Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
9C_1000/2009
Urteil vom 6. Januar 2010
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Kernen, Seiler,
Gerichtsschreiber Ettlin.
Parteien
IV-Stelle des Kantons Zürich,
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,
gegen
S.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick M. Hoch,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 29. September 2009.
Sachverhalt:
A.
Die 1958 geborene, im Kanton Zürich wohnhafte, S.________ meldete sich am 12. April 2008 bei der IV-Stelle des Kantons Zürich zum Leistungsbezug an. Mit Schreiben vom 22. Mai 2009 ersuchte die IV-Stelle des Kantons Zürich die Ausgleichskasse des Kantons Tessin um Berechnung der Geldleistungen sowie Erstellen und Versenden der Verfügung gestützt auf den von der IV-Stelle Zürich erlassenen Beschluss (Invaliditätsgrad von 67 % mit Rentenbeginn ab 1. April 2007). Die IV-Stelle des Kantons Tessin verfügte am 9. Juli 2009 in ihrem eigenen Namen die Rentenleistungen.
B.
Das von der Versicherten bei der IV-Stelle des Kantons Tessin eingereichte Schreiben vom 16. Juli 2009 überwies diese an die IV-Stelle des Kantons Zürich, welche die Versicherte hienach aufforderte zu erklären, ob die Eingabe als Beschwerde an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich weiter zu leiten sei, worauf die Versicherte telefonisch ausrichten liess, das Schreiben sei als Beschwerde zu behandeln. Hierauf überwies die IV-Stelle des Kantons Zürich die Eingabe an das Sozialversicherungsgericht Zürich. Dieses trat mit Beschluss vom 29. September 2009 auf die Beschwerde wegen örtlicher Unzuständigkeit nicht ein, nachdem es zuvor die Versicherte aufgeforderte hatte, die Beschwerde zu verbessern. Das Gericht ordnete die Überweisung der Akten an das Tribunale cantonale delle assicurazioni in Lugano an und es sprach S.________ eine Parteientschädigung von Fr. 700.- zu Lasten der IV-Stelle des Kantons Zürich zu.
C.
Die IV-Stelle des Kantons Zürich führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit sie damit zur Zahlung einer Parteientschädigung von Fr. 700.- verhalten worden sei.
Erwägungen:
1.
1.1 Nach Art. 90 des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) ist die Beschwerde zulässig gegen Entscheide, die das Verfahren abschliessen. Gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit ist gemäss Art. 92 Abs. 1 BGG die Beschwerde ebenfalls zulässig. Gegen andere selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist laut Art. 93 Abs. 1 BGG die Beschwerde hingegen nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b).
1.2 Selbstständig eröffnete Zwischenentscheide, mit denen das angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejaht, sind nach Art. 92 BGG anfechtbar. Verneint hingegen das Gericht seine Zuständigkeit, erlässt es nicht einen Zwischenentscheid, sondern einen Nichteintretensentscheid, welcher einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG darstellt (BGE 135 V 153 E. 1.3 S. 156; BERNARD CORBOZ, in: Commentaire de la LTF, 2009, N. 10 zu Art. 92 BGG; HANSJÖRG SEILER, Rückweisungsentscheide in der neueren Sozialversicherungspraxis des Bundesgerichts, in: Schaffhauser/ Schlauri [Hrsg.], Sozialversicherungsrechtstagung 2008, 2009, S. 14; FELIX UHLMANN, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 7 zu Art. 92 BGG). Ob der Entscheid allenfalls als Zwischenentscheid zu qualifizieren ist, wenn - wie hier - das angerufene Gericht gemäss Art. 58 Abs. 3 ATSG die Sache zugleich an das seines Erachtens zuständige Gericht übermittelt (so für Fälle, in denen eine Übermittlungspflicht besteht, MERKLI/AESCHLIMANN/HERZOG, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N. 9 zu Art. 5 VRPG), oder ob auch in diesem Fall von einem Endentscheid auszugehen ist (so KÖLZ/BOSSHART/RÖHL, Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [VRG], 1999, N. 3 zu § 48 VRG), kann offen bleiben, da der Entscheid so oder anders selbständig anfechtbar ist (vgl. auch BGE 135 V 153 E. 1.3 S. 156), womit auch der damit ausgesprochene Kostenentscheid anfechtbar ist (vgl. hiezu BGE 133 V 645 E. 2.1 S. 647).
