Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_343/2009
Urteil vom 16. Dezember 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Moser.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Armin Linder,
gegen
Migrationsamt des Kantons Thurgau,
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau.
Gegenstand
Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 8. April 2009.
Sachverhalt:
A.
Der türkische Staatsangehörige X.________, geb. 30. Januar 1979, heiratete am 13. November 2001 die ursprünglich aus Norwegen stammende Schweizer Bürgerin Y.________, geb. 18. Januar 1955, worauf er am 20. September 2002 in die Schweiz einreiste und ihm eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs erteilt wurde, letztmals verlängert bis zum 19. März 2007.
Im Juli 2003 beantragte die Ehefrau von X.________ beim zuständigen Gericht ein erstes Mal Eheschutzmassnahmen, zog in der Folge das Gesuch jedoch wieder zurück. Im Januar 2004 befand sie sich nach einem Suizidversuch, welchem ein Ehestreit mit Offenlegung ihrer Scheidungsabsichten vorausgegangen sein soll, vorübergehend in stationärer psychiatrischer Behandlung. Im März 2004 ersuchte sie erneut um Eheschutzmassnahmen, worauf X.________ gerichtlich angewiesen wurde, die eheliche Wohnung zu verlassen. Nachdem X.________ im Mai/Juni 2004 vorübergehend wieder bei seiner Ehefrau eingezogen war, erstattete diese am 28. Juni 2004 gegen ihn Strafanzeige; sie warf ihm vor, sie geschlagen, gewürgt, bedroht, vergewaltigt und gegen ihren Willen festgehalten zu haben, wobei es ihm nur um sein Aufenthaltsrecht gehe. In der Folge zog sie ihre Anzeige wieder zurück und bat um Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung ihres Ehemannes, welcher nunmehr wieder im gemeinsamen Haushalt lebe. Im Juli 2005 liess die Ehefrau von X.________ das Migrationsamt des Kantons Thurgau wissen, dass ihr Gatte Mitte Januar 2005 ausgezogen sei, und beantragte beim zuständigen Bezirksgericht die Auflösung ihrer Ehe zufolge Unzumutbarkeit, da ihr Mann die Ehe nur eingegangen sei, um eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz zu erlangen. Anfangs Oktober 2005 gab die Ehefrau abermals bekannt, wieder mit ihrem Ehemann zusammen zu leben. Ohne vorherige Abmeldung beim Einwohneramt zog sie im Juni 2006 zu ihrer Schwester nach Norwegen und liess in der Folge ihren Hausrat abholen. Dazu befragt, gab X.________ an, seine Ehefrau weile für unbestimmte Zeit in Norwegen und es seien ihm weder Adresse noch Telefonnummer bekannt.
B.
Mit Verfügung vom 3. April 2007 verweigerte das Migrationsamt des Kantons Thurgau X.________ den weiteren Aufenthalt und wies ihn weg, unter Ansetzung einer Frist zur Ausreise aus dem Kanton bis spätestens zum 31. Mai 2007. Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, X.________ berufe sich rechtsmissbräuchlich auf eine nicht mehr gelebte Ehe.
Gegen diese Verfügung legte X.________ erfolglos Rekurs beim Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau ein (Entscheid vom 27. August 2008).
Mit Entscheid vom 8. April 2009 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau eine hiegegen gerichtete Beschwerde ab.
C.
Mit Eingabe vom 25. Mai 2009 erhebt X.________ beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. April 2009 aufzuheben und seine Aufenthaltsbewilligung zu verlängern.
Das Migrationsamt, das Departement für Justiz und Sicherheit und das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie das Bundesamt für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde.
D.
Mit Verfügung vom 26. Oktober 2009 wies der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung das vom Beschwerdeführer am 6. Oktober 2009 eingereichte Sistierungsgesuch im Hinblick auf ein beim Migrationsamt des Kantons Thurgau anhängig gemachtes Wiedererwägungsgesuch ab.
Erwägungen:
1.
1.1 Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG schliesst die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen aus, auf deren Erteilung weder nach dem Bundes- noch dem Völkerrecht ein Rechtsanspruch besteht.
1.2 Gemäss Art. 126 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG; SR 142.20), welches am 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist, bleibt für Gesuche, die vor diesem Zeitpunkt gestellt worden sind, das bisherige Recht anwendbar. Damit ist im vorliegenden Fall noch das Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) massgeblich.
