Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
5A_803/2009
Urteil vom 16. Dezember 2009
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichter von Werdt, Herrmann,
Gerichtsschreiber Zbinden.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Burges,
gegen
Y.________,
Psychiatriezentrum Z.________ Psychiatrische Rehabilitation,
Verfahrensbeteiligte.
Gegenstand
Fürsorgerische Freiheitsentziehung,
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 4. November 2009.
Erwägungen:
1.
Die seit Jahren an einer chronischen Schizophrenie leidende X.________ (geb. 1966), bei welcher überdies ein sich vergrössernder Unterleibstumor und immer wieder auftretende Phlegmone (eitrige Zellgewebsentzündungen) diagnostiziert worden sind, trat am 23. Juli 2009 wegen erneuten Auftretens von Fieber und zunehmender Phlegmone am linken Unterschenkel von der Psychiatrischen Klinik A.________ ins Spital B.________ ein. Am 7. August 2009 trat sie auf freiwilliger Basis wieder in die Psychiatrische Klinik A.________ über, wo die Beteiligten eine Behandlungsvereinbarung unterzeichneten. Am 28. August 2009 verweigerte X.________ die Fortsetzung dieser Behandlung und ersuchte um Entlassung aus der Klinik. Deren ärztliche Leitung ordnete gleichentags die Zurückbehaltung von X.________ gegen ihren Willen an. Mit Urteil vom 9. September 2009 wies der Einzelrichter für das Verfahren betreffend fürsorgerische Freiheitsentziehung des Bezirkes C.________ das Entlassungsgesuch von X.________ ab. Mit Beschluss vom 4. November 2009 wies das Obergericht des Kantons Zürich die dagegen erhobene Berufung ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
X.________, die nunmehr im Psychiatriezentrum Z.________ untergebracht ist, hat gegen den ihrem Rechtsbeistand am 10. November 2009 zugestellten obergerichtlichen Beschluss mit einer am 27. November 2009 der Post übergebenen Eingabe Beschwerde in Zivilsachen eingelegt. Sie ersucht zur Hauptsache um Entlassung aus der Anstalt; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung der Geeignetheit des Eingriffs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin lässt ausführen, Art. 397a Abs. 1 ZGB sei in das Vormundschaftsrecht eingebettet und betreffe die Freiheitsentziehung insbesondere wegen Selbstgefährdung aufgrund einer Geisteskrankheit. Mit Selbstgefährdung sei vorab die Suizidalität gemeint. Im vorliegenden Fall werde versucht, sie solange psychiatrisch zu behandeln, "bis dass sie sich den Tumor aus dem Bauch schneiden lässt.". Damit werde Art. 397a Abs. 1 ZGB verletzt.
2.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die fürsorgerische Freiheitsentziehung nicht auf Fälle von sogenannter Suizidalität beschränkt. Nach Art. 397a Abs. 1 ZGB darf eine mündige oder entmündigte Person wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB; siehe zu den Voraussetzungen insbesondere auch BGE 134 III 289 E. 4).
Nach dem vom Obergericht berücksichtigten Gutachten leidet die Beschwerdeführerin an einer chronisch-paranoiden Schizophrenie mit mutistischen und katatonen Zügen und damit an einer Geistesschwäche im Sinn von Art. 397a Abs. 1 ZGB. Ferner ist bei ihr ein grosser, sich weiter vergrössernder Unterleibstumor festgestellt worden, welcher zunehmend auf die für die Blutzirkulation in den Beinen zuständige Hauptschlagader drückt. Dadurch erwächst nach Ansicht der Gutachterin des Spitals B.________ die Gefahr einer Thrombose, die ihrerseits zu lebensgefährlichen Lungenembolien führen kann. Weiter besteht die Gefahr von Phlegmonen, wie sie bei der Beschwerdeführerin bereits am linken Bein festgestellt worden sind. Ohne Entfernung des Tumors ist nach Ansicht der Gutachterin mit einem erneuten Auftreten von Phlegmonen zu rechnen. Die Beschwerdeführerin bedarf einer täglichen Kontrolle und eines täglichen Verbandswechsels; sie verfügt über kein soziales Umfeld, das ihr die nötige persönliche Fürsorge angedeihen lassen könnte, und ist auch nicht gewillt, eine Betreuung durch die Spitex zuzulassen. Nach Ansicht der psychiatrischen Gutachterin ist die psychische Erkrankung Grund dafür, dass die Beschwerdeführerin ihre gesundheitliche Situation nicht abschätzen kann. Sie schätze, so die Gutachterin weiter, die Kausalität und den Verlauf der physischen Krankheit verkehrt ein, wobei die psychotische Erkrankung sie insbesondere nicht erkennen lasse, was sie brauche. Die Beschwerdeführerin habe die zur Behandlung der psychischen Erkrankung benötigten Medikamente nach Austritt aus der Klinik A.________ abgesetzt, und es bestehe keine Compliance die Medikamenteneinnahme betreffend. Werde die Beschwerdeführerin ohne Behandlung der psychischen Erkrankung aus der Anstalt entlassen, drohe ihr im schlimmsten Fall der Tod oder bestenfalls eine Notfall-Hospitalisation. Das Obergericht gelangt aufgrund der Feststellungen der Gutachten zum Schluss, die Voraussetzungen von Art. 397a Abs. 1 ZGB seien erfüllt.