2.
Streitig und zu prüfen ist die vom kantonalen Gericht zugesprochene Parteientschädigung von Fr. 700.-, unangefochten blieb hingegen das Nichteintreten wegen örtlicher Unzuständigkeit.
2.1 Die Vorinstanz hat die Kostenauflage an die IV-Stelle mit kantonalem Recht begründet, dessen Anwendung vom Bundesgericht nur auf Bundesrechtsverletzung hin überprüft wird (Art. 95 lit. a BGG), wobei als Beschwerdegrund eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts in Betracht fällt, welcher dem qualifizierten Rügeprinzip untersteht (Art. 106 Abs. 2 BGG; Urteil 8C_558/2009 vom 30. November 2009, E. 2.3; Urteil 9C_688/2009 vom 19. November 2009, E. 3.1.2). Als Frage des Bundesrechts ist demgegenüber von Amtes wegen zu prüfen, ob die Vorinstanz sich mit Recht auf eine kantonalrechtliche Grundlage und nicht auf eine bundesrechtliche gestützt hat (BGE 110 II 54 E. 1a S. 56; CORBOZ, a.a.O., N. 18 zu Art. 106 BGG).
2.2 Das Verfahren vor den kantonalen Versicherungsgerichten richtet sich in den Schranken von Art. 61 ATSG nach kantonalem Recht (Urteil 9C_480/2009 vom 21. August 2009, E. 2.2). Gemäss § 34 Abs. 1 des zürcherischen Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993 (GSVG; LS 212.81) verpflichtet das Gericht die unterliegende Partei zum Ersatz der Parteikosten, wenn die obsiegende Partei einen entsprechenden Antrag stellt oder dies von andern Gesetzen so vorgesehen ist. Von Bundesrechts wegen gibt Art. 61 lit. g ATSG der obsiegenden Beschwerde führenden Partei Anspruch auf Parteientschädigung. Im Rahmen von Art. 61 lit. g ATSG gilt aber - wie vorher bereits unter der Herrschaft von Art. 85 Abs. 2 lit. f AHVG und analoger Vorschriften - das Verursacherprinzip (Urteil C 56/03 vom 20. August 2003, E. 3.1), das auch eine Parteientschädigung zu Lasten der obsiegenden Behörde begründen kann (Urteil U 150/02 vom 11. November 2002, E. 1.2).
3.
3.1 Die IV-Stelle rügt, das kantonale Gericht habe in der Sache keinen Endentscheid gefällt, sondern nur seine örtliche Unzuständigkeit festgestellt. Es gehe nicht an, dass bereits vor Abschluss des Verfahrens eine Parteientschädigung zugesprochen werde. Weil das Tribunale cantonale delle assicurazioni ebenfalls eine Parteientschädigung gewähren könne und für die Bemessung sämtliche Eingaben berücksichtigen werde, bestehe als Folge der hier streitigen Parteientschädigung die Gefahr der zweifachen Entschädigung des gleichen Aufwands. Ohnehin hätte die Weiterleitung der Sache an das nach Ansicht der Vorinstanz zuständige Gericht einen Schriftenwechsel überflüssig gemacht. Die IV-Stelle weist auf eine frühere Praxis des kantonalen Gerichts hin, welche von der Auferlegung von Kosten und Entschädigung abgesehen habe. Der Schriftenwechsel zur Frage der örtlichen Zuständigkeit sei sodann mit dem Grundsatz eines einfachen und raschen Verfahrens nicht zu vereinbaren und überspitzt formalistisch; zumal sowohl die IV-Stelle wie auch das Sozialversicherungsgericht verpflichtet seien, an sie als unzuständige Behörde gelangte Eingaben unverzüglich der zuständigen Stelle weiter zu leiten (Art. 30 ATSG).