1.3 Der Beschwerdeführer ist nach wie vor mit einer Schweizer Bürgerin verheiratet und hat insoweit - unabhängig davon, ob er (nach wie vor) mit seiner Ehefrau zusammenlebt - gestützt auf Art. 7 Abs. 1 ANAG (in der Fassung vom 23. März 1990) einen grundsätzlichen Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich damit als zulässig. Die Frage, ob der Anspruch erloschen ist, weil einer der in Art. 7 ANAG vorgesehenen Ausnahmetatbestände oder ein Verstoss gegen das Rechtsmissbrauchsverbot gegeben ist, betrifft nicht das Eintreten, sondern bildet Gegenstand der materiellen Beurteilung (BGE 128 II 145 E. 1.1.5 S. 150 mit Hinweis).
1.4 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt bzw. vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 BGG bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Eine entsprechende Rüge, welche rechtsgenüglich substantiiert vorzubringen ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG ; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.), setzt zudem voraus, dass die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG; vgl. BGE 135 I 143 E. 1.5 S. 146 f.).
2.
2.1 Gemäss Art. 7 Abs. 2 ANAG hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers keinen Anspruch auf Erteilung der ihm nach Abs. 1 grundsätzlich zustehenden fremdenpolizeilichen Bewilligungen, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen. Erfasst wird davon die sog. Scheinehe bzw. Ausländerrechtsehe, bei der die Ehegatten von vornherein keine echte eheliche Gemeinschaft beabsichtigen. Auch wenn die Ehe nicht bloss zum Schein eingegangen worden ist, heisst dies jedoch nicht zwingend, dass dem ausländischen Ehepartner der Aufenthalt ungeachtet der weiteren Entwicklung gestattet werden muss. Zu prüfen ist diesfalls, ob sich die Berufung auf die Ehe nicht anderweitig als rechtsmissbräuchlich erweist, was namentlich dann der Fall ist, wenn ein Ausländer sich im fremdenpolizeilichen Verfahren auf eine Ehe beruft, welche nur noch formell besteht oder aufrechterhalten wird mit dem alleinigen Ziel, dem Ausländer eine Anwesenheitsbewilligung zu ermöglichen. Dieses Ziel wird von Art. 7 ANAG nicht geschützt (BGE 131 II 265 E. 4.2 S. 267; 130 II 113 E. 4.2 S. 117; 128 II 145 E. 2 S. 151 f.; 127 II 49 E. 4a/5a, je mit Hinweisen).
2.2 Dass eine Ehe nur (noch) formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht, entzieht sich in der Regel einem direkten Beweis und ist oft bloss durch Indizien zu erstellen (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152; 127 II 49 E. 5a S. 57). Feststellungen des kantonalen Richters über das Bestehen von solchen Hinweisen können äussere Gegebenheiten, aber auch innere psychische Vorgänge betreffen (Wille der Ehegatten). In beiden Fällen handelt es sich um tatsächliche Feststellungen, welche für das Bundesgericht verbindlich sind (oben E. 1.4). Frei zu prüfen ist dagegen die Rechtsfrage, ob die festgestellten Tatsachen (Indizien) darauf schliessen lassen, die Berufung auf die Ehe sei rechtsmissbräuchlich oder bezwecke die Umgehung fremdenpolizeilicher Vorschriften (BGE 128 II 145 E. 2.3 S. 152 mit Hinweisen).
