einer Arbeitsleistung nicht anders beurteilt werden als ausgehend vom medizinisch-theoretischen Zustand, welcher "bei normaler Leistungsbereitschaft und mittels der bisherigen zumutbaren Behandlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens erreichbar gewesen wäre" (Oliveri/ Kopp/Stutz/Klipstein/Zollikofer, Grundsätze der ärztlichen Beurteilung der Zumutbarkeit und Arbeitsfähigkeit, Teil 2, in: Schweiz. Med. Forum 6/2006 S. 450). In Würdigung der vom Versicherten im Rahmen der Abklärung gezeigten deutlichen Selbstlimitierung spricht die Beurteilung aus medizinisch-theoretischer Sicht nicht gegen die Beweiskraft des Gutachtens vom 29. Oktober 2007.
5.2 Was schliesslich die anlässlich der Kernspintomographie der HWS vom 5. Februar 2008 erhobenen Befunde anbelangt (mehrsegmentale degenerative Veränderungen mit mehreren kleinvolumigen Diskushernien [ohne Kompression nervaler Strukturen]; leichte Einengung des Spinalkanals [ohne Myelonkompression] und eine ossär bedingte Einengung des linken Neuroforamens [auf Höhe C3/4]), legen die Dres. med. C.________, M.________ und I.________ in keiner Weise dar, inwiefern sich diese Befunde zusätzlich limitierend auf die Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten rückenschonenden Tätigkeit auswirken. Die Vorinstanz hat daher in antizipierter Beweiswürdigung, insbesondere unter Hinweis auf die Aufgaben des behandelnden Dr. med. K.________ vom 30. Januar 2008, wonach das Beschwerdebild unverändert sei, eine zusätzliche Limitierung der Arbeitsfähigkeit ohne Verletzung von Bundesrecht verneint.
6.
Soweit der Beschwerdeführer Einwände gegen die vorinstanzliche Festsetzung des Invaliditätsgrades erhebt und sich dabei mit dem Verweis auf seine Ausführungen im vorinstanzlichen Verfahren beschränkt, ist seine Beschwerde unzulässig, da sie den Begründungsanforderungen nicht genügt, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 2. Dezember 2009
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Meyer Bollinger Hammerle