Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
4A_595/2009
Urteil vom 5. März 2010
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.
Verfahrensbeteiligte
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwältin Jolanda Fleischli,
Beschwerdeführerin,
gegen
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Balmer,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitsvertrag,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 23. Oktober 2009.
Sachverhalt:
A.
A.________ (Beschwerdegegner) legte 1999 in Deutschland die Gesellenprüfung zum Maurer ab. Vom 22. August 2005 bis zum 30. September 2006 arbeitete er bei der X.________ AG (Beschwerdeführerin). Diese Anstellung war sein erster Arbeitseinsatz in der Schweiz. Der Lohn, den ihm die Beschwerdeführerin ausrichtete, entsprach der Lohnklasse C nach den Landesmantelverträgen (LMV) für das Schweizerische Bauhauptgewerbe 2005 (LMV 2005) und 2006-2008 (LMV 2006). Der Beschwerdegegner war der Auffassung, er hätte einen höheren Stundenlohn entsprechend der Lohnklasse Q der LMV erhalten müssen. Daher verlangte er mit Klage vom 28. Januar 2008 von der Beschwerdeführerin die entsprechende Lohndifferenz für die geleisteten Arbeitsstunden von Fr. 10'884.60. Am 16. Juli 2008 wies das Kantonsgericht Glarus die Klage ab. Demgegenüber sprach das Obergericht des Kantons Glarus dem Beschwerdegegner am 23. Oktober 2009 die geltend gemachte Lohndifferenz von Fr. 10'884.60 brutto zu.
B.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt die Beschwerdeführerin dem Bundesgericht im Wesentlichen die Klage abzuweisen. Ihr Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung wies das Bundesgericht am 4. Januar 2010 ab. Es wurden nur zur Frage der aufschiebenden Wirkung Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
Gemäss den einschlägigen Bestimmungen in Art. 42 der LMV 2005/6 setzt die Lohnklasse Q neben einem anerkannten Fachausweis mindestens eine dreijährige Tätigkeit auf Schweizer Baustellen voraus, wobei die Berufslehrzeit als Tätigkeit gilt. Die Voraussetzung einer dreijährigen Tätigkeit auf Schweizer Baustellen erfüllte der Beschwerdegegner objektiv nicht.
1.1 Die Vorinstanz kam zum Schluss, Art. 42 LMV 2005/6 führe zu einer gemäss dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA, SR 0.142.112.681) unzulässigen verdeckten Diskriminierung. Mit einer dreijährigen Tätigkeit auf einer ausländischen Baustelle werde die Voraussetzung für die Lohnklasse Q erfüllt.
1.2 Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass eine Diskriminierung vorliegt, und weist darauf hin, der Bundesrat habe die LMV 2005/6 nach Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens genehmigt beziehungsweise die Allgemeinverbindlicherklärung verlängert, weshalb die Bestimmungen zulässig und für das Bundesgericht verbindlich seien. Überdies wirft sie dem Beschwerdegegner rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, da dieser den Lohn entgegengenommen habe, ohne die Lohnhöhe zu beanstanden.
1.3 Die Beschwerdeführerin ist sich bewusst, dass der für eine Beschwerde in Zivilsachen in arbeitsrechtlichen Fällen grundsätzlich erforderliche Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) nicht erreicht wird. Sie ist aber der Auffassung, der Frage, ob Art. 42 LMV 2005/6 zu einer indirekten Diskriminierung führen könne, komme grundsätzliche Bedeutung zu. Angesichts der unterschiedlichen Begründungen der Vorinstanzen und eines Entscheides des Obergerichts des Kantons Bern, welcher wieder eine andere Begründung enthalte, sei eine höchstrichterliche Klärung der Frage angezeigt.
1.4 Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist sehr restriktiv auszulegen, wobei auf die in der Botschaft enthaltene Umschreibung nicht ohne weiteres abgestellt werden kann, da diese die Möglichkeit, subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu ergreifen, nicht berücksichtigte. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4; 133 III 493 E. 1 S. 494 ff.; je mit Hinweisen). Die Voraussetzung von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG ist hingegen erfüllt, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Frage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 135 III 1 E. 1.3 S. 4; 133 III 645 E. 2.4 S. 648 f.). Eine neue Rechtsfrage kann vom Bundesgericht sodann beurteilt werden, wenn dessen Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann, namentlich, wenn von unteren Instanzen viele gleichartige Fälle zu beurteilen sein werden (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 4309 Ziff. 4.1.3.1 zu Art. 70 E-BGG). Ist die Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, ist in der Beschwerdeschrift auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG). Stellt sich die Rechtsfrage für zukünftige Fälle nicht mehr oder unter anderen Voraussetzungen, ist im Einzelnen darzutun, inwiefern ihr dennoch grundsätzliche Bedeutung zukommt (Urteil des Bundesgerichts 4A_290/2009 vom 12. August 2009 E. 2).