2.3 Die im Wesentlichen unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Entscheid lassen den Schluss des Verwaltungsgerichts, die Ehe des Beschwerdeführers bestehe nur noch formell und ohne Aussicht auf Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft, nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Abgesehen vom nicht unbeträchtlichen Altersunterschied der Ehegatten von 24 Jahren springt zunächst ins Auge, dass bereits nach verhältnismässig kurzer Zeit des ehelichen Zusammenlebens in der Schweiz erhebliche Probleme in ihrer Beziehung auftraten, welche die Ehefrau wiederholt dazu veranlassten, rechtliche Schritte gegen den Beschwerdeführer einzuleiten (Anrufung des Eheschutz- bzw. Scheidungsrichters, Einreichung einer Strafanzeige) und vorübergehend getrennt von diesem zu leben. Mehrmals erhob die Ehefrau dabei auch den Vorwurf, die Vorgehensweise des Beschwerdeführers diene einzig der Erhaltung seiner Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung, und sie beklagte sich zudem darüber, von ihm unter Druck gesetzt worden zu sein. Im Jahr 2006 begab sich die Ehefrau des Beschwerdeführers, ohne sich formell in der Schweiz abzumelden, allein nach Norwegen. Dass der Aufenthalt in ihrer früheren Heimat nicht bloss als Urlaub, zum Besuch von Verwandten oder zur vorübergehenden Pflege ihrer erkrankten Schwester gedacht, sondern für längere Zeit vorgesehen war, wurde spätestens dann offensichtlich, als sie ihren Hausrat in der Schweiz abholen liess und in Norwegen eine Arbeitsstelle (Teilzeitstelle als Krankenpflegerin) antrat. Dabei hatte sie dem Beschwerdeführer weder Adresse noch Telefonnummer ihres neuen Aufenthaltsortes bekanntgegeben, was darauf schliessen lässt, dass sie bewusst auf ein weiteres eheliches Zusammenleben verzichten wollte. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers diesen später in der Schweiz wieder gelegentlich besuchte (so im April und Juli 2007 und im Januar 2008), angeblich wieder wöchentlich telefonischen Kontakt mit ihm pflegte und mit ihm im Sommer 2008 einige Tage in der Türkei verbrachte. Auch lässt der inzwischen erfolgte, rein formelle Akt der Wiederanmeldung der Ehefrau beim Einwohneramt der Wohngemeinde des Beschwerdeführers allein noch nicht auf eine erneute Annäherung der Ehegatten schliessen. Der Beschwerdeführer räumt in der Rechtsschrift ans Bundesgericht vielmehr selber ein, dass die Dauer des Aufenthalts der Ehefrau in Norwegen und damit eine Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens konkret nicht absehbar sei, die Ehegatten mithin nach wie vor faktisch getrennt voneinander lebten. Ähnlich hatte er sich nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid auch am 7. April 2009 gegenüber dem Einwohneramt A.________ geäussert, bei welchem er sich zudem in einem früheren Zeitpunkt danach erkundigt haben soll, ob er bei einer Scheidung seine Aufenthaltsbewilligung verliere bzw. durch erneute Heirat einen allfälligen Entzug derselben verhindern könne. Gegen das Bestehen einer gelebten ehelichen Gemeinschaft spricht im Übrigen auch, dass der Beschwerdeführer seit dem Wegzug seiner Ehefrau ins Ausland eine Übersiedelung zu dieser nach Norwegen offenbar nie näher in Betracht gezogen hat. Auch lässt der - nachträglich vorgebrachte - Umstand, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf eine angeblich geplante Wiederaufnahme des ehelichen Zusammenlebens in eine grössere Wohnung umgezogen sei, an welcher Adresse sich auch seine Ehefrau angemeldet habe, die Sache ebenso wenig in einem anderen Licht erscheinen wie die schriftlichen Beteuerungen der Ehefrau, nie die Absicht gehabt zu haben, ihren Ehemann zu verlassen. Aufgrund der bisherigen Verhaltensmuster der Ehegatten ist vielmehr davon auszugehen, dass damit nicht die Wiederaufnahme einer echten ehelichen Gemeinschaft beabsichtigt, sondern einzig bezweckt wird, dem Beschwerdeführer den weiteren Aufenthalt in der Schweiz zu ermöglichen. Im Übrigen wurde die Beschwerde gegen die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung bezeichnenderweise allein vom Beschwerdeführer erhoben und nicht auch im Namen der Ehefrau, wie dies bei einer intakten Beziehung ohne weiteres zu erwarten wäre. Unter den gegebenen Umständen erweist sich die Berufung des Beschwerdeführers auf die nicht mehr gelebte und als definitiv gescheitert anzusehende Ehe als rechtsmissbräuchlich, weshalb die Vorinstanz die Verweigerung der streitigen Aufenthaltsbewilligung zu Recht geschützt hat. Der angefochtene Entscheid erweist sich damit als bundesrechtskonform.
2.4 Ob allenfalls auch der Ausweisungsgrund von Art. 10 Abs. 1 lit. b ANAG der anbegehrten Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hätte entgegenstehen können (Art. 7 Abs. 1 Satz 3 ANAG), wie dies die Vorinstanz annimmt, bedarf bei diesem Ergebnis keiner näheren Betrachtung.
3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Entsprechend dem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsamt, dem Departement für Justiz und Sicherheit und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Dezember 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Moser