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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_379/2009
Urteil vom 7. Dezember 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Stulz,
gegen
Anwaltskommission des Kantons Aargau.
Gegenstand
Disziplinaraufsicht über die Rechtsanwälte
(Unentgeltliche Verbeiständung; Honorarnote),
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 13. März 2009.
Sachverhalt:
A.
Fürsprecher X.________ vertrat den am 5. Februar 2003 verstorbenen A.________ in verschiedenen Zivil- und Strafverfahren sowie in einem Verfahren betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung. Gestützt auf eine Anzeige einer Tochter des Verstorbenen eröffnete die Anwaltskommission des Kantons Aargau im Sommer 2006 ein Aufsichtsverfahren gegen X.________ und erteilte ihm wegen Verletzung der Berufsregeln im Zusammenhang mit der Rechnungsstellung für das Verfahren betreffend fürsorgerischen Freiheitsentzug eine Verwarnung. Seiner dagegen gerichteten Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau blieb der Erfolg versagt.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau aufzuheben und von seiner Disziplinierung abzusehen.
Die Anwaltskommission beantragt unter Verzicht auf eine Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesamt für Justiz hat auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61), welches neben den Berufspflichten (Art. 12 BGFA) insbesondere auch das Disziplinarrecht (Art. 17 ff. BGFA) abschliessend regelt, ist Teil des Bundesverwaltungsrechts. Damit unterliegt das angefochtene Urteil, bei dem es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid handelt (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG). Da keiner der Ausschlussgründe von Art. 83 BGG Anwendung findet, ist dieses Rechtsmittel zulässig.
1.2 Ein zweiter Schriftenwechsel (Art. 102 BGG) wurde nicht angeordnet. Gleichwohl hat der Beschwerdeführer am 25. September und 19. Oktober 2009 zwei weitere Eingaben gemacht. Es kann offen bleiben, ob er dazu im Lichte der neueren Rechtsprechung (BGE 133 I 98 ff.) berechtigt war. Diese nachträglichen Eingaben erwiesen sich als von vornherein ungeeignet, den Verfahrensausgang zu beeinflussen, weshalb sie den übrigen Verfahrensbeteiligten auch nicht zur Kenntnis gebracht wurden (vgl. BGE 133 I 98 ff.).
2.
2.1 Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer eine Verletzung der Berufsregeln im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA vor. Diese erblickt sie darin, dass er für das Verfahren betreffend den fürsorgerischen Freiheitsentzug ein zusätzliches Honorar zur amtlich festgesetzten Vergütung gefordert habe.
2.2 Ob eine Berufsregelverletzung im Sinne des Anwaltsgesetzes vorliegt, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (Urteil 2C_783/2008 vom 4. Mai 2009 E. 2.1). Die Auslegung und Anwendung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtswinkel der Verletzung von Bundesrecht, insbesondere des Willkürverbotes (Art. 9 BV; BGE 133 II 249 E. 1.2.1).
3.
3.1 Wird der bedürftigen Partei ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt, übernimmt dieser eine staatliche Aufgabe und tritt zum Staat in ein Rechtsverhältnis, aufgrund dessen er einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Entschädigung im Rahmen der anwendbaren kantonalen Vorschriften hat. Der amtlich bestellte Rechtsbeistand darf sich von der verbeiständeten Partei nicht entschädigen lassen und ist insbesondere auch nicht befugt, sich eine zusätzliche Entschädigung zu derjenigen auszahlen zu lassen, welche er vom Staat erhält; eine Bezahlung durch die verbeiständete Partei ist selbst dann ausgeschlossen, wenn die öffentlich-rechtliche Entschädigung nicht einem vollen Honorar entspricht. Verstösst der unentgeltliche Rechtsbeistand gegen diesen Grundsatz, macht er sich disziplinarrechtlich verantwortlich. Sofern die Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung gegeben sind, hat der Staat ab Einreichung des Gesuchs die Kosten der Verbeiständung zu übernehmen. Die unentgeltliche Verbeiständung entfaltet dabei bereits Wirkung auf die Bemühungen des Anwalts für die gleichzeitig mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingereichte Rechtsschrift (BGE 122 I 322 E. 3b, mit Hinweisen). Ein Anwalt, welcher im Rahmen einer amtlichen Verteidigung Anspruch auf Deckung seiner sämtlichen dabei getroffenen anwaltlichen Vorkehren erhebt, verstösst deshalb gegen das bundesrechtliche Gebot der sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA (Urteil 2C_783/2008 vom 4. Mai 2009 E. 2.9).
