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Original
 
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
6B_2/2010
Urteil vom 16. März 2010
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Mathys,
Gerichtsschreiberin Unseld.
Parteien
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Würmli,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell I.Rh., 9050 Appenzell,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Einfache Verkehrsregelverletzung,
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, vom 17. November 2009.
Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Appenzell sprach X.________ am 14. Juli 2009 wegen Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit durch ein Funkgerät als Lenker eines Lastwagens (Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV) schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 100.--.
Die von X.________ gegen dieses Urteil erhobene Berufung wies das Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden am 17. November 2009 ab.
B.
Mit Beschwerde in Strafsachen vom 30. Dezember 2009 beantragt X.________, das Urteil des Obergerichts vom 17. November 2009 aufzuheben und ihn freizusprechen.
C.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:
1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Bundesrecht.
1.1 Der Beschwerdeführer fuhr nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz (Art. 105 Abs. 1 BGG) am 10. September 2008 mit seinem Lastwagen auf der Umfahrungsstrasse im Bezirk Rüte, als er einen Funkspruch hörte. Um das Gespräch verstehen zu können, hielt er sich die Funkmuschel ans Ohr, wozu er (wegen des zu kurzen Kabels) den Kopf stark nach unten neigen musste. Während des Abhörens des Funkspruchs war nicht nur eine Hand des Beschwerdeführers für eine längere Dauer belegt, sondern aufgrund seiner gebückten Haltung auf dem Fahrersitz auch seine Körperstellung geändert, was zu einer Erschwerung der Fahrzeugbedienung führte und seine Aufmerksamkeit beeinträchtigte.
1.2 Nach Art. 90 Ziff. 1 SVG macht sich strafbar, wer die Verkehrsregeln des SVG oder der Vollziehungsvorschriften des Bundesrates verletzt. Der Führer muss das Fahrzeug ständig so beherrschen, dass er seinen Vorsichtspflichten nachkommen kann (Art. 31 Abs. 1 SVG). Er muss seine Aufmerksamkeit der Strasse und dem Verkehr zuwenden (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 VRV). Er darf beim Fahren keine Verrichtung vornehmen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschwert (Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV). Er hat ferner dafür zu sorgen, dass seine Aufmerksamkeit insbesondere durch Tonwiedergabegeräte sowie Kommunikations- und Informationssysteme nicht beeinträchtigt wird (Art. 3 Abs. 1 Satz 3 VRV).
1.3 Das Mass der Aufmerksamkeit, die der Fahrzeugführer nach Art. 31 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 VRV der Strasse und dem Verkehr zuzuwenden hat, richtet sich nach den gesamten Umständen, namentlich der Verkehrsdichte, den örtlichen Verhältnissen, der Zeit, der Sicht und den voraussehbaren Gefahrenquellen (BGE 127 II 302 E. 3c; 122 IV 225 E. 2b; 120 IV 63 E. 2a). Eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 Satz 1 und 3 VRV durch die Verwendung von Kommunikations- und Informationssystemen liegt nur vor, wenn die Aufmerksamkeit dadurch auch tatsächlich beeinträchtigt wird (vgl. BGE 120 IV 63 E. 2c). Art. 3 Abs. 1 Satz 2 VRV untersagt demgegenüber explizit jede die Fahrzeugbedienung erschwerende Verrichtung. Gesetz und Verordnung gehen mithin davon aus, dass bestimmte Verrichtungen an sich die notwendige Beherrschung des Fahrzeugs beeinträchtigen und dadurch - im Sinne eines Gefährdungsdelikts - stets zumindest eine abstrakte Gefahr für die übrigen Verkehrsteilnehmer schaffen (BGE 120 IV 63 E. 2a).
1.4 Der Fahrzeuglenker muss das Lenkrad mindestens mit der einen Hand halten (Art. 3 Abs. 3 VRV) und hat so die andere, wenn sie nicht zum Lenken gebraucht wird, für Handgriffe wie die Betätigung der Warnsignale, der Richtungsanzeiger, gegebenenfalls des Schalthebels, der Scheibenwischer, des Lichtschalters und dergleichen zur Verfügung. Ob eine Verrichtung das Lenken oder einen dieser Handgriffe erschwert bzw. verunmöglicht, hängt grundsätzlich von der Art der Verrichtung, dem Fahrzeug und der Verkehrssituation ab. Dauert eine solche Verrichtung nur sehr kurz und muss dabei weder der Blick vom Verkehr abgewandt noch die Körperhaltung geändert werden, so kann eine Erschwerung der Fahrzeugbedienung in der Regel verneint werden. Ist die Verrichtung jedoch von längerer Dauer oder erschwert sie in anderer Weise die nötigenfalls sofortige Verfügbarkeit der sich nicht am Lenkrad befindlichen Hand, so ist die Fahrzeugbedienung in unzulässiger Weise behindert (BGE 120 IV 63 E. 2d).
