Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
{T 0/2}
2C_42/2010
Urteil vom 28. April 2010
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Küng.
Verfahrensbeteiligte
X.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Y.________,
Beschwerdegegner,
Anwaltskammer Solothurn.
Gegenstand
Entbindung von der beruflichen Schweigepflicht,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 26. November 2009.
Sachverhalt:
A.
Am 5. Dezember 2007 beauftragte X.________ Rechtsanwalt Y.________ mit der Wahrung ihrer Interessen in Sachen Erbteilung im Nachlass Z.________. Nachdem ihm die Mandantin das Mandat entzogen und auf die Geltendmachung des vereinbarungsgemäss geschuldeten Honorars nicht reagiert hatte, ersuchte Y.________ die Anwaltskammer das Kantons Solothurn, ihn von der beruflichen Schweigepflicht zu entbinden. Anstelle einer Stellungnahme zum Gesuch reichte X.________ eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Gesuchsteller ein. Die Anwaltskammer gab dem Gesuch des Anwalts am 25. Mai 2009 statt, soweit dies zur Geltendmachung der Honorarforderung notwendig sei. Die Aufsichtsbeschwerde wies sie hingegen zurück mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit der Aufsichtsbehörde des Kantons Aargau, wo der Erbteilungsprozess ausgetragen worden sei. Die von X.________ gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn ab, soweit es darauf eintrat.
B.
Mit Beschwerde vom 15. Januar 2010 beantragt X.________ dem Bundesgericht zur Hauptsache, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 26. November 2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn beantragt unter Verzicht auf eine Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Rechtsanwalt Y.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne.
Die Anwaltskammer des Kantons Solothurn hat sich nicht vernehmen lassen.
C.
Mit Verfügung vom 15. Februar 2010 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt und das Gesuch um Sistierung des bundesgerichtlichen Verfahrens abgewiesen.
Erwägungen:
1.
1.1 Das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61) regelt deren Berufspflichten abschliessend. Es bildet Teil des Bundesverwaltungsrechts, weshalb der - kantonal letztinstanzliche - Verwaltungsgerichtsentscheid betreffend die Entbindung des Beschwerdegegners vom Anwaltsgeheimnis (vgl. Art. 13 Abs. 1 BGFA) entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten angefochten werden kann (Art. 82 lit. a in Verbindung mit Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG ; vgl. Urteil 2C_508/2007 vom 27. Mai 2008 E. 1.1); die Eingabe ist daher als solche entgegenzunehmen.
Die Beschwerdeführerin ist nicht zur Beschwerde legitimiert, soweit der angefochtene Entscheid das Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdegegner betrifft (BGE 133 II 468; Urteil 2C_122/2009 vom 22. September 2009 E. 3). Weil abgesehen von dieser Einschränkung keiner der Ausschlussgründe von Art. 83 BGG erfüllt ist und der Beschwerdeführerin im Übrigen nach Art. 89 Abs. 1 BGG die Rechtsmittellegitimation zukommt, ist auf die Beschwerde in diesem beschränkten Umfang grundsätzlich einzutreten.
1.2 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG muss ein Rechtsmittel unter anderem die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel enthalten, wobei nach Art. 42 Abs. 2 BGG in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die Vorbringen müssen sachbezogen sein, damit aus der Beschwerdeschrift ersichtlich ist, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird. Dies setzt voraus, dass sich eine Beschwerde führende Partei wenigstens kurz mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt. Andernfalls ist auf das Rechtsmittel nicht einzutreten (BGE 134 II 244 E. 2.1).
Strengere Anforderungen gelten, wenn die Verletzung von Grundrechten geltend gemacht wird. Dies prüft das Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift muss die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2).
Diesen Begründungsanforderungen vermag die Eingabe der Beschwerdeführerin - wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt - über weite Strecken nicht zu genügen.
2.
Soweit die Beschwerdeführerin die Begründung des angefochtenen Entscheides als zu knapp beanstandet, rügt sie eine Verletzung von Art. 26 der Verfassung des Kantons Bern. Diese ist im Kanton Solothurn nicht anwendbar, weshalb die Beschwerde insoweit unbegründet ist. Die Beschwerdeführerin legt ebenfalls nicht dar, gestützt auf welche Bestimmung des Bundesrechts oder des kantonalen Rechts die Vorinstanz Instruktionen für die Begründung hätte erteilen müssen. Eine Verletzung des Anspruches auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) ist weder dargetan noch ersichtlich. Auf den in diesem Zusammenhang gestellten Antrag auf Einvernahme von zwei Zeuginnen ist nicht näher einzugehen, da weder dargelegt noch ersichtlich ist, wozu dies dienlich sein soll.
3.