3.2 Die Beschwerdeführerin hat die ihr von der IV-Stelle des Kantons Tessin überwiesene Beschwerde an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und nicht an das Tribunale cantonale delle assicurazioni weitergeleitet. Nachdem sie den Nichteintretensentscheid der Vorinstanz als solchen nicht angefochten hat, anerkennt sie nunmehr offenbar die Zuständigkeit des Tessiner Gerichts. Sie hat durch die Zustellung der Beschwerde an die Vorinstanz einen Zusatzaufwand der damaligen Beschwerdeführerin verursacht, mindestens indem diese vor kantonalem Gericht noch eine Stellungnahme zur örtlichen Zuständigkeit verfassen musste. Im Lichte des Verursacherprinzips ist demzufolge die Zusprechung einer Parteientschädigung bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wobei es nicht schadet, dass mit dem prozessrechtlichen Nichteintretensentscheid keine Partei obsiegt hat, kann doch das Verursacherprinzip selbst in Fällen materiellen Unterliegens einen Anspruch auf Entschädigung begründen (erwähntes Urteil U 150/02). Bei der Bemessung der Entschädigung hat das kantonale Gericht dem Umstand, dass es nur um die Eintretensfrage ging und der materielle Teil der Arbeit des Anwalts auch bei Zuständigkeit des Tribunale cantonale delle assicurazioni angefallen wäre, zumindest im Ergebnis richtigerweise Rechnung getragen (vgl. Urteil U 349/03 vom 11. März 2004, E. 5 und 6), indem es eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 700.- zugesprochen hat. Sollte auch das Tessiner Gericht der Versicherten eine Parteientschädigung zuerkennen, ist in Anwendung von Art. 61 lit. g ATSG bereits entgoltener Aufwand ausser Acht zu lassen (zit. Urteil U 349/03, E. 5.2), was eine doppelte Entschädigung ausschliesst. Zudem kann das Gericht vor dem endgültigen Kostenentscheid den Rechtsvertreter zur Spezifizierung des Aufwandes verhalten.
3.3 Das in Art. 61 lit. a ATSG statuierte Beschleunigungsgebot schliesst den von der Vorinstanz angeordneten Schriftenwechsel nicht aus. Dieses gilt im Rahmen des gesetzlichen Rechtspflegeverfahrens, welches der Gegenpartei Gelegenheit zur Stellungnahme einräumt (§ 19 Abs. 1 GSVG) und die Anordnung eines Schriftenwechsels vorsieht (§ 19 Abs. 3 GSVG). Einen Schriftenwechsel durchzuführen lag folglich im Ermessen des Gerichts, dessen Ausübung die IV-Stelle nicht als rechtsfehlerhaft rügt (Urteil 9C_911/2007 vom 23. Juni 2008, E. 2.3), sondern nur eine in früheren Fällen ohne Schriftenwechsel erfolgte Überweisung an das zuständige Gericht erwähnt. Daraus schliesst sie sodann auf eine rechtsungleiche Behandlung. Das unterschiedliche Vorgehen ist Ausfluss des Ermessens in der Verfahrensleitung (Grundsatz des Amtsbetriebes) und weist für sich allein nicht dessen fehlerhafte Ausübung nach. Zudem verstiess die Vorinstanz mit der zulässigen Ermessensbetätigung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz (vgl. Urteil 1C_232/2008 vom 16. September 2008, E. 5.3 i.f.). Namentlich begründet die IV-Stelle nicht, weshalb jeder Fall des Nichteintretens wegen örtlicher Unzuständigkeit prozessual zwingend gleich behandelt werden müsste (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auch insofern ist die nach Massgabe des Verursacherprinzips zugesprochene Parteientschädigung nicht zu beanstanden, was ebenfalls mit Bezug auf Art. 30 ATSG gilt, gemäss welcher Bestimmung die mit der Durchführung der Sozialversicherung betrauten Stellen, versehentlich an sie gelangte Eingabe an die zuständige Stelle weiter zu leiten haben. Die Beschwerdeführerin war somit vor der Überweisung gehalten, die Frage nach dem zuständigen Gericht vorab selbst zu prüfen. Unter diesen Umständen liegt keine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts vor (§ 34 Abs. 1 GSVG), soweit dieses überhaupt anwendbar ist (vgl. E. 2.2 hievor).
4.
Die Beschwerdeführerin als unterliegende Partei hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 6. Januar 2010
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Ettlin