Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_430/2009
Urteil vom 14. Januar 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiber Moser.
Verfahrensbeteiligte
X.________ und Y.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Steueramt des Kantons Solothurn.
Gegenstand
Nachsteuern Staats- und Bundessteuer 2006; Steuerhinterziehung Staats- und Bundessteuer 2006,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 20. April 2009.
Sachverhalt:
A.
Mit Schreiben vom 10. November 2008 (Postaufgabe am 12. November 2008) erhoben X.________ und Y.________ beim Steueramt des Kantons Solothurn Einsprache gegen die am 7. Oktober 2008 erlassenen Nachsteuerveranlagungen und Bussenverfügungen für die Staats- und Bundessteuern 2006.
Mit Entscheid vom 23. Januar 2009 trat das Steueramt auf die Einsprache nicht ein mit der Begründung, die Einsprachefrist sei nicht eingehalten worden und ein rechtsgenüglicher Hinderungsgrund für das Versäumnis liege nicht vor.
B.
Mit Urteil vom 20. April 2009 wies das Kantonale Steuergericht Solothurn eine von X.________ und Y.________ gegen diesen Nichteintretensentscheid gerichtete Beschwerde ab.
C.
Mit Eingabe vom 18. Juni 2009 erheben X.________ und Y.________ beim Bundesgericht Beschwerde mit den Anträgen, das Urteil des Steuergerichts aufzuheben und die Steuerbehörden anzuweisen, auf die Einsprache vom 10. November 2008 einzutreten. Im Weiteren wird um unentgeltliche Rechtspflege ersucht.
D.
Das Steueramt des Kantons Solothurn und die Eidgenössische Steuerverwaltung (bezüglich Nachsteuern Bundessteuer 2006) schliessen auf Abweisung der Beschwerde, das Kantonale Steuergericht Solothurn auf Abweisung, soweit darauf einzutreten ist.
Erwägungen:
1.
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG fällt und daher mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ; siehe auch Art. 146 DBG bzw. Art. 73 StHG). Die Beschwerdeführer sind gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1 Die Beschwerdeführer machen im Wesentlichen geltend, ihre Einsprache beim kantonalen Steueramt rechtzeitig erhoben zu haben, weshalb die Vorinstanz dessen Nichteintretensentscheid zu Unrecht geschützt habe. Streitig ist dabei einzig, wann die Veranlagungs- und Bussenverfügungen den Beschwerdeführern rechtsgültig und damit fristauslösend eröffnet wurden.
2.2 Dem Steuerpflichtigen werden Verfügungen und Entscheide betreffend die direkte Bundessteuer schriftlich eröffnet, und sie müssen eine Rechtsmittelbelehrung enthalten (Art. 116 Abs. 1 DBG). Gegen Veranlagungsverfügungen - Gleiches gilt für Verfügungen im Nachsteuer- und Steuerstrafverfahren (vgl. Art. 153 Abs. 3 bzw. Art. 182 Abs. 3 DBG) - kann der Steuerpflichtige innert 30 Tagen nach Zustellung bei der Veranlagungsbehörde schriftlich Einsprache erheben (Art. 132 Abs. 1 DBG). Die Frist beginnt mit dem auf die Eröffnung folgenden Tage. Sie gilt als eingehalten, wenn die Einsprache am letzten Tag der Frist bei der Veranlagungsbehörde eingelangt ist, der Schweizerischen Post oder einer schweizerischen diplomatischen oder konsularischen Vertretung im Ausland übergeben wurde. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag oder staatlich anerkannten Feiertag, so läuft die Frist am nächstfolgenden Werktag ab (Art. 133 Abs. 1 DBG).