1.5 Die Beschwerdeführerin behauptet zwar, die zu beurteilende Konstellation bilde keinen Einzelfall, auch wenn sie sich unter der Geltung des LMV 2008, der nunmehr lediglich die dreijährige Tätigkeit auf einer Baustelle verlange, nicht mehr stellen sollte. Vor unteren kantonalen Instanzen seien noch viele gleichartige Fälle zu behandeln, zumal Lohnrückforderungen 5 Jahre rückwirkend geltend gemacht werden könnten. Ob die Beschwerdeführerin mit diesen Vorbringen, die sich weitgehend in blossen Behauptungen erschöpfen, den Begründungsanforderungen bezüglich der Grundsätzlichkeit von Rechtsfragen, die sich für zukünftige Fälle nicht mehr oder unter anderen Voraussetzungen stellen, genügt (zit. Urteil 4A_290/2009 E. 2), ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben:
1.5.1 Die Beschwerdeführerin hat zeitgleich mit der hier zu beurteilenden Beschwerde dem Bundesgericht in einem weitgehend analogen Fall, der den für die Beschwerde in Zivilsachen notwendigen Streitwert erreicht, die als grundsätzlich ausgegebene Frage unterbreitet (Urteil des Bundesgerichts 4A_593/2009 vom 5. März 2010). Wie vorzugehen ist, wenn dem Bundesgericht mehrere Beschwerden betreffend dieselbe potentiell grundsätzliche Rechtsfrage unterbreitet werden, wenn bei den einen der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Streitwert erreicht und bei den andern geltend gemacht wird, es stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, braucht ebenfalls nicht vertieft behandelt zu werden, da das Bundesgericht die Beschwerde im Parallelverfahren abgewiesen hat.
1.5.2 Das Bundesgericht erkannte, massgebend für eine indirekte Diskriminierung sei, dass in der grossen Mehrzahl der von der Norm geregelten Fälle Angehörige anderer Staaten betroffen seien (BGE 130 I 26 E. 3.2.3 S. 36 mit Hinweisen), was für die umstrittenen Bestimmung der Art. 42 LMV 2005/6 zutreffe. Da keine objektiven Umstände festgestellt waren, welche die Ungleichbehandlung gerechtfertigt erscheinen lassen könnten (BGE 130 I 26 E. 3.2.3 S. 36 mit Hinweisen), erachtete das Bundesgericht eine dreijährige Tätigkeit auf ausländischen Baustellen als ausreichend, um die höhere Lohnklasse beanspruchen zu können (zit. Urteil 4A_593/2009 E. 1.5.2).
1.5.3 Objektive Umstände, welche die Ungleichbehandlung gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, sind auch im zu beurteilenden Fall nicht festgestellt und werden von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht (vgl. demgegenüber das zu derselben Bestimmung des LMV 2006 ergangene zit. Urteil 4A_290/2009 E. 2.3.2). Wollte man auf die Beschwerde eintreten, müsste sie betreffend die indirekte Diskriminierung abgewiesen werden. Soweit die Beschwerdeführerin dem Beschwerdegegner Rechtsmissbrauch vorwirft, wäre auf ihre Vorbringen ohnehin nicht einzutreten, da sie sich, ohne eine substantiierte Sachverhaltsrüge zu erheben, auf Sachverhaltselemente abstützt, die nicht festgestellt sind. Auf derartige appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.; je mit Hinweisen; vgl. auch zit. Urteil 4A_593/2009 E. 1.6).
2.
Soweit überhaupt auf die Beschwerde einzutreten ist, muss sie abgewiesen werden. Dem Ausgang dieses eine Streitigkeit aus einem Arbeitsverhältnis betreffenden Verfahrens entsprechend sind der Beschwerdeführerin die reduzierten Kosten zu überbinden (Art. 65 Abs. 4 lit. c BGG). Zur Sache wurde keine Vernehmlassung eingeholt. Zur aufschiebenden Wirkung hat sich der Beschwerdegegner allerdings vernehmen lassen. Dafür steht ihm eine reduzierte Parteientschädigung zu. Zu beachten sind bei deren Festsetzung der tiefe Streitwert sowie der geringe Aufwand, der mit den knappen Ausführungen zur aufschiebenden Wirkung verbunden war.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 200.-- zu entschädigen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. März 2010
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:
Klett Luczak