Diese rechtliche Würdigung der von der Beschwerdeführerin nicht als willkürlich oder sonstwie gegen Bundesrecht (Art. 95 BGG) verstossend gerügten tatsächlichen Feststellungen (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.2 und 1.4.3 S. 255) hält vor Bundesrecht stand. Die an einer Geistesschwäche im Sinn von Art. 397a Abs. 1 ZGB leidende Beschwerdeführerin bedarf der persönlichen Fürsorge in Form der Behandlung dieser psychischen Erkrankung, die es ihr verunmöglicht, die Folgen einer Nichtbehandlung der Phlegmone bzw. des Tumors zu erkennen. Wird sie mit Bezug auf die psychische Erkrankung unbehandelt entlassen, droht ihr der Tod oder bestenfalls eine notfallmässige Hospitalisation. Ferner muss die Wundversorgung sichergestellt werden, die mangels Einsicht der Beschwerdeführerin nicht ambulant erfolgen kann. Ausser Betracht fällt sodann eine ambulante Behandlung der psychischen Erkrankung, zumal die Beschwerdeführerin die Einnahme von Medikamenten ablehnt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin geht es mit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung nicht darum, sie zu einer Operation des Tumors "hinzutherapieren", sondern vielmehr darum, einer durch die psychische Erkrankung begründeten Notsituation zu begegnen. Die tatsächlichen Umstände rechtfertigen eine fürsorgerische Freiheitsentziehung, weshalb dem Obergericht nicht vorgeworfen werden kann, es habe die Tragweite von Art. 397a Abs. 1 ZGB verkannt.
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin bestreitet ferner die Geeignetheit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung und erblickt darin eine Verletzung von Art. 5, 8 EMRK und Art. 10 Abs. 2 sowie Art. 36 BV . Zur Begründung macht sie geltend, ihr Tumor habe vom 10. August 2006 bis zum 28. August 2009 wachsen können und habe in dieser Zeit keine Behandlung erfahren. Ihre psychische Krankheit habe in diesem Zusammenhang keine grosse Rolle gespielt, andernfalls man sie schon längst hatte einsperren müssen. Das Obergericht habe die Geeignetheit der fürsorgerischen Freiheitsentziehung nicht abgeklärt, weshalb die Sache zu entsprechenden ergänzenden Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen sei.
3.2 Mit diesen Ausführungen setzt sich die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich mit dem angefochtenen Beschluss auseinander (Art. 42 Abs. 2 BGG), sondern klammert die vom Obergericht berücksichtigten tatsächlichen Feststellungen, namentlich mit Bezug auf die durch die psychische Krankheit begründete fehlende Krankheitseinsicht und auf die Folgen einer Nichtbehandlung der Phlegmone und des Tumors, einfach aus. Die Rüge erweist sich damit als grösstenteils unzulässig (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Obergericht hat die Voraussetzungen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung geprüft und diese zu Recht bejaht, weshalb sich weitere Abklärungen erübrigten. Zudem kann dem angefochtenen Beschluss auch entnommen werden, dass die Anstalt zur Durchführung der psychiatrischen Behandlung geeignet ist, zumal die dem Zentrum angegliederte Klinik für psychiatrische Rehabilitation eine längerfristige psychiatrische Behandlung mit rehabilitativem Schwerpunkt für psychisch Kranke bietet. Dass die erforderliche Wundbehandlung auch in dieser Anstalt erfolgen kann, versteht sich von selbst. Die Rüge erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann.
4.
Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin hat in einem sie besonders schwer treffenden Fall Beschwerde erhoben, weshalb es sich rechtfertigt, ihr keine Kosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
5.
Die Beschwerdeführerin ersucht um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. Die gegen den gut begründeten Beschluss erhobenen Rügen haben sich von Anfang an als nicht erfolgsversprechend erwiesen. Mangels Aussicht auf Erfolg der Beschwerde kann dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG), soweit dieses mit Bezug auf die Gerichtskosten des bundesgerichtlichen Verfahrens nicht gegenstandslos geworden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Dezember 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Hohl Zbinden