2.3 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid und den Ausführungen in der Vernehmlassung des Steueramts an das Bundesgericht wurden die Nachsteuerveranlagungen und Bussenverfügungen vom 7. Oktober 2008 vom Steueramt zusammen in einer Sendung an die Beschwerdeführer verschickt und diesen in ihr Postfach zugestellt. Der Versand erfolgte durch die Schweizerische Post (Postaufgabe am 8. Oktober 2008) als so genannte "A-Post Plus". Bei dieser Versandmethode werden Briefe konventionell in uneingeschriebener Form (A-Post) befördert, d.h. die Zustellung erfolgt direkt in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten, ohne dass dieser den Empfang unterschriftlich bestätigen müsste; entsprechend wird der Adressat im Falle seiner Abwesenheit auch nicht durch Hinterlegung einer Abholungseinladung avisiert. Im Unterschied zu herkömmlichen Postsendungen sind "A-Post Plus"-Sendungen jedoch mit einer Nummer versehen, was die elektronische Sendungsverfolgung im Internet ("Track & Trace") ermöglicht. Daraus ist u.a. ersichtlich, wann dem Empfänger die Sendung durch die Post zugestellt wurde.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil, welche sich auf die betreffenden Nachweise des Steueramts stützen, wurde die Sendung mit den streitigen Verfügungen am 10. Oktober 2008 in das Postfach der Beschwerdeführer gelegt bzw. an diesem Datum von diesen bei der Poststelle abgeholt. Die Beschwerdeführer bestreiten nicht, dass ihnen die erwähnten Dokumente am Freitag, 10. Oktober 2008, ins Postfach gelegt worden sind, doch bringen sie vor, diese erst in der folgenden Woche, d.h. frühestens am Montag, 13. Oktober 2008, abgeholt zu haben; die Auffassung des Steuergerichts, wonach sie die Verfügung bereits am 10. Oktober 2008 abgeholt hätten, beruhe auf einer offensichtlich falschen Würdigung der elektronischen Sendeinformation der Post. Tatsächlich führt der betreffende "Track & Trace"-Ausdruck unter dem Datum des 10. Oktobers 2008 den Ereigniseintrag "06:53 Abgeholt in 4501 Solothurn 1 Fächer" auf. Der Einwand der Beschwerdeführer, wonach damit lediglich das Einlegen der Sendung in das Postfach gemeint sein könne, erscheint nicht unplausibel: Bei der Versandmethode "A-Post Plus" ist nach dem vorstehend Ausgeführten die Entgegennahme einer Sendung durch den Empfänger (im Unterschied zu eingeschriebenen Sendungen) nicht zu quittieren, sondern die Zustellung erfolgt direkt durch Einlegen in den Briefkasten oder ins Postfach. Entsprechend kann ein "Track & Trace"-Auszug in diesem Zusammenhang grundsätzlich auch nur über den Zeitpunkt dieses letzteren Ereignisses Aufschluss geben, wogegen das Leeren eines Postfachs durch den Empfänger von der Post üblicherweise nicht registriert wird. Wie es sich damit im Einzelnen verhält, kann indessen offenbleiben und bedarf auch keiner ergänzenden Abklärung bei der Schweizerischen Post, wenn sich ergibt, dass bereits das Einlegen einer Sendung in das Postfach des Empfängers, welches nach unbestrittener Darstellung vorliegend am 10. Oktober 2008 erfolgt ist, als (einsprache-)fristauslösende Zustellung anzusehen ist.
2.4 Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer schreibt den Steuerbehörden für die Eröffnung von Verfügungen keine bestimmte Zustellform vor. Zulässig ist namentlich auch der Versand über herkömmliche (A- oder B-)Post; eine Zustellung auf dem Weg der eingeschriebenen Sendung ist nicht zwingend erforderlich (vgl. RICHNER/ FREI/KAUFMANN/MEUTER, Handkommentar zum DBG, 2. Aufl., Zürich 2009, N. 28 f. zu Art. 116; MARTIN ZWEIFEL, in: Zweifel/Athanas [Hrsg.], Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2b, Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer [DBG], 2. Aufl., Basel 2008, N. 18 zu Art. 116). Nichts anderes ergibt sich vorliegend aus dem kantonalen Recht (vgl. §§ 136 f. sowie § § 148 und 149 Abs. 2 des Gesetzes vom 1. Dezember 1985 über die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Solothurn [im Folgenden: StG/SO] ). Wird für die Eröffnung einer Verfügung eine Zustellform gewählt, bei welcher der Eingang beim Adressaten nicht genau nachweisbar ist, obliegt es der Behörde, den Beweis dafür zu erbringen, dass und an welchem Tag ihr Entscheid dem Steuerpflichtigen zugestellt worden ist (vgl. BGE 122 I 97 E. 3 S. 98 ff.; 114 III 51 E. 3c und 4 S. 53 ff.). Da ein Fehler bei der Postzustellung nicht ausserhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt, genügt die Bescheinigung des Versandes allein noch nicht, um das genaue Datum oder den genauen Zeitraum der Zustellung zu beweisen. Im Zweifel muss vielmehr auf die Darstellung des Empfängers abgestellt werden. Der Nachweis der Zustellung kann aber auch aufgrund von Indizien oder gestützt auf die gesamten Umstände erbracht werden (vgl. betreffend einen Nach- und Strafsteuerentscheid das Urteil 2A.293/2001 vom 21. Mai 2002, E. 2b; ferner: Urteil 2P.54/2000 vom 5. Juli 2000, in: StE 2001 B 93.6 Nr. 22, E. 2b und 2c; vgl. auch BGE 105 III 43 E. 3 S. 46).
Nach den allgemeinen Grundsätzen gilt eine eingeschriebene Sendung, soweit der Adressat bei einer versuchten Zustellung nicht angetroffen und daher eine Abholungseinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt wird, in jenem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem sie auf der Post abgeholt wird; geschieht dies nicht innert der Abholfrist, welche sieben Tage beträgt, so gilt die Sendung (fiktiv) als am letzten Tag dieser Frist zugestellt, sofern der Adressat mit der Zustellung hatte rechnen müssen (BGE 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; 127 I 31 E. 2a/aa S. 34; vgl. auch BGE 134 V 49 E. 4 S. 51 f.). Bei uneingeschriebener Briefpost erfolgt die Zustellung einer Sendung demgegenüber bereits dadurch, dass sie in den Briefkasten oder ins Postfach des Adressaten eingelegt wird und damit in den Verfügungsbereich des Empfängers gelangt. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Zustellung einer Sendung nämlich nicht erforderlich, dass der Adressat sie tatsächlich in Empfang nimmt; es genügt, wenn sie in seinen Machtbereich gelangt und er demzufolge von ihr Kenntnis nehmen kann (BGE 122 I 139 E. 1 S. 143; 115 Ia 12 E. 3b S. 17; 113 Ib 296 E. 2a S. 297 f.). Dies hat zur Konsequenz, dass Fristen bereits im Zeitpunkt der ordnungsgemässen Zustellung und nicht erst bei tatsächlicher Kenntnisnahme durch den Adressaten zu laufen beginnen (vgl. RHINOW/KRÄHENMANN, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Ergänzungsband, Nr. 84 I a; KÖLZ/HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 341).
2.5 Wie das Steuergericht und das Steueramt unter Beizug des massgeblichen "Track & Trace"-Auszugs darlegten und von den Beschwerdeführern insofern auch nicht bestritten wird, wurden die Veranlagungs- und Bussenverfügungen von der Post am 10. Oktober 2008 ins Postfach gelegt, womit sie nach dem Gesagten an diesem Datum ordnungsgemäss eröffnet wurden. Dass die Zustellung ins Postfach zu einer Zeit erfolgte, zu der ein Entleeren des Fachs (beispielsweise aufgrund einer zeitlichen Beschränkung des Zugangs zur Postfachanlage) nicht mehr (gleichentags) möglich gewesen wäre, wird von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Auch berufen sie sich nicht auf eine anderslautende Vereinbarung mit der Post, zufolge welcher Sendungen nicht in ihr Postfach hätten zugestellt werden sollen. Insofern vermag es am für den Beginn des Fristenlaufes massgeblichen Zeitpunkt nichts zu ändern, wenn die Beschwerdeführer ihr Postfach erst in der Folgewoche geleert haben und demzufolge erst dann Kenntnis von den erwähnten Verfügungen erlangten. Entsprechend ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz zum Ergebnis kommt, die 30-tägige Einsprachefrist von Art. 132 Abs. 1 DBG bzw. § 149 Abs. 2 StG/SO habe am 11. Oktober zu laufen begonnen und am 10. November 2008 geendet, womit die am 12. November 2008 der Post übergebene Eingabe der Beschwerdeführer verspätet war und das Steueramt zu Recht nicht darauf eingetreten ist.
2.6 Weitere Rügen, namentlich solche in Zusammenhang mit dem (nicht anerkannten) Vorliegen eines Hinderungsgrundes im Sinne der Fristwiederherstellungsregelung von Art. 133 Abs. 3 DBG bzw. § 137 Abs. 2 StG/SO, werden nicht vorgebracht.
3.
Damit ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführer haben für das bundesgerichtliche Verfahren um unentgeltliche Rechtspflege ersucht. Aufgrund der dargestellten, schon im angefochtenen Urteil zutreffend wiedergegebenen Rechtslage besass das vorliegende Rechtsmittel keine ernsthaften Erfolgsaussichten; das Gesuch ist demzufolge abzuweisen (Art. 64 BGG).
Entsprechend dem Ausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftung aufzuerlegen ( Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG ), wobei ihrer finanziellen Lage bei der Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen ist (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG). Auf die Zusprechung einer Parteientschädigung besteht kein Anspruch (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt, unter solidarischer Haftung.
4.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Steueramt des Kantons Solothurn, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. Januar 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Moser