3.1 Die Rechtsanwälte unterstehen zeitlich unbegrenzt und gegenüber jedermann dem Berufsgeheimnis über alles, was ihnen infolge ihres Berufs von ihrer Klientschaft anvertraut worden ist (Art. 13 Abs. 1 BGFA; vgl. auch Art. 321 StGB). Zu den Tatsachen, welche unter den Schutz des Anwaltsgeheimnisses fallen, gehört schon der Umstand des Bestehens eines Mandats zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Klienten. Deshalb setzt die klageweise Einforderung eines Honorars praxisgemäss eine vorgängige Befreiung des Anwalts von seiner Schweigepflicht voraus. Verweigert der Mandant die Entbindung vom Anwaltsgeheimnis, so kann sich der Rechtsanwalt, der sein Honorar auf dem Rechtsweg einzutreiben sucht, mit einem Gesuch an die Aufsichtsbehörde wenden. Die Entbindung vom Berufsgeheimnis ist nicht im Anwaltsgesetz geregelt (Pascal Maurer/Jean-Pierre Gross, Loi sur les avocats, Commentaire romand, 2010, N. 390 zu Art. 13 BGFA); es entspricht indessen der Praxis der Kantone, solche Gesuche zu bewilligen, um dem Anwalt die Durchsetzung seiner Honorarforderung gegen seinen Klienten zu ermöglichen (Urteil 2P.313/1999 vom 8. März 2000 E. 2d). Zu verweigern ist eine verlangte Entbindung nur dann, wenn die Klientschaft ihrerseits ein höherrangiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Anwaltsgeheimnisses hat (vgl. Urteil 2C_508/2007 vom 27. Mai 2008 E. 2.3 und Urteil 2P.313/1999 vom 8. März 2000 E. 2b).
3.2 Die Anwaltskammer hat erkannt, dass das Interesse des Anwalts an der gerichtlichen Eintreibung des Honorars jenes der Beschwerdeführerin an der umfassenden Wahrung des Anwaltsgeheimnisses überwiege, weshalb die Befreiung von der beruflichen Schweigepflicht zu erteilen sei.
Die Vorinstanz ist in Anwendung von § 68 Abs. 1 des solothurnischen Gesetzes vom 15. November 1970 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen (VRG/SO) und § 52 Abs. 1 des kantonalen Gesetzes über die Gerichtsorganisation vom 13. März 1977 (heute § 67 bis VRG/SO) auf die Beschwerde gegen die von der Anwaltskammer beschlossene Befreiung von der beruflichen Schweigepflicht mangels sachbezogener Begründung nicht eingetreten.
3.3 Die Beschwerdeführerin verkennt auch im vorliegenden Verfahren, dass der Entbindungsentscheid keine materiellen Rechtswirkungen entfaltet; er ermöglicht es dem gesuchstellenden Anwalt bloss, ohne Verletzung des disziplinar- und strafrechtlich geschützten Berufsgeheimnisses seine behauptete Honorarforderung gerichtlich geltend zu machen.
Nachdem die Beschwerdeführerin das Bestehen eines Mandatsverhältnisses - angesichts der bestehenden Vollmacht zu Recht - nicht bestreitet, ist nicht einzusehen, wieso sie sich der Entbindung des Anwalts vom Berufsgeheimnis widersetzt und den dahingehenden Beschluss der Aufsichtsbehörde angefochten hat. Es hätte ihren Interessen wohl besser entsprochen, den Beauftragten selber vom Anwaltsgeheimnis zu entbinden und ihre Einwände gegen die Honorarforderung alsdann im materiellrechtlichen Zivilprozess einzubringen (vgl. Urteil 2C_508/2007 vom 27. Mai 2008 E. 2.3).
3.4 Da sich die Beschwerdeführerin in der Begründung ihrer Beschwerde an die Vorinstanz einzig mit den von ihr behaupteten Berufsregelverletzungen und der Berechtigung der Honorarforderung auseinandergesetzt und nicht dargelegt hat, inwiefern der Entbindung vom Berufsgeheimnis allenfalls eigene, höher einzustufende Interessen entgegenstehen, durfte die Vorinstanz ohne Verletzung von Bundesrecht insoweit auf die Eingabe nicht eintreten.
Auch in der vorliegenden Beschwerde trägt die Beschwerdeführerin - soweit verständlich - Argumente vor, die entweder die Honorarforderung als solche oder das Verhalten des beauftragten Anwalts betreffen; diese bilden nicht Streitgegenstand, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Dies gilt auch für die von der Beschwerdeführerin gestellten Verfahrens- und Beweisanträge.
4.
Die Beschwerdeführerin rügt sodann die Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung durch die Vorinstanz; diese entbehre einer Grundlage in der kantonalen Verfassung. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der klaren gesetzlichen Regelung von § 76 VRG/SO in Verbindung mit § 106 Abs. 2 ZPO/SO, dass die unentgeltliche Rechtspflege nicht gewährt werden kann, wenn der Prozess aussichtslos erscheint. Diese Regelung stützt sich auf Art. 18 der Verfassung des Kantons Solothurn vom 8. Juni 1986 und entspricht materiell Art. 29 Abs. 3 BV. Von einer Verletzung der kantonalen Verfassung kann keine Rede sein.
5.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Da sich die Rechtsbegehren als von vornherein aussichtslos erweisen, kann dem Begehren um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art. 64 BGG). Bei diesem Ausgang hat die Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen. Eine Parteientschädigung ist keine auszurichten, da der Beschwerdegegner als Anwalt in eigener Sache gehandelt hat und das vorliegende Verfahren für ihn mit keinem besonderen Aufwand verbunden war (vgl. Art. 68 BGG; Urteil 2C_508/2007 vom 27. Mai 2008 E. 4).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. April 2010
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Zünd Küng