Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_336/2009
Urteil vom 23. Februar 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Zünd, Donzallaz,
Gerichtsschreiber Küng.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Martin Imthurn,
gegen
Steueramt des Kantons Solothurn, 4509 Solothurn.
Gegenstand
Grundstückgewinnsteuer 2002,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 23. März 2009.
Sachverhalt:
A.
X.________ erwarb am 23. September 2002 gemeinsam mit vier weiteren Personen von der Bank A.________ sämtliche 430 Aktien der Immobiliengesellschaft I.________ AG; diese ist Eigentümerin mehrerer Liegenschaften in Olten. Von seinem Anteil von insgesamt 65 Namenaktien verkaufte X.________ am 29. November 2002 22 Aktien der B.________ AG.
Die Veranlagungsbehörde Olten-Gösgen erhielt davon im Dezember 2007 Kenntnis. Mit definitiver Veranlagung vom 19. Dezember 2007 auferlegte sie X.________ für den "Verkauf von 15 % der Beteiligungsrechte an der Immobiliengesellschaft I.________" eine Grundstückgewinnsteuer von Fr. 181'782.-- (einfache Steuer Fr. 75'742.--); als Käuferin wird die Bank A.________ angeführt.
Die Veranlagungsbehörde ging dabei irrtümlicherweise davon aus, dass X.________ am 23. September 2002 seinen ganzen Aktienanteil von 65 Aktien - entsprechend 15 % der gesamten Aktien - an die Bank A.________ verkauft habe. Verkauft hatte dieser jedoch nur 22 Aktien, und zwar am 29. November 2002 an die B.________ AG.
Mit Einsprache vom 25. Januar 2008 machte X.________ geltend, es sei anzunehmen, dass wohl der Weiterverkauf der 22 Aktien vom 29. November 2002 hätte erfasst werden sollen, weshalb die Grundstückgewinnsteuer auf Fr. 50'285.-- herabzusetzen sei. Die Veranlagungsbehörde trat auf die Einsprache nicht ein, da diese verspätet sei. Nach einem erfolglosen und einem inzwischen zurückgezogenen Wiedererwägungsgesuch erhob X.________ - ebenfalls ohne Erfolg - Rekurs beim Kantonalen Steuergericht Solothurn.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, die Nichtigkeit der Veranlagungsverfügung festzustellen und das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 23. März 2009 aufzuheben.
Das Kantonale Steuergericht Solothurn beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid wollte die kantonale Steuerbehörde den am 29. November 2002 vom Beschwerdeführer vorgenommenen Verkauf der 22 Namenaktien der Immobiliengesellschaft an die B.________ AG besteuern.
1.2 Rechtsgeschäfte, die in Bezug auf die Verfügungsgewalt über ein Grundstück wirtschaftlich wie eine Veräusserung wirken, d.h. mit denen die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über ein Grundstück übergeht, insbesondere auch die Übertragung von Beteiligungsrechten an Immobiliengesellschaften, unterliegen grundsätzlich der kantonalen Grundstückgewinnsteuer; steuerpflichtig ist der Veräusserer; entsprechende Handänderungen sind sowohl vom Veräusserer als auch vom Erwerber innert 30 Tagen dem Kantonalen Steueramt anzuzeigen (§§ 48, 49 Abs. 2 lit. a, 206 Abs. 1 lit d und 213 des solothurnischen Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern vom 1. Dezember 1985 [StG/SO] in Verbindung mit § 29 der Vollzugsverordnung dazu vom 28. Januar 1986).
Der Beschwerdeführer beantragte mit seiner Einsprache, den steuerbaren Grundstückgewinn auf Fr. 218'939.-- festzusetzen; er hat damit grundsätzlich die Grundstückgewinnsteuerpflicht für den Verkauf der 22 Aktien anerkannt. In der vorliegenden Beschwerde scheint er dies in Frage zu stellen (Beschwerde S. 10 Ziff. 22), was aber offen bleiben kann.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt zunächst, die Vorinstanz habe die allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Nichtigkeit von Verfügungen verletzt.
2.2 Die in Frage stehende Veranlagungsverfügung weist mehrere Mängel auf:
a) Beim von der Veranlagungsbehörde angeführten Aktiengeschäft vom 23. September 2002 war die Bank A.________ Verkäuferin und nicht Käuferin; Käufer war der Beschwerdeführer.
b) Das von der Veranlagungsbehörde ins Auge gefasste Ereignis ist unbestrittenermassen der Verkauf von 22 (entsprechend 5 % aller 430 Aktien bzw. der Beteiligungsrechte) - und nicht aller vom Beschwerdeführer zuvor gekauften 65 (entsprechend ca. 15 % aller Titel) - Aktien der Immobiliengesellschaft an die B.________ AG.
c) Dieser Verkauf erfolgte am 29. November 2002 und nicht am 23. September 2002.