3.2 Eine unsorgfältige Berufsausübung rechtfertigt ein staatliches Eingreifen nur dann, wenn diese objektiv eine solche Schwere erreicht, dass - über die bestehenden Rechtsbehelfe aus Auftragsrecht wegen unsorgfältiger Mandatsführung hinaus - eine zusätzliche Sanktion im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig erscheint; diese Voraussetzung ist erst bei einer qualifizierten Norm- bzw. Sorgfaltswidrigkeit gegeben (KASPAR SCHILLER, Schweizerisches Anwaltsrecht, 2009, N 1472 f.). Disziplinarisch zu ahnden ist deshalb nur grobes, schuldhaftes (d.h. vorsätzliches oder fahrlässiges) Fehlverhalten (WALTER FELLMANN, Kommentar zum Anwaltsgesetz, 2005, hrsg. von Walter Fellmann/Gaudenz G. Zindel, N. 15 zu Art. 12 BGFA und TOMAS POLEDNA, op.cit., N. 18 zu Art. 17 BGFA).
4.
4.1 Der Beschwerdeführer reichte dem Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit dem Verfahren betreffend den fürsorgerischen Freiheitsentzug ("FFE vom 14.3.2002 bis 4.4.2002") am 4. April 2002 eine Kostennote über insgesamt Fr. 5'297.95 ein. Diese wurde nach unbestrittener Darstellung im angefochtenen Urteil vom Gericht lediglich im Umfang von Fr. 3'560.-- genehmigt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Honorar für 14 Arbeitsstunden à Fr. 220.-- sowie Auslagen, Mehrwertsteuer und Gebühren.
Am 9. Juli 2002 liess der Beschwerdeführer seinem Klienten eine Kostennote betreffend das Verfahren "FFE vom 14.3.2002 bis 9.7.2002" im Betrag von insgesamt Fr. 4'732.90 (Fr. 8'292.90 abzüglich Fr. 3'560.--) zukommen; dies mit dem Zusatz "Ersetzt Rechnung FEE vom 4. April 2002".
4.2 Die Vorinstanz wirft dem Beschwerdeführer vor, dem Klienten für den Zeitraum ab 14. März 2002 einen Stundenansatz von Fr. 230.-- in Rechnung gestellt zu haben, während das amtliche Honorar auf einem solchen von Fr. 220.-- basiere. Im Umfang dieser Differenz habe er für die gleichen Bemühungen zusätzlich zur staatlichen Entschädigung ein Honorar gefordert.
Mit dem Beschwerdeführer ist somit davon auszugehen, dass ihm schliesslich konkret vorzuwerfen ist, im Umfang der im Rahmen der unentgeltlichen Verbeiständung bewilligten 14 Stunden einen Betrag von Fr. 140.-- (14 x Fr. 10.--) zusätzlich in Rechnung gestellt zu haben.
5.
5.1 Die Vorinstanz wertete das dem Beschwerdeführer vorzuwerfende Verhalten als massive Verletzung der anwaltlichen Berufspflichten im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA, auch wenn es dabei nur um geringfügige Beträge gehe.
5.2 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Der für die unentgeltliche Rechtsvertretung erwähnte Stundenansatz ergibt sich einzig aus einer Aktennotiz des Beschwerdeführers. Dem angefochtenen Entscheid können keinerlei Anhaltspunkte dafür entnommen werden, dass der Beschwerdeführer bewusst anstelle des im Kanton Aargau offenbar für unentgeltliche Rechtsvertretungen angewendeten Stundenansatzes von Fr. 220.-- seinen (wohl üblichen) Stundenansatz von Fr. 230.-- in Rechnung gestellt hat. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz zum Schluss kommt, ein Versehen oder eine Fahrlässigkeit des Beschwerdeführers bei der Rechnungsstellung sei ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass mit der Rechnung vom 9. Juli 2002 diejenige vom 4. April 2002 ersetzt wurde (beide mit demselben Stundenansatz von Fr. 230.--), vermag dies nicht hinreichend zu begründen.
Die Akten und die vom Beschwerdeführer dargelegten Umstände der Mandatsführung lassen vielmehr darauf schliessen, dass es sich bei der fehlerhaften Rechnungstellung um ein blosses Versehen gehandelt hat. Der Beschwerdeführer hat denn auch in beiden Rechnungen offen ausgewiesen, dass er durchwegs einen Stundenansatz von Fr. 230.-- in Rechnung gestellt hat.
Dieses Fehlverhalten des Beschwerdeführers kann nicht mit ernsthaften, sachlichen Gründen als derart grob bezeichnet werden, um als Verletzung der Berufsregeln im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA qualifiziert zu werden.
6.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen gutzuheissen. Die Vorinstanz lässt offen, ob die Rechnungsstellung vom 9. Juli 2002 aus anderen Gründen eine Berufspflichtverletzung begründen könnte, wie dies die Anwaltskommission in ihrem Entscheid vom 5. Mai 2008 angenommen hatte. Die Sache ist daher zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren eine angemessene Parteienschädigung auszurichten (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil sowie der Entscheid der Anwaltskommission vom 5. Mai 2008, soweit der Anzeige Folge gegeben und der Beschwerdeführer verwarnt wurde, werden aufgehoben. Die Sache wird zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das Verfahren vor Bundesgericht mit Fr. 3'500.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. Dezember 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Küng