Telefongespräche mit einem Mobiltelefon ohne Freisprechanlage während der Fahrt sind daher untersagt, da solche stets länger als einen kurzen Augenblick dauern und je nachdem mit welcher Hand das Gerät gehalten werden muss, beispielsweise beim Abbiegen der Richtungsanzeiger nicht gestellt und insbesondere bei einem überraschend notwendig werdenden Ausweichmanöver das Lenkrad nicht rasch genug in der erforderlichen Weise betätigt werden kann oder am Strassenrand auftauchende Kinder nicht rechtzeitig mit einem Hupsignal gewarnt werden können (BGE 120 IV 63 E. 2d).
Die bundesgerichtliche Rechtsprechung nimmt eine unzulässige Erschwerung der Fahrzeugbedienung durch Kommunikationsgeräte auch an, wenn beispielsweise durch das Einklemmen des Mobiltelefons zwischen Schulter und Wange die freie Bewegung des Kopfs beeinträchtigt und das Sichtfeld eingeschränkt wird, da dadurch insbesondere notwendige Seitenblicke oder die Beobachtung des Rückspiegels in mit Art. 31 SVG nicht vereinbarer Weise behindert oder verunmöglicht werden (BGE 120 IV 63 E. 2e).
1.5 Nichts anderes gilt für die Bedienung eines Funkgeräts. Wie Mobiltelefone sind Funkgeräte im Fahrzeug nicht grundsätzlich verboten. Auch das Funken während der Fahrt ist gemäss Art. 3 Abs. 1 VRV jedoch untersagt, wenn dadurch die Fahrzeugbedienung erschwert und die Aufmerksamkeit beeinträchtigt wird. Hält sich der Lenker, wie dies der Beschwerdeführer tat, die Funkmuschel während der Fahrt für längere Zeit ans Ohr und muss er dafür den Kopf und den Oberkörper stark nach unten neigen, wird dadurch, auch bei einer an sich gut überschaubaren Verkehrssituation, die Fahrzeugführung in unzulässiger Weise erschwert und die Aufmerksamkeit beeinträchtigt, da eine Hand für die Fahrzeugbedienung länger nicht verfügbar und die freie Sicht aufgrund der geänderten Körperhaltung und des nicht mehr frei bewegbaren Kopfs eingeschränkt ist.
1.6 Was der Beschwerdeführer gegen den vorinstanzlichen Schuldspruch vorbringt, ist nicht stichhaltig. Insbesondere kann ihm nicht gefolgt werden, wenn er geltend macht, die freie Bewegung des Kopfs und sein Sichtfeld seien nicht beeinträchtigt gewesen, als er den Oberkörper für den Empfang des Funkspruchs schräg nach unten neigte (Beschwerde Ziff. 3). Dass dem nicht so war, wurde von der Vorinstanz verbindlich festgestellt und begründet (angefochtener Entscheid S. 5). Fehl geht sodann der Vergleich des Beschwerdeführers mit Flugzeugpiloten, welche ebenfalls ohne unzulässige Beeinträchtigung ihrer Aufmerksamkeit in der Lage seien, rege am Funkverkehr teilzunehmen (Beschwerde Ziff. 4). Die Situation eines Piloten im Flugverkehr kann aufgrund der völlig unterschiedlichen Technik und Bedienung eines Flugzeugs sowie der grundlegend verschiedenen Bedürfnisse im Flugverkehr nicht mit der eines Personen- oder Lastwagenfahrers verglichen werden.
Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen einfacher Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 SVG und Art. 3 Abs. 1 VRV verletzt kein Bundesrecht.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer beruft sich auf einen Verbotsirrtum nach Art. 21 StGB. Er habe zureichende Gründe für die Annahme gehabt, das Funken im Berufsverkehr sei nicht verboten. Auch die Polizei und andere Rettungsdienste würden im Auto funken. Lange Zeit habe man für das Funken im Lastwagen gar eine Konzession benötigt. Sämtliche Lastkraftwagen würden über Funk verfügen und auch regelmässig am Funkverkehr teilnehmen. Noch nie seien Berufskollegen von ihm deswegen gebüsst worden (Beschwerde Ziff. 7).
2.2 Ein Verbotsirrtum nach Art. 21 StGB liegt vor, wenn der Täter aus zureichenden Gründen angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt. Wie dargelegt, ist nicht der Gebrauch eines Funkgeräts in einem Lastwagen als solcher strafbar, sondern die Art und Weise, wie der Beschwerdeführer das Funkgerät während der Fahrt verwendete. Dieser macht zu Recht nicht geltend, er habe Gründe für die Annahme gehabt, das Funken sei zulässig, auch wenn damit die Fahrzeugbedienung erschwert und die Aufmerksamkeit beeinträchtigt wird. Ein Verbotsirrtum nach Art. 21 StGB ist nicht gegeben.
3.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Appenzell I.Rh., Abteilung Zivil- und Strafgericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. März 2010
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Favre Unseld