BGer 5A_717/2009
 
BGer 5A_717/2009 vom 02.02.2010
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
5A_717/2009
Urteil vom 2. Februar 2010
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter L. Meyer,
Gerichtsschreiberin Gut Kägi.
Parteien
X.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Kessler,
Beschwerdeführer,
gegen
Y.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno Gebistorf,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Kompetenzen des Erbschaftsverwalters (Ausweisung),
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer, vom 14. September 2009.
Sachverhalt:
A.
A.a Y.________ bewohnt eine 4½-Zimmer-Wohnung an der A.________strasse auf dem Grundstück Nr. ________/GB________, welches im Alleineigentum des am 20. Februar 2008 verstorbenen AY.________ stand. Die Erbfolge ist strittig. Zwischen der überlebenden Ehegattin des Erblassers, BY.________, dem von ihm eingesetzten Alleinerben und Adoptivsohn, CY.________, und der Adoptivtochter, Y.________, ist am Amtsgericht Luzern-Land ein Erbteilungsprozess hängig. Das Teilungsamt B.________ setzte X.________ am 2. Juli 2008 als Erbschaftsverwalter ein.
A.b Am 15. Mai 2009 stellte X.________ beim Amtsgerichtspräsidenten III von Luzern-Land das Gesuch um Ausweisung von Y.________ aus der betreffenden Wohnung.
Mit Entscheid vom 22. Juli 2009 wurde das Gesuch gutgeheissen und Y.________ verpflichtet, innert zehn Tagen seit Rechtskraft des Entscheids die Wohnung ordnungsgemäss zu räumen und unter Rückgabe sämtlicher Schlüssel zu verlassen.
A.c Gegen diesen Entscheid reichte Y.________ beim Obergericht des Kantons Luzern Rekurs ein und beantragte dessen vollumfängliche Aufhebung. Auf das Ausweisungsbegehren von X.________ sei nicht einzutreten. Eventuell sei es vollumfänglich abzuweisen.
Mit Entscheid vom 14. September 2009 hiess das Obergericht den Rekurs gut und hob den angefochtenen erstinstanzlichen Entscheid auf.
B.
X.________ (fortan: Beschwerdeführer) ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Oktober 2009 an das Bundesgericht gelangt. Er verlangt in Aufhebung des obergerichtlichen Entscheids insbesondere die Ausweisung von Y.________ (fortan: Beschwerdegegnerin) aus der 4½-Zimmer-Wohnung an der A.________strasse in B.________.
Es sind keine Antworten eingeholt worden.
Erwägungen:
1.
Beschwerdegegenstand ist nicht die Rechtmässigkeit der Ausweisung aus der Nachlassliegenschaft, sondern die Frage, ob es sich bei dieser Anordnung um eine sichernde oder sonstige zur ordentlichen Verwaltung der Erbschaft gehörende Massnahme handelt, zu der der Erbschaftsverwalter im Grundsatz zuständig ist (vgl. Urteil 5P.69/1995 vom 13. Juli 1995 E. 4). Bei dieser Frage handelt es sich um eine Zivilsache im Sinn von Art. 72 Abs. 1 BGG. Der Streitwert bemisst sich - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht nach Mietrecht, da es vorliegend um rein erbrechtliche Befugnisse geht. Ob die Streitwertgrenze von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) erfüllt wird, kann indes offen bleiben, da auf die Beschwerde aus anderen Gründen nicht einzutreten ist. Folglich erübrigt sich auch die Frage, ob bei Nichterreichen der Streitwertgrenze die Beschwerde dennoch wegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zulässig wäre (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).
2.
Die Umschreibung des Aufgabenkreises des Erbschaftsverwalters gehört - wie die Bestellung des Erbschaftsverwalters selbst - zu den vorsorglichen Massnahmen im Sinne von Art. 98 BGG (vgl. zur Anordnung der Erbschaftsverwaltung: Urteil 5A_257/2009 vom 26. Oktober 2009 E. 1.4). In der Sache könnte indessen ebenso wenig von einem auf Dauer angelegten Entscheid gesprochen werden, zumal allfällige Rechte der Beschwerdegegnerin an der Nachlassliegenschaft erst nach Abschluss des Erbteilungsprozesses endgültig feststehen; auch insoweit liegt eine bloss vorsorgliche Massnahme im Sinne von Art. 98 BGG vor (vgl. Urteil 5A_574/2007 vom 11. März 2008 E. 1.2).
Damit kann vorliegend einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden, weshalb die Art. 95 und 97 BGG und auch Art. 105 Abs. 2 BGG nicht zur Anwendung gelangen (BGE 133 III 393 E. 5 und 7.1 S. 396 ff. und 585 E. 3.3 und 4.1 S. 587 ff.). Die hier gegebenen Verhältnisse entsprechen denjenigen der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG; BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588 f.). Der Beschwerdeführer muss angeben, welches verfassungsmässige Recht verletzt wurde und substanziiert darlegen, worin die Verletzung besteht (vgl. der zu Art. 90 OG ergangene BGE 130 I 26 E. 2.1 S. 31). Das Bundesgericht kann die Verletzung eines Grundrechts nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzis vorgebracht und detailliert begründet worden ist. (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 444). Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es nicht aus, die Rechtslage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.).
3.
3.1 Einleitend macht der Beschwerdeführer seitenlange Ausführungen zur Streitwertberechnung und zur Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Auf diese Ausführungen ist nicht näher einzugehen (E. 1).
3.2 Weiter erfolgt eine Wiederholung des Sachverhaltes und des kantonalen Verfahrensablaufes, wobei der Beschwerdeführer die Geschehnisse weitgehend aus seiner Sichtweise schildert. Die Ausführungen lassen indes weder eine Rüge am festgestellten Sachverhalt noch konkrete Rechtsverletzungen erkennen.
3.3 Schliesslich wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, es habe die Erbenstellung der Beschwerdegegnerin falsch beurteilt und dabei den Willen des Erblassers nicht berücksichtigt. Die Beschwerdegegnerin habe als altrechtliche Adoptivtochter nicht die Stellung einer pflichtteilsgeschützten Erbin und sei durch eine anderweitige testamentarische Anordnung vom Nachlass ihres Adoptivvaters ausgeschlossen worden. Hinzu komme, dass ihre Erbenstellung zusätzlich durch eine ausdrückliche testamentarische Enterbung entfalle. In diesem Zusammenhang rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 478 ZGB und 554 ZGB sowie von Art. 2 ZGB.
Die Verletzung dieser drei Gesetzesbestimmungen kann mit der Beschwerde gegen einen Entscheid über vorsorgliche Massnahmen nicht gerügt werden (E. 2). Weitere Rügen fehlen. Der Beschwerdeführer führt weder aus, inwiefern das Obergericht mit seinen Erwägungen zur Erbenstellung der Beschwerdegegnerin verfassungsmässige Rechte verletzt haben sollte noch wie es damit gegen das Willkürverbot verstossen hätte. Insbesondere geht aus seiner Begründung nicht hervor, inwiefern die obergerichtlichen Feststellungen betreffend den erblasserischen Willen oder die Erbenstellung im Ergebnis zu einem willkürlichen Entscheid über die Befugnisse des Erbschaftsverwalters geführt haben sollten. Auf die entsprechenden Vorbringen kann deshalb nicht eingetreten werden.
4.
Entscheidend in der Sache ist vorliegend die Frage, ob der Beschwerdeführer mit der Ausweisung der Beschwerdegegnerin aus der 4½-Zimmer-Wohnung an der A.________strasse in B.________ seinen Kompetenzbereich als Erbschaftsverwalter in unhaltbarer Weise überschritten hat.
4.1 Das Gesetz umschreibt den Aufgabenkreis des amtlichen Erbschaftsverwalters im Sinn von Art. 554 ZGB nicht. Jedoch ergibt sich sowohl aus der systematischen Einordnung dieses Instituts unter die "Sicherungsmassregeln" als auch aus der Natur der gesetzlich vorgesehenen Anwendungsfälle, dass dem Erbschaftsverwalter in der Regel bloss eine auf Erhaltung und Verwaltung gerichtete Tätigkeit zukommt. Die Erbschaftsverwaltung ist damit konservatorischer Natur (BGE 95 I 392 E. 2 S. 394 f.; 54 II 197 E. 1 S. 200; 47 II 38 E. 4 S. 41 f.; Urteil 5P.322/2004 vom 6. April 2005 E. 3.2).
4.2 Das Obergericht erachtet die Ausweisung unter den gegebenen Umständen nicht als eine im Rahmen der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse eines Erbschaftsverwalters liegende Handlung. Zur Begründung führt es aus, der Beschwerdeführer behaupte keine Gefährdung des Nachlasses durch Entwertung oder Verlust, sondern bringe dazu nur allgemeine Ausführungen vor. Weiter würde die Ausweisung vorliegend auch nicht der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands dienen, da sich die Beschwerdegegnerin den Besitz an der 4½-Zimmer-Wohnung gerade nicht eigenmächtig oder gegen den Willen des Erblassers verschafft habe. Der Erbschaftsverwalter habe lediglich für die optimale Überbrückung des Interregnums zu sorgen. Bei Aufrechterhaltung des aktuellen Zustandes bis zur Teilung des Nachlasses entstehe aber vorliegend kein wirtschaftlicher Schaden.
4.3 Der Beschwerdeführer beschreibt seitenlang die Kompetenzen, die seiner Ansicht nach einem Erbschaftsverwalter zukommen. Dazu gehöre klarerweise die von ihm beantragte Ausweisung aus der Wohnung. Ordnungsgemässe Verwaltung bzw. ordnungsgemässe Wirtschaft könne sicher nicht bedeuten, jemanden jahrelang unentgeltlich in einer zum Nachlass gehörenden Wohnung wohnen zu lassen.
4.4 Der Beschwerdeführer verkennt die zulässigen Beschwerdegründe der vorliegenden Streitsache. Wie bereits ausgeführt, kann gegen den Massnahmeentscheid nur die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (E. 2). Eine solche Rüge findet sich in der Beschwerde jedoch nicht. Auch wird nicht geltend gemacht, das Obergericht habe die Kompetenzen des Erbschaftsverwalters willkürlich umschrieben oder festgestellt. Mangels rechtsgenüglicher Rüge erübrigt sich eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Aufgabenbereich des Erbschaftsverwalters, weshalb vorliegend offen bleiben kann, ob die beantragte Ausweisung der Beschwerdegegnerin aus der 4½-Zimmer-Wohnung an der A.________strasse in B.________ mit seinen Befugnissen zu vereinbaren war. Immerhin kann auch ohne entsprechende Rüge des Beschwerdeführers festgehalten werden, dass der Entscheid des Obergerichts angesichts der Umschreibungen der Kompetenzen des Erbschaftsverwalters in der Rechtsprechung und Lehre vertretbar und somit keinesfalls willkürlich ist.
5.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. Februar 2010
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Die Gerichtsschreiberin:
Hohl Gut Kägi