Diese Fehler werden von der Veranlagungsbehörde ausdrücklich anerkannt und von dieser damit begründet, dass sie erst Mitte Dezember 2007 von diesen Vorgängen erfahren habe; da am 21. Dezember 2007 bereits der letzte Arbeitstag des Jahres war, sei keine Zeit für weitere Abklärungen geblieben; zudem habe die Veranlagungsverjährung gedroht; deshalb sei rasches Handeln erforderlich gewesen (Vernehmlassung vom 25. April 2008 an die Vorinstanz).
2.3 Fehlerhafte Verwaltungsakte sind in der Regel nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, und sie werden durch Nichtanfechtung rechtsgültig. Nichtigkeit, d.h. absolute Unwirksamkeit einer Verfügung wird nur angenommen, wenn der ihr anhaftende Mangel besonders schwer wiegt, wenn er offensichtlich oder zumindest leicht erkennbar ist und wenn zudem die Rechtssicherheit durch die Annahme der Nichtigkeit nicht ernsthaft gefährdet wird. Inhaltliche Mängel haben nur in seltenen Ausnahmefällen die Nichtigkeit einer Verfügung zur Folge; erforderlich ist hierzu ein ausserordentlich schwerwiegender Mangel. Als Nichtigkeitsgründe fallen hauptsächlich funktionelle und sachliche Unzuständigkeit einer Behörde sowie schwerwiegende Verfahrensfehler in Betracht (BGE 132 II 342 E. 2.1, mit Hinweisen; vgl. Ulrich Häfelin und andere, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Auflage, 2006, N. 981 ff.).
2.4 Die im vorliegenden Fall festgestellten Mängel erscheinen jeder für sich genommen als nicht sehr schwerwiegend. Ihre ausserordentliche und sonst kaum anzutreffende Häufung ist zwar erstaunlich; sie vermag aber die Veranlagungsverfügung nicht als nichtig erscheinen zu lassen.
Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie zum Schluss gekommen ist, die Veranlagungsverfügung sei nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar gewesen.
3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht sodann eine Verletzung der allgemeinen Rechtsgrundsätze über die Wiederherstellung von Fristen geltend.
3.2 Die Veranlagungsverfügung vom 19. Dezember 2007 wurde dem Beschwerdeführer gleichentags zugestellt. Da dieser damals im Ausland weilte, hatte er jemanden beauftragt, während seiner Abwesenheit sein Postfach zu leeren und die Post ungeöffnet an sein Sekretariat weiterzuleiten, wo die Sendung jedoch erst am 27. Dezember 2007 eingegangen und ein entsprechender Eingangsstempel angebracht worden ist. Eine Vollmacht zur Entgegennahme eingeschriebener Briefe hat nach Angaben des Beschwerdeführers nicht bestanden.
3.3 Der Umstand der fehlenden Vollmacht ist ohne Belang, da nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen "Postdienstleistungen" der Post der jeweilige Inhaber der Abholungseinladung berechtigt ist, die Sendung abzuholen. Der Brief wurde durch die beauftragte Person bereits am 20. Dezember 2007 am Postschalter in Rotkreuz abgeholt.
3.4 Das Argument des Beschwerdeführers, die Person, welche die Post entgegengenommen habe, habe einen Eingangsstempel mit dem Datum des 27. Dezembers 2007 angebracht, ist kein erheblicher Grund im Sinne von § 137 Abs. 2 StG/SO, der das Fristversäumnis zu entschuldigen vermöchte und die Wiederherstellung der versäumten Rechtsmittelfrist rechtfertigen könnte. Der Beschwerdeführer muss sich nämlich Fehler seiner Vertreter oder Hilfspersonen wie eigene anrechnen lassen (statt vieler: Urteil 8C_345/2009 vom 2. Juni 2009 E. 1.2, mit Hinweisen).
3.5 Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie erkannt hat, dass die am 25. Januar 2008 eingereichte Einsprache erst nach Ablauf der Beschwerdefrist von 30 Tagen und damit verspätet erhoben wurde, und dass der Beschwerdeführer auch keine triftigen Gründe für die Wiederherstellung anzuführen vermocht habe.
3.6 Diese rechtliche Beurteilung ändert nichts daran, dass das Verhalten der Steuerbehörden befremdlich erscheint. Es stört, dass sie gegenüber dem Steuerpflichtigen in formalistischer Weise auf der Einhaltung der Einsprachefrist beharren, die dieser wegen eines Irrtums über den Eingangsstempel um wenige Tage überschritt, nachdem sie zuvor eine in mehrfacher Hinsicht fehlerhafte Veranlagungsverfügung erlassen hatten. Es hätte auch erwartet werden dürfen, dass sie die fehlerhafte Verfügung nachträglich von Amtes wegen berichtigten (wodurch für den Beschwerdeführer die Einsprachefrist erneut zu laufen begonnen hätte), selbst wenn sie das Verhalten des Beschwerdeführers selber nicht als einwandfrei erachtet haben mögen. Das Bundesgericht kann jedoch wie ausgeführt nicht korrigierend eingreifen.
4.
Die Beschwerde ist aus den dargelegten Gründen abzuweisen. Entsprechend diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art. 66 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Februar